Klärschlamm fördern Vorfahrt in der Wasseraufbereitung: Klärschlamm auf der Langstrecke

Autor / Redakteur: Stephan Mottyll* / Dominik Stephan

Die gute alte Rohrpost könnte Pate für eine zukunftsweisende Technologie gestanden haben – Eine maßgeschneiderte Systemlösung soll die Vorteile zweier Fördertechnologien kombinieren. Bis zu 1000 Meter lang können die Leitungen sein, in denen zu Pfropfen komprimierte Klärschlämme per Druckluft unablässig ans Ziel gefördert werden. Das rechnet sich auch für Entsorger, wie europaweit Anwedungen demonstrieren.

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Schematische Darstellung des SAI Förderprozesses von Klärschlamm mithilfe von Polymerinjektion und pneumatischer Dichtstromförderung. a) Beginn der Verdichtung einer Schlammsäule, bis b) zum Erreichen eines optimierten Kompressionslevels in der Leitung. c) Öffnen des Druckluftventils, um den Schlammpfropfen in das Silo mittels Dichtstromförderung zu unterstützen. d) Abfall des Drucks in der Förderleitung
Schematische Darstellung des SAI Förderprozesses von Klärschlamm mithilfe von Polymerinjektion und pneumatischer Dichtstromförderung. a) Beginn der Verdichtung einer Schlammsäule, bis b) zum Erreichen eines optimierten Kompressionslevels in der Leitung. c) Öffnen des Druckluftventils, um den Schlammpfropfen in das Silo mittels Dichtstromförderung zu unterstützen. d) Abfall des Drucks in der Förderleitung
(Bild: ©PikePicture -stock.adobe.com; Seepex)

Eine lange Leitung haben – im Bereich der Technik durchaus kein Nachteil. Und aktuell sogar wichtiger denn je bei der Entsorgung von entwässerten Klärschlämmen. 1,8 Millionen Tonnen fallen davon jährlich im Bundesgebiet an und müssen weiterverarbeitet werden. Ob in der thermischen Aufbereitung, im Recycling oder in der Landwirtschaft. Nach der 2017 neu in Kraft getretenen Klärschlammverordnung (AbfKlärV) wird es immer öfter erforderlich, Klärschlämme über längere Entfernungen, z.B. zur Phosphatrückgewinnungsanlage, zu transportieren.

Für die eine oder andere der rund 10 000 kommunalen Kläranlagen im Land könnte der Einsatz des neuen Seepex Smart Air Injection (SAI)-Systems somit unter vielen Aspekten interessant sein: SAI passt sich nicht nur mit Streckenlängen von bis zu einem Kilometer an die neuen Erfordernisse an, es soll zudem besonders wirtschaftlich sein, denn die Gesamtinvestitionskosten wie auch der Folgeaufwand und Betriebskosten sind vergleichsweise gering, so die Entwickler.

Schlamm unter Druck

Smart Air Injection nutzt eine Kombination aus Pumpenförderung mit Exzenterschneckenpumpe und pneumatischer Dichtstrom- förderung. Das Verfahren kommt mit einer kostengünstigen Verrohrung aus Kunststoff aus, was nicht nur bei Neuanschaffungen eine Rolle spielen könnte, sondern immer auch dann, wenn laufende Ausgaben, wie z.B. Wartungs- und Betriebskosten, gesenkt werden müssen.

Attraktiv dürften auch die geringen Betriebskosten sein, die sich durch einen niedrigen Energieverbrauch, die langen Pumpenwartungszyklen von rund zwei Jahren und günstigere Ersatzteile im Vergleich zu anderen Pumpverfahren ergeben. Der zeitliche Wartungsaufwand selbst ist mit wenigen Stunden sehr kurz und kann wegen des geringeren Teilegewichtes im Regelfall von einer Person ohne zusätzliche Hebe-/Krananlage durchgeführt werden.

Dank „Maintenance in Place“ ist eine Leitungsdemontage nicht nötig. Das geringe Druckniveau sorgt zudem für eine erhöhte Lebensdauer der Komponenten, die im Übrigen nur einen geringen Platzbedarf haben. Und: Die automatisierte Systemlösung lässt sich samt Prozess­überwachung über gängige Busschnittstellen in bestehende Automatisierungs- und Leitsysteme einbinden. Alle Funktionskomponenten sowie die gesamte Sensorik und Aktorik sind als Komplettpaket Teil des Lieferumfangs und steuerungstechnisch in der SAI-Software integriert.

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Erste Referenzgeber hat Seepex bereits auf dem ausländischen Markt, im Herbst 2018 wird SAI ins Netz eines der größten europäischen Wasserunternehmen integriert. Jetzt soll die Neuentwicklung Abwasserentsorgern als energieeffiziente und leistungsstarke Alternative zu gängigen Systemen zur Verfügung stehen. Als maßgeschneiderte Förderlösung, die ingenieurmäßig auf die Gegebenheiten an der Anlage ausgelegt ist und energietechnisch optimal vor Ort parametriert wird.

Die Herausforderung

Die Förderung von entwässerten Schlämmen über lange Distanzen stellt große Herausforderungen an die kommunale Abwasseraufbereitung: aufgrund der hohen Viskosität und Abrasivität des Mediums muss ein erheblicher Druckverlust in der Förderleitung überwunden werden. Zum einen werden hierfür sequentielle Förderlösungen mit mehreren Antrieben eingesetzt, z.B. Förderbänder oder Schneckenförderer. Diese weisen jedoch aufgrund der Mehrzahl an Antrieben einen hohen Energieverbrauch und Wartungsaufwand auf.

Zudem sind sie häufig offen zur Umgebung ausgeführt – mit Folgen wie Geruchsbelästigung, Wiederverwässerung durch Regen – und ineffizient bei vertikalem oder verwinkeltem Transport. Alternativ kommen geschlossene Rohrleitungen in Verbindung mit mehrstufigen Exzenterschneckenpumpen oder teils auch Kolbenpumpen zum Einsatz, die sich besonders für hochviskose Medien und hohe Drücke eignen.

Diese benötigen jedoch aufgrund des hohen Gegendrucks vergleichsweise hohe Investitionskosten für druckstabile Rohrleitungen (zum Teil mehr als PN100). Auch erfordern – insbesondere Kolbenpumpen – einen beträchtlichen Wartungsaufwand und -kosten sowie lange Ausfallzeiten im Wartungsfall und eine relativ hohe Antriebsleistung bzw. einen hohen Energieverbrauch.

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