Sensorik Auf ein Dreiviertel Jahrhundert: Jumo gönnt sich Jubiläums-Bier und entwickelt Verfahrenstechnik gleich mit
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Wer feiert, reicht gern gute Getränke: Mit diesem Hintergedanken gönnt sich der Mess- und Automatisierungsspezialist Jumo ein eigenes Jubiläums-Bier – und mischt bei der Entwicklung der Mini-Brauerei kräftig mit. Beim Brauprozess sollten alle Produkte zusammengeführt werden, die das Unternehmen an die Industrie liefert. Ob die Mischung schmeckt?

Als Jubilar sollte man seinen Gästen etwas zu bieten haben – das scheint man zumindest bei Jumo so zu sehen: Die Fuldaer Mess- und Sensorspezialisten bieten Kunden und Partnern zum 75. Geburtstag ein goldgelbes, süffiges Pils mit einer angenehmen Bitternote an. Und mischen bei der nötigen Verfahrenstechnik für den Brauvorgang gleich selber kräftig mit.
Auf der Suche nach Engineering-Expertise und einer regionalen Brauerei, die eine solche Anlage bauen sowie ein solches Bier brauen kann, stieß man auf das Unternehmen Burkard und Gärtner (B+G), einem Spezialisten für Anlagenplanung und Anlagenbau – und die Firma „Hunfelt Braeu“. Die junge Brauerei vor den Toren Fuldas ist 2017 als Hobby in einer Garage entstanden, seitdem ständig gewachsen und produziert heute zehn verschiedene Spezialitäten. „Hunfelt Braeu“ versteht sich als kleine, regionale Brauerei von Bierspezialitäten. Zu den Sorten gehört zum Beispiel ein Stout, ein Indian Pale Ale oder ein fassgereiftes Bockbier.
Die Idee einer „Mini-Brauerei“ entstand, weil Sebastian Gärtner, einer der drei Brauer, hauptberuflich auch einer der Inhaber von B+G ist. Es lag also nahe, das Know-how von Jumo mit dem Expertenwissen von B+G und „Hunfelt Braeu“ in einer komplett neuen Anlage zu bündeln, in der dann das Jumo-Jubiläumsbier gebraut werden sollte.
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Sensoren und Automatisierung
Mehr als Sensoren: Jumo wird 75 und wächst über sich hinaus
Brauereianlage ist ein klassisches 3-Geräte-Sudwerk
Durch die Planung der Anlage auf Basis eines intelligenten 3D-CAD-Modells mittels CAD/CAE-Software und Fertigungsmethoden wie Orbitalschweißtechnik, konnte das Projekt, das hauptsächlich von Auszubildenden bearbeitet wurde, in wenigen Monaten realisiert werden. Entstanden ist eine vollautomatisierte Brauereianlage in kompakter Skid-Bauweise – komplett aus Edelstahl – mit einer Ausstoßmenge von 100 Liter Kaltwürze und automatisierter CIP-Funktion (Cleaning in Place). Bei der Brauereianlage handelt es sich um ein klassisches 3-Geräte-Sudwerk mit Läuterbottich. Die mögliche Sudgröße bewegt sich bei ca. 100 Liter. Das entspricht je nach Biersorte einer Malzschüttung von ca. 20 Kilogramm.
Neben dem Maische-, Läuterbottich und der Würzepfanne wurde die Anlage zusätzlich noch mit einem Heißwassertank realisiert. Abgesehen vom Läuterbottich werden alle Gefäße über die Gefäßinnenwand elektrisch beheizt. Zur Ansteuerung der Heizelemente kommen Leistungssteller vom Typ TYA 202 zum Einsatz. Gerade vor dem Hintergrund eines effizienten Energieeinsatzes sind die Leistungssteller enorm wichtig.
Wo Reinheit Gebot ist Auf den Sensor kommt es an
Weiterhin verfügt die Anlage über eine Pumpe für Wasser und die CIP-Funktion sowie eine weitere frequenzgeregelte Pumpe für die Maische oder Würze. Bei beiden Pumpen dient der Grenzstandmelder Zelos C01 LS als Trockenlaufschutz. Die zwei Motoren der Rührvorrichtung des Maischebottiches und des Hackwerkes vom Läuterbottich sind ebenfalls frequenzgeregelt.
Bei der Füllstandsmessung des Heißwassertanks, Maischebottichs und der Würzepfanne wird der neue Druckmessumformer Delos S02 verwendet. Die Differenzdruckmessung beim Läuterbottich wurde mit dem Taros S46 H umgesetzt. Für die Mengenerfassung des Hauptgusses und der Nachgüsse dient der Flowtrans W02. Nach dem Würzekühler misst der neue Flowtrans MAG HT20 sowohl die Durchflussmenge als auch die Temperatur. Die Temperatur in den jeweiligen Behältern wird mit dem Jumo Dtrans T1000 ermittelt.
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Automatisierungs-Know-How aus erster Hand
Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik wird verständlich
Die Sensoren wurden mit den Prozessanschlüssen G ½ (hygienisch), Peka (EHEDG zertifiziert) und Clamp in der Anlage verbaut. Sie wurde über SPE, IO-Link oder mit 4 bis 20 mA Signal eingebunden.
Ein eigenes Bier, selbst gebraut? – So geht's!
Aber wie wird eigentlich Bier gebraut? Zu Beginn wird der Heißwasserbehälter mit Wasser gefüllt und auf die gewünschte Einmaischtemperatur gebracht. Im Anschluss wird das Wasser in den Maischebotttich gepumpt und das Malzschrot manuell hinzugegeben. Die Mengen des Wassers (der sogennante Hauptguss) wird mit dem Flowtrans US W01/02? ermittelt.
Der Einmaischvorgang sollte in einem Zeitrahmen von unter 15 Minuten abgeschlossen sein und die Rührvorrichtung sollte auf maximaler Drehzahl laufen. Durch die im Malz enthaltenen Enzyme beginnen nun die jeweiligen Abbauprozesse. Ein Teil der Proteine werden durch die Proteinasen bis hin zu Aminosäuren abgebaut und die Stärke wird durch die Alpha- und Beta-Amylase zu Zucker abgebaut. Enzyme arbeiten substratspezifisch und stellen an das Reaktionsmilieu in Bezug auf Viskosität, pH-Wert und Temperatur besondere Anforderungen.
Je nach gewünschter Biersorte werden nun die verschiedenen „Rasten“, also Zeiten stabiler Temperatur, durchlaufen. Ein heutzutage häufiger Maischevorgang für helles Bier wäre etwa mit 62 °C einzumaischen, nach 50 Minuten auf 72 °C zu erhöhen und nach weiteren 20 Minuten auf 78 °C hoch zu heizen. Der Aufheizvorgang sollte mit einem Temperaturanstieg von einem Grad pro Minute erfolgen. „Das Zusammenspiel all dieser Jumo-Produkte und -Lösungen sorgt für eine hohe Prozesssicherheit“, sagt B+G-Chef Sebastian Gärtner.
Exakte Mengenerfassung dank integrierter Messtechnik
Im Anschluss folgt das Abläutern. Bei diesem Prozessschritt werden die flüssigen und festen Bestandteile voneinander getrennt. Der mit einem Siebboden ausgestattete Läuterbottich wird befüllt, die festen Bestanteile setzen sich am Boden ab und bilden eine Filterschicht. Die anfangs trübe Würze wird zurück in den Läuterbottich gepumpt. Wenn die Würze klar ist, wird auf die Würzepfanne umgestellt. Während des Läutervorgangs misst unter dem Senkboden der Taros S46 H den Differenzdruck, um die Drehzahl der frequenzgeregelten Pumpe zu regeln und bei Bedarf das Hackwerk hinzuzuschalten.
Nachdem der Hauptguss durchgelaufen ist, folgen die Nachgüsse. Die Menge der einzelnen Nachgüsse werden wieder über den Flowtrans US W01/02 erfasst. Mit den Nachgüssen soll verbliebenes Extrakt aus dem Treber entfernt werden. Die Summe des auswaschbaren und aufschließbaren Extraktes sollte unter einem Prozent liegen.
In anschließenden Prozessschritt wird die Würze ca. 70 bis 90 Minuten gekocht. Das Kochen dient der Verdampfung des Wassers, um die gewünschte Stammwürze zu erhalten, dem Austreiben unerwünschter Aromastoffe, Sterilisieren der Würze, Inaktivierung der Enzyme und Bildung von Aroma- und Farbstoffen.
Brauhandwerk und Automatisierung gehen Hand in Hand
Während des Kochens wird der Würze auch der Hopfen hinzugefügt. Das kann je nach Bier- und Hopfensorten in mehreren einzelnen Hopfengaben erfolgen. Beim Bitterhopfen dient das Kochen der besseren Lösung der Bitterstoffe und wird somit meist anfangs dazu gemischt. Aromahopfen wird dagegen erst gegen Ende der Kochung zugegeben. Verwendet wurden beim Jubiläumsbier die Hopfensorten Magnum, Ariana und Saphir.
Nach dem Kochen wird die Würze auf 20 °C herunter gekühlt. Das erfolgt mit einem Gegenstromwärmetauscher. Am Auslauf erfasst der Flowtrans MAG H20 sowohl die Durchflussmenge als auch die Temperatur. Die Drehzahl der Würzepumpe wird in Abhängigkeit der Würzeaustrittstemperatur geregelt.
Nach dem Anstellen mit Hefe folgt nun die Gärung und Lagerung des Bieres. Bei der Gärung spielt besonders die exakte Temperatursteuerung eine wichtige Rolle. Während Biere mit obergäriger Hefe zwischen 15 bis 20 ° C vergären, gären untergärige Hefen in einem Bereich von vier bis neun ° C.
Jumo Digiline CI HT10 ermittelt Konzentration der Reinigungsmedien
Weiterhin besteht die Möglichkeit die Anlagen automatisch zu reinigen. Die CIP-Funktion wird unter anderem durch die Konzentrationsmessung der Reinigungsmedien ermöglicht. Der Digiline CI HT10 ermittelt über den temperaturkompensierten Leitwert im Heißwasserbehälter die Konzentration der unterschiedlichen Reinigungsmedien.
Eine weitere Messung dient am Abfluss der Anlage zur Überwachung der einzelnen Reinigungsschritte und der Medientrennung. Zunächst wird die Anlage über die Sprühköpfe in den Behältern mit Wasser vorgespült. Darauf folgen die Reinigungsschritte mit Natronlauge, eine weitere Spülung mit Wasser und das Neutralisieren mit Salpetersäure oder Phosphorsäure. Der letzte Schritt ist dann die abschließende Spülung mit Wasser, bis der Leitwert am Ablauf die vollständige Entfernung der Säure erkennt.
Hier spielt der Digiline CI HT10 seine Stärke aus. Die genaue Konzentrationsmessung und kurze Reaktionszeit der integrierten Temperaturmessung tragen zur Einsparung von Brauchwasser und Reinigungsmitteln bei.
Auch im Pharmabereich kann der CIP-Prozess vergleichbar durchgeführt werden. In diesem Fall findet die letzte Spülung mit Reinstwasser statt. Der Leitwert des Reinstwassers wird mit dem Leitfähigkeitssensor tec-Line CR und dem Messumformer Aquis 500 CR ermittelt. Nach Vorgaben der USP 645? ist die Temperaturkompensation für diesen Fall deaktivierbar.
Messen und Regeln: Brauanlage steuern und intuitiv konfigurieren
Die Bedienung der Anlage erfolgt über die Steuerung Varitron 500 touch und der Software für die Prozessüberwachung und -steuerung Smartware Scada. Die Rezepte für die einzelnen Biersorten als auch die einzelnen CIP-Funktionen lassen sich intuitiv ohne Programmierkenntnisse mit der browserbasierten Software-Lösung Smartware Program konfigurieren. Smartware Evaluation ermöglicht es, zusätzlich alle Prozessparameter aufzuzeichnen.
„Im Anschluss kann sowohl der Brauprozess als auch der CIP-Prozess ausgewertet und mit einem automatisierten Batchreport verifiziert werden“, sagt Martin Eppinger, Branchenmanager F&B Food & Beverage (oder Lebensmittel) bei Jumo. Das erleichtert den Brauprozess beim nächsten Bier, denn auch das soll wohlschmeckend die Kehle runterrinnen.
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