Vom Lieferanten zum Gashersteller Westfalen startet mit Partnern CO2-Fertigung in Höchst
Als mittelständiger Spezialist selbst in die Produktion eines Massenrohstoffs wie CO2 einsteigen? So ein Vorhaben – obgleich gewagt – muss keine Selbstüberschätzung sein. Gemeinsam im Team können auch Mittelständler in die Rohstoffproduktion einsteigen, wie eine neueröffnete CO2-Anlage in Höchst eindrucksvoll demonstriert.
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Es zischt nur leise – sonst ist nichts zu hören neben dem großen weißen Tankwagen im Industriepark Höchst. Der Fahrer, der seine Zugmaschine vor einem großen, kastenförmigen Gebäude geparkt hat, merkt lediglich am Anzeigebildschirm einer Fahrzeugwaage dass gerade mehrere Tonnen flüssiges CO2 aus drei großen Speicherbehältern in seinen Auflieger fließen. Wieder ein Zischen – dann sind 22 Tonnen des tiefkalten Flüssiggases im isolierten Tank verschwunden.
Obwohl die Anlage in Höchst mitten in einem der größten deutschen Industrieparks steht, ist außer dem Kraftfahrer kein Mensch in der Nähe. Alles geschieht hier automatisch, aus der Ferne gemanagt und kontrolliert. Schon bald öffnet sich wie von Geisterhand die Schranke an der Zufahrt zur Beladestation und der Tanklaster setzt seine Reise fort. Vielleicht zu einer Chemieanlage, einem Pharmaunternehmen oder einer nah gelegenen Getränkeabfüllung. CO2 wird immer gebraucht.
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Kohlendioxid-Produktion
Spatenstich für Kohlendioxid-Produktion im Industriepark Höchst
Was hier so geräuschlos vor sich geht, ist für die beteiligten Firmen ein enormer Schritt zur Unabhängigkeit – denn in dieser Anlage, die vier mittelständische deutsche Gashersteller gemeinsam auf die Beine gestellt haben, wird CO2 nicht nur gelagert und verladen, es wird auch gereinigt und verflüssigt. Anders wäre das Rohgas, dass in der Anlage über eine Pipeline ankommt, für viele Anwendungen auch gar nicht nutzbar. An dem Joint Venture sind vier deutsche Gashersteller beteiligt: Westfalen aus Münster hält 50 Prozent, die weiteren Kontingente übernahmen Basi Schöberl aus Rastatt, die Sauerstoffwerk Friedrich Guttroff aus Wertheim sowie Rießner-Gase aus Lichtenfels.
Gemeinsam haben die Gesellschafter insgesamt 5,3 Millionen Euro in die Anlage investiert. „Wir haben gemeinsam etwas geschaffen, auf das wir stolz sein können“, erklärt der Westfalen Vorstandsvorsitzende Wolfgang Fritsch-Albert. „Eine Anlage, die den Mittelstand in die Lage versetzt, selbst CO2 zu produzieren – was jahrelang nicht der Fall war.“
Vom Verteiler zum Gas-Hersteller: Selbstüberschätzung oder Geniestreich?
Dabei wirkt das Verfahren keineswegs besonders ungewöhnlich – doch dass vier mittelständische Gasspezialisten gemeinsam ein derartiges Projekt angeschoben haben, könnte doch für hochgezogene Augenbrauen sorgen. Bisher war die Herstellung von CO2 nämlich vor allem Sache der großen Chemiefirmen, bei denen das Gas in großen Mengen in der Herstellung von Methanol und Ammoniak, aber auch bei anderen Prozessen der Kohlenstoffchemie, anfällt. Gaslieferanten wie Westfalen beschränkten sich daher traditionell auf die Rolle des CO2-Zwischenhändlers, die das gereinigte Gas bei den Chemiefirmen aufkauften und über ihr Netzwerk an Abnehmerbranchen von Schweißereien bis zur Limonade-abfüllung verteilten.
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