Wasserstoff-Glossar Grün, Grau, Blau: Was ist was beim Wasserstoff?

Von Dominik Stephan

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Grünes Gas oder graue Theorie, Alkalische oder PEM-Elektrolyse, Fischer-Tropsch oder Power-to-X: Mit dem Mega-Trend Wasserstoff sind neue Begriffe und alte Bekannte in den Wortschatz der Technologie-Experten eingezogen. Wie lässt sich H2 speichern? Was steckt hinter LOHC? Wo kann man schon heute Wasserstoff tanken? Unser H2-Glossar stellt Ihnen die Themen vor, die Sie kennen müssen, um beim Wasserstoff mitreden zu können.

Ob in den Elektrolysezellen ein basisches oder saures Medium eingesetzt wird, macht einen wesentlichen Unterschied: Die alkalische Elektrolyse, das Arbeitspferd unter den Wasserelektrolyse-Verfahren, nutzt bis zu 40-prozentige Kalilauge-Lösungen, um Wasserstoff mit hohem Reinheitsgrad zu gewinnen.
Ob in den Elektrolysezellen ein basisches oder saures Medium eingesetzt wird, macht einen wesentlichen Unterschied: Die alkalische Elektrolyse, das Arbeitspferd unter den Wasserelektrolyse-Verfahren, nutzt bis zu 40-prozentige Kalilauge-Lösungen, um Wasserstoff mit hohem Reinheitsgrad zu gewinnen.
(Bild: Thyssenkrupp)

Farbenlehre des Wasserstoffs: Wasserstoff, egal ob als Elektrolysegas oder per Dampfreformierung gewonnen, ist natürlich farblos. Das man trotzdem von einer „Farbenlehre“ des Wasserstoffs spricht, hat den Grund, Gas aus verschiedenen Quellen hinsichtlich des Klimapotenzials unterscheiden zu können.

  • Grüner Wasserstoff ist per Elektrolyse mittels erneuerbaren Energien erzeugtes H2. Diese Form der Produktion ist vollständig CO2-frei, da nur „grüner“ Strom genutzt wird.
  • Als „blau“ bezeichnet man Wasserstoff, bei dessen Produktion das entstandene CO2 abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage, CCS). Solange das Kohlendioxid wirklich vollständig aufgefangen wird und nicht in die Atmosphäre gelangt, setzt blauer Wasserstoff keine klimaschädlichen Emissionen frei.
  • Als „grau“ wird Wasserstoff aus fossilen Quellen, allen voran das per Dampfreformierung von Erdgas gewonnene H2, bezeichnet. Dieser verursacht erhebliche Emissionsmengen: So entstehen bei der Dampfreformierung pro erzeugte Tonne Wasserstoff rund 10 Tonnen CO2.
  • Türkiser Wasserstoff wird durch die Zersetzung von Methan/Erdgas bei hoher Temperatur hergestellt (sog. Methanpyrolyse). Dabei entsteht fester Kohlenstoff in Form von Graphit oder Aktivkohle. Wird dieser deponiert oder dauerhaft gebunden und die Energie für die Pyrolyse emissionsneutral erzeugt, kann türkiser Wasserstoff als klimaneutral gelten.

Alkalische Elektrolyse: Die alkalische Elektrolyse ist das „Arbeitspferd“ unter den Wasserelektrolyse-Verfahren: Dabei werden bis zu 40-prozentige Kalilauge-Lösungen genutzt, um Wasserstoff mit hohem Reinheitsgrad zu gewinnen. Die Elektroden, Zellen und Membranen sind vergleichsweise preiswert und langzeitstabil, die Wirkungsgrade hoch. Diese Eigenschaften – sowie die Tatsache, dass für die Elektroden keine seltenen Edelmetalle benötigt werden, macht die alkalische Elektrolyse zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Allerdings reagieren die Zellen auf Laständerungen vergleichsweise träge und haben im Teillastbereich einen deutlich reduzierten Wirkungsgrad – beides wichtige Anforderungen, wenn die Technologie mit Überschussstrom arbeiten und lastgesteuert zur Netzstabilisierung beitragen soll.

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Vom Strom zum Gas: Das können PEM-Elektrolyse und Co.

Power-to-X heißt die Formel, die es ermöglichen soll, mit elektrischer Energie die verschiedensten Rohstoffe zu erzeugen: Daran arbeitet etwa der Anlagenbauer CAC, der in einer Demonstrationsanlage auf dem Gelände der TU Bergakademie Freiberg 12 Tonnen synthetisches Benzin für Tests der Automobilhersteller produziert.
Power-to-X heißt die Formel, die es ermöglichen soll, mit elektrischer Energie die verschiedensten Rohstoffe zu erzeugen: Daran arbeitet etwa der Anlagenbauer CAC, der in einer Demonstrationsanlage auf dem Gelände der TU Bergakademie Freiberg 12 Tonnen synthetisches Benzin für Tests der Automobilhersteller produziert.
(Bild: CAC)

Power-to-X: Power-to-X bezeichnet die Herstellung von Roh- und Kraftstoffen mittels elektrischer Energie. Dazu gehört die Wasserstoffelektrolyse, synthetische Benzin- oder Dieseladditive, die Methanol- oder Ammoniaksynthse und viele andere Prozesse, die auf Strom statt fossilen Rohstoffen aufsetzen. Je nach Aggregatszustand des Produktes unterscheidet man zwischen Power-to-Gas/PtG- oder Power-to-Liquid-Porzessen.

PEM-Elektrolyse: Die Proton-Exchange-Membrane-Elektrolyse (kurz PEM) ist im Prinzip die „Umkehrung“ der Brennstoffzelle. Sie arbeitet im sauren Milieu, wobei positive Wasserstoffionen – Protonen – durch eine gasdichte PTFE-Membran zur Kathode wandern. Dort nehmen sie ein Elektron auf und bilden hochreine Wasserstoffmoleküle (auf eine Nachreinigung kann dadurch in der Praxis verzichtet werden), während auf der Anodenseite der Sauerstoff abgeschieden wird.

Da die Elektroden direkt auf der Membran, die zugleich als Elektrolyt dient, aufgebracht sind, benötigt der PEM-Elektrolyseur lediglich destilliertes Wasser. Aufgrund der aggressiven Reaktionsbedingungen kommen als Kathodenmaterial Platin, auf der Anodenseite Edelmetalle wie Iridium oder Metalloxide zum Einsatz. Im Unterschied zur Alkalischen Elektrolyse gibt es aber an der Kathode praktisch kein flüssiges Wasser. Die PEM-Elektrolyse erzielt nicht nur hohe Stromdichten, Leistungsdichten und Wirkungsgrade, sondern kann problemlos im Teillastbereich betrieben werden. PEM-Elektrolyseure können sogar kurzzeitig überlastet werden, was sie ideal für das „Abfedern“ von Spannungsspitzen macht. Im Gegensatz zu den bewährten alkalischen Elektrolyseuren ist die Technologie allerdings verhältnismäßig jung und auf kleine Nischenanwendungen beschränkt.

Besser als Wasserstoff? Warum wir über Ammoniak reden müssen

Im Ammonia-Cracker wird NH3 in ein Gasgemisch aus 75 Prozent Wasserstoff und 25 Prozent Stickstoff zerlegt.
Im Ammonia-Cracker wird NH3 in ein Gasgemisch aus 75 Prozent Wasserstoff und 25 Prozent Stickstoff zerlegt.
(Bild: ZBT/Nadine van der Schoot)

Ammoniak: Ammoniak (NH3) ist eine der ältesten „Massenchemikalien“ und wird weltweit im hunderte Millionen Tonnen Maßstab hergestellt. Im Haber-Bosch-Verfahren reagieren Stickstoff und Wasserstoff an einem Eisenkatalysator zu NH3, wobei das nötige H2 meist per Dampfreformierung aus Erdgas oder Kohle gewonnen wird. Durch die Nutzung von „grünem“ Elektrolyse-Wasserstoff ließe sich Ammoniak als Energiespeicher nutzen, da es einfach zu transportieren oder zu lagern ist und die Industrie auf Jahrzehnte der Erfahrung zurückgreifen kann.

Festoxid-Elektrolyse: Eine im wahrsten Sinne des Wortes heiße Sache ist die OEC Festoxid-Elektrolyse: Da die Reaktion bei sehr hohen Temperaturen von 500 bis 850 ° C abläuft, muss weniger Energie aufgewendet werden, um die Wassermoleküle aufzuspalten. Das Verfahren ist im Prinzip eine „rückwärts“ laufende Brennstoffzelle, bei der die Halbzellen statt durch eine Membran durch ein festes Oxid getrennt werden. Als Elektrolyt kommt in Anbetracht der hohen Betriebstemperatur ein Ionenleiter wie Zirkoniumdioxid zum Einsatz, welches beim Anfahren der Zellen erst erhitzt werden muss.

Methanol: Synthetisches Methanol aus Elektrolyse-Wasserstoff gilt als ein geeigneter Kandidat zur stofflichen Energiespeicherung, da es sich im Unterschied zu Wasserstoff gut handhaben und transportieren lässt. Ein angenehmer Nebeneffekt: Bei der Methanolsynthese könnte CO2 aus Abgasströmen als "Rohstoff" genutzt werden.

Chlor-Alkali-Elektrolyse: Bei der Herstellung von Chlor aus Salzsole fällt Wasserstoff als Koppelprodukt an – und damit haben Anlagenbauer Jahrzehnte Erfahrung. Die Technologie ist daher relativ ausgereift und weist Wirkungsgrade bis zu 80 Prozent auf, erklären Experten.

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Ohne die Elektrolyse bleiben zentrale Vorhaben der De­fossilierung auf der Strecke.
Ohne die Elektrolyse bleiben zentrale Vorhaben der De­fossilierung auf der Strecke.
(Bild: DLR/ThomasErnsting)

Fischer-Tropsch-Synthese: Die Fischer-Tropsch-Synthese ist ein großtechnisches Verfahren aus der Frühzeit der chemischen Industrie, bei dem aus Synthesegas verschiedenen Kohlenwasserstoffe gewonnen werden. Typischerweise wurde das nötige Syngas aus der Kohlenvergasung gewonnen. Fischer-Tropsch-Verfahren spielen heute in Deutschland keine große Rolle mehr, könnten aber im Zuge der Wasserstoff-Revolution eine Renaissance erfahren: Mit grünem Wasserstoff und Kohlenmonoxid und -Dioxid aus Abgasen oder der Atmosphäre ist das Verfahren zentraler Baustein sämtlicher Power-to-X-Prozesse.

Husch, und weg? So lässt sich Wasserstoff speichern

Nullabstand: Kleinstmögliche Dicke der Membran einer Elektrolyse-Zelle: Der elektrische Widerstand der Zellen sinkt, je näher die beiden Elektroden „zusammenrücken“. Daher versuchen die Entwickler, Elektrolysezellen möglichst dicht zu packen, wobei die Dicke des Diaphragmas den minimal möglichen „Nullabstand“ vorgibt.

Pilotprojekt: Die Anlage der RAG Austria pumpt Wasserstoff in die Erde.
Pilotprojekt: Die Anlage der RAG Austria pumpt Wasserstoff in die Erde.
(Bild: Karin Lohberger / RAG)

Speicherung: Wasserstoff wird in der Regel wird flüssig bei -253 ° C gespeichert, was die Dichte auf 71 kg/m³ erhöht. Bei diesem energieaufwändigen Verfahren gehen bis zu 30 Prozent des theoretisch nutzbaren Heizwertes verloren. Natürlich wäre auch ein Speichern unter Druck, etwa in CFK-Flaschen bei 700 bar, denkbar – doch auch bleibt ein Teil der Energie (etwa 12 Prozent) bei der Verdichtung auf der Strecke.

Metallhydrid-Speicher: Metallhydrid-Speicher lösen Wasserstoff unter hohem Druck in Metallen oder Legierungen, was eine um stabile und robuste Gasspeicher zu ermöglichen. Dabei ist die Gasaufnahme und -Abgabe langsam, und es werden große Mengen Metall zur Speicherung kleiner Gasvolumina benötigt.

Pack den Wasserstoff-Tiger in den Tank: Wo kann man H2 tanken?

LOHC: LOHCs oder Liquid Organic Hydrogen Carriers sind also organische Verbindungen, die Wasserstoff aufnehmen und abgeben können. Dafür kommt prinzipiell nahezu jede ungesättigte Kohlenstoff- Doppel- oder -Dreifachbindung in Frage, praktisch schränken die nötigen Temperaturen die Nutzbarkeit von Kohlenwasserstoffen ein: So nimmt etwa Dibenzyltoluol (DBT, als Wärmeträgeröl unter dem Handelsnamen Marlotherm bekannt) unter Einsatz eines Ruthenium-Katalysators bei etwa 200 ° C und 5 bar Überdruck gasförmigen Wasserstoff auf. In einem Liter DBT lassen sich etwa 600 Liter Wasserstoffgas speichern.

Wasserstofftankstelle des Gasespezialisten Linde: Deutschland hat beim Thema Wasserstoff nicht nur in Europa eine Position an der Weltspitze.
Wasserstofftankstelle des Gasespezialisten Linde: Deutschland hat beim Thema Wasserstoff nicht nur in Europa eine Position an der Weltspitze.
(Bild: Linde Group)

Tankstelle: Ob 700 bar oder 350 bar, ob PKW-Fahrer oder Trucker: Tanken müssen sie alle. Wer mit Wasserstoff fährt, kann das bei 91 Tankstellen im Bundesgebiet (Stand: März 2021) tun. Ein aktuelles Verzeichnis der finden Sie auf H2.live

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