Ingenieure für das Industrie-4.0-Zeitalter Studium Generale für den Ingenieur 4.0: VDMA sieht „gewaltigen“ Changeprozess für Unis und FHs

Redakteur: Dominik Stephan

Alles Neu macht die Industrie 4.0: Von der Vernetzung der Produktion bis zum industriellen Internet der Dinge soll die Digitalisierung industrielle Prozesse umkrempeln. Doch wie sieht der Bewohner dieser schönen neuen Welt aus? Der VDMA hat seinen Think-Tank auf das Problem angesetzt – Ergebnis: Ein Steckbrief für Ingenieurinnen und Ingenieure der Industrie 4.0. Und ein dringender Appell an Politik und Hochschullandschaft.

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Die digitale Vernetzung bringt der Prozessindustrie viele Chancen.
Die digitale Vernetzung bringt der Prozessindustrie viele Chancen.
(Bild: © krunja - stock.adobe.com)

Frankfurt – Vernetzung, Digitalisierung, Big-Data und Maschinenintelligenz: Auf den Ingenieur der Zukunft kommen durch die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefassten Veränderungsprozesse ganz neue Herausforderungen zu. Längst sei es nicht mehr mit Fachwissen getan, geben Branchenverbände zu bedenken. Doch was muss der Spezialist der Zukunft können? Und wie bekommen die Experten von morgen das nötige Rüstzeug für die vierte industrielle Revolution? Mit dieser Frage hat sich ein Jahr lang die Impuls-Stiftung, der Think-Tank des VDMAs, zusammen mit dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München, beschäftigt.

„Wir brauchen neue Qualifikations- und Kompetenzprofile in der Ingenieurausbildung. Die Hochschulen müssen mit dem technischen Fortschritt gehen und ihre Curricula rasch anpassen,“ betont Dr. Manfred Wittenstein, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Firma Wittensteim und im Vorsitz des Kuratoriums der Impuls-Stiftung, anlässlich der Vorstellung der Studie „Ingenieurinnen und Ingenieure für Industrie 4.0.“ des ISF. Doch jetzt läge erstmals ein Soll-Profil Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0‘ vor, das auf den Anforderungen der Maschinenbau-Industrie basiere, erklärten die Verantwortlichen bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Darin betont die Branche neben der Bedeutung der Fachkompetenz den Einfluss interdisziplinären Denkens sowie von System und Methodenkompetenzen.

Die Richtung sei also bekannt – doch jetzt gelte es, den Ingenieursnachwuchs für die zukünftigen Herausforderungen fit zu machen

„Der digitale Wandel ist kein Selbstläufer, sondern setzt einen gewaltigen Change-Prozess in den Hochschulen voraus“, unterstreicht Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer. „Als wichtigster deutscher Ingenieurarbeitgeber und Technologieführer sind wir im Maschinenbau vom Gelingen dieses Prozesses existenziell abhängig.“

Das muss sich auch in Forschung und Lehre niederschlagen, sind sich die Macher der Studie sicher: Zwar hätte sich gezeigt, dass die Hochschulen bei der Ingenieurausbildung für Industrie 4.0 bereits erste zielführende Ansätze entwickelt haben. Dennoch stünden sie vielfach noch am Anfang einer notwendigen Entwicklung.

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Curricula im Wandel: was die Ingenieursausbildung leisten muss

Insbesondere die Integration neuer fachlicher Inhalte stellt eine große Herausforderung dar: So gibt es kaum strukturierte Entscheidungsprozesse zum Einbezug neuer und zur Streichung alter Inhalte. Zudem erweist sich durch administrative Hürden die fakultäts- und fachbereichsübergreifende Studienorganisation als schwierig, betonen die Studienmacher.

„Vielfach dominiert in den Fachbereichen und Fakultäten ein fachbezogenes Silodenken,“ kritisiert Rauen. „Die Vernetzung vor allem auch in der Lehre muss besser werden.“

In den Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik sind zukünftig Grundlagenkenntnisse aus der Informatik unabdinglich. Genauso braucht die Informatik den Maschinenbau und die Elektrotechnik.

„Dies erfordert eine stärkere interdisziplinäre Verschränkung von Studieninhalten und ein besseres Miteinander der einzelnen Fachbereiche und Fakultäten,“ erläutert Rauen. Die Studie empfiehlt die Einführung eines zweisemestrigen gemeinsamen ingenieurwissenschaftlichen Grundstudiums. Studierende erhalten so gleichermaßen Einblicke in die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik.

Silodenker haben im vernetzten Industrie-4.0-Zeitalter ausgedient

„Den Kern des ‚Soll-Profils Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0‘ bilden die fachlichen Anforderungen in den jeweiligen Ingenieurdisziplinen“, betont Dr. Eckhard Heidling, Wissenschaftler am ISF München und Projektleiter der Studie. „Neu hinzu kommen Fähigkeiten in der Informatik, Data Science und der Datensicherheit.“ Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0 müssen zudem in der Lage sein, Sichtweisen anderer Disziplinen bei ihrer eigenen Arbeit zu berücksichtigen. Daher sind methodische Kompetenzen, insbesondere Prozess- und Systemdenken, sowie überfachliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Selbstständigkeit oder Lern- und Anpassungsfähigkeit besonders wichtig.

„Die Studienergebnisse zahlen voll in die ‚Maschinenhaus-Initiative‘ des VDMA ein“, betont Rauen mit Blick auf weitere Verbandsaktivitäten. Mit dem Maschinenhaus unterstützt der VDMA die Hochschulen bei der Weiterentwicklung der Lehre in der Ingenieurausbildung. Ausgangspunkt waren die hohen Studienabbruchquoten in den Ingenieurwissenschaften. So wurden seit 2013 über 50 Beratungsprojekte an den Hochschulen durchgeführt. Eine Toolbox vereint herausragende Beispiele einer guten Lehre. Das „Beste Maschinenhaus“ prämiert als höchstdotierter Lehrpreis in den Ingenieurwissenschaften innovative Lehrkonzepte für mehr Studienerfolg. Künftig stehen in der Maschinenhaus-Initiative die Digitalisierung und die Fachbereiche und Fakultäten der Informatik besonders im Fokus.

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