Klärschlammaufbereitung Klärschlamm als Phosphor-Quelle – auf der Suche nach dem wirtschaftlichsten Verfahren

Autor / Redakteur: Hans-Jürgen Bittermann / Dr. Jörg Kempf

Die Herangehensweise ist unterschiedlich, das Ziel ist gleich: die Nutzung von Klärschlamm als Phosphor-Quelle: In Karlsruhe wird das Hohenheimer-HTC-Verfahren erprobt, in Emmerich setzt Gelsenwasser auf eine Pyreg-Anlage.

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Faulgasnutzung und Phosphor-Recycling: Die Kläranlage Linz-Unkel (Ausbaugröße: rund 30.000 EW) wurde auf modernste Entsorgungstechnik umgestellt. Seit September 2015 ist auch eine Pyreg-Anlage zur Klärschlammverwertung inklusive Phosphor-Recycling in Betrieb. Komplettes Anlagen-Schema siehe Bildergalerie.
Faulgasnutzung und Phosphor-Recycling: Die Kläranlage Linz-Unkel (Ausbaugröße: rund 30.000 EW) wurde auf modernste Entsorgungstechnik umgestellt. Seit September 2015 ist auch eine Pyreg-Anlage zur Klärschlammverwertung inklusive Phosphor-Recycling in Betrieb. Komplettes Anlagen-Schema siehe Bildergalerie.
(Bild: Ingenieurgesellschaft Dr. Siekmann + Partner)

Kommunale Kläranlagen haben jährlich knapp zwei Millionen Tonnen trockenen Klärschlamm zu entsorgen. Er enthält wertvollen Phosphor, der sich mit dem HTC-Verfahren (hydrothermale Carbonisierung) der Hohenheimer Agrartechnologin Prof. Dr. Andrea Kruse schadstofffrei und kostengünstig aus dem Schlamm zur Bereitstellung von Dünger gewinnen lässt. Das HTC-Verfahren wandelt Klärschlamm zuerst in CO2-neutrale Biokohle um. Dann wird das Phosphat isoliert und zurückgewonnen. Bisherige Technologien für die Phosphor-Rückgewinnung setzten vor allem auf die Entsorgung in Monoverbrennungsanlagen, um aus der Asche das Phosphat zu gewinnen und als Dünger zu verarbeiten. Diese Verfahren seien aber teurer und deutlich aufwändiger als die HTC-Technologie, so die Spezialisten der AVA-CO2 Schweiz.

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Eine AVA cleanphos-Pilotanlage, welche das HTC-Verfahren nun praxisähnlich erprobt, ging kürzlich bei der AVA Green Chemistry Development in Karlsruhe in Betrieb. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert das Projekt. Dabei entstehen gleich zwei wirtschaftlich interessante Produkte: ein wertvolles Phosphor-Produkt und die phosphorfreie HTC-Klärschlammkohle. Diese lässt sich dank AVA cleanphos in Zukunft als Ersatz für Braun- oder Steinkohle in der Mitverbrennung einsetzen.

Der gewonnene Phosphor kann in der Landwirtschaft zur Düngung verwendet werden. Das war bisher nicht ohne weiteres möglich. „Obwohl Klärschlamm viel wertvolles Phosphat enthält, sprach bis jetzt vieles gegen eine landwirtschaftliche Verwertung“, erklärt Andrea Kruse. „Der Schlamm kann Krankheitserreger mit sich führen und enthält zusätzlich viele Schwermetalle.“ Das wertvolle Phosphat von den Schwermetallen trennen – das ist der große Vorteil des HTC-Verfahrens. Über 80 % des Phosphats aus dem Klärschlamm bleiben erhalten; Schwermetalle werden in der Kohle zurückgehalten. Erste Ergebnisse aus dem Betrieb der Anlage sollen bereits im 4. Quartal 2016 vorgestellt werden.

Für den Einsatz vor Ort

Im Rahmen eines weiteren Pilotprojekts kooperiert Gelsenwasser in Emmerich am Rhein mit den Unternehmen Pyreg und Eliquo Stulz, um Phosphor aus Klärschlamm zu eliminieren. Basis ist ein von Pyreg entwickeltes Verfahren zur thermischen Phosphor-Rückgewinnung. Das Pyreg-Verfahren ist vor allem für den Einsatz vor Ort auf den Kläranlagen ausgelegt und vermeidet so den Bau großer Klärschlamm-Verbrennungsanlagen. Das Verfahren bewährt sich bereits seit 2015 auf der Kläranlage Linz-Unkel (Planung: Ingenieurgesellschaft Dr. Siekmann + Partner).

Pyreg gilt bei Kläranlagen kleiner und mittlerer Größe als Vorreiter hinsichtlich der Umstellung der Verfahrensführung von aerober Schlammstabilisierung auf Schlammfaulung. In einer Verfahrenskette wird der Klärschlamm mit einem Feststoffgehalt von ca. 5 % mithilfe einer Schneckenpresse auf ca. 30 % entwässert, anschließend über einen Bandtrockner (beide: Eliquo Stulz) geleitet und hier auf ca. 80 % getrocknet und anschließend der Pyreg-Anlage zur thermischen Verwertung zugeleitet.

Als Produkt wird hinter der Pyreg-Anlage Klärschlamm-Asche mit hohem pflanzenverfügbarem Phosphoranteil gewonnen, die anschließend zur Herstellung von Düngemittel dient. Die gesamte Klärschlammmenge wird in diesem Prozess auf 1/20 der Ursprungsmenge reduziert. Mit der thermischen Klärschlammverwertung schließt sich der Kreis: Klärschlamm als Energieträger und Dünger. Bereits durch den Einsatz der Kompaktfaulung konnten der Stromfremdbezug um annähernd 60 % und gleichzeitig die Klärschlammmenge um etwa 30 % reduziert werden. Nun wird auch eine Klärschlamm-Asche erzeugt, die zur Düngemittelherstellung genutzt werden kann.

„Unsere Motivation für diese Methode ist der dauerhafte Schutz der Umwelt, vor allem knapper Ressourcen. Das innovative, umweltschonende Verfahren der Pyreg hat in Kombination mit unserer Stellung im Trink- und Abwassermarkt beste Start-Chancen“, so Dr. Dirk Waider, Gelsenwasser-Vorstand.

Fazit: Phosphor beziehen wir als Phosphat bislang aus Mineralwerken in China, den USA und Marokko, aber das sind endliche Ressourcen. Neue Quellen sind zwingend erforderlich – Klärschlamm eignet sich bestens. Das wirtschaftlichste Verfahren wird sich aus den Pilotprojekten ergeben.

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