Wasserstoff-Importe Unter der Sonne Afrikas: Wasserstoff aus Namibia für Deutschland?

Von Dominik Stephan

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Woher soll das Gas für morgen kommen? Aus Deutschland nicht – jedenfalls nicht allein – da sind sich eigentlich alle einig. Auch und gerade in der schönen neuen Welt grüner Energien wird die Bundesrepublik auf Importe angewiesen sein, vielleicht sogar mehr als zuvor. Daher bringen sich wind- und vor allem sonnenreiche und bevölkerungsarme Länder in Stellung, Europa mit heißbegehrtem Wasserstoff zu beliefern. Eine Schlüsselrolle könnte dabei Namibia zukommen…

Wüstensonne für Wasserstoff: Deutschland hofft auf H2 aus Namibia.
Wüstensonne für Wasserstoff: Deutschland hofft auf H2 aus Namibia.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Ob Energiespeicher für Wohnhäuser und Gewerbe, grüne Kraftstoffe oder Basischemikalien aus Abgas: Kaum eine Defossilierungsvision kommt ohne das leichteste Element des Periodensystems aus. Wasserstoff könnte nahezu alle unsere Defossilierungsprobleme lösen – wenn wir ihn denn hätten. Doch woher soll so viel Gas für all die großen Pläne kommen? Den begehrten Stoff einfach wie bisher aus Erdgas zu gewinnen, verbietet sich, angesichts der CO2-Bilanz – zumindest, wenn wir über „grünen“ Wasserstoff reden. Und genügend Elektrolysegas aus Grünstrom in Deutschland zu erzeugen, hält eigentlich auch niemand wirklich für realistisch – zu groß ist der Bedarf nach „grüner“ Energie aller anderen Sektoren.

Es führt wohl kein Weg daran vorbei, auch in Zukunft erhebliche Mengen an Energie, Rohstoffen und Energieträgern zu importieren. Wenn zeitgleich alle Sektoren auf fossile Rohstoffe wie auch Energien verzichten sollen und „nebenbei“ die deutsche Kohle-, Gas- und Ölförderung (unbedeutend wie letztere sein mag) wegfällt, werden es die im Land erzeugten Erneuerbaren schwer haben, den gewaltigen Bedarf zu decken. Zur Erinnerung: 2020 prognostizierte die Chemie einen Bedarf von über 600 Terawattstunden grüner Energie pro Jahr – mehr, als Deutschland derzeit insgesamt über alle Energien hinweg an Strom erzeugt. Und dass nur für einen einzigen Industriesektor.

Also Energie ins Land schaffen – aber wie? Eben in Form von Wasserstoff. Die Vision, das Gas in sonnenreichen Ländern mit viel Platz und windreichen Küsten per Elektrolyse mittels Grünstrom zu erzeugen und per Pipeline oder Schiff zu Abnehmern im Ausland zu transportieren, ist nicht neu. Neben Australien drängt sich ein neuer Partner in den Vordergrund: Namibia. Das afrikanische Land ist nach Ansicht von Experten prädestiniert für die Produktion erneuerbarer Energien. Mit rund 3. 500 Sonnenstunden pro Jahr bedeuten das dreifache dessen, was an den besten Deutschen Standorten möglich ist. Und der Wind in dem Küstenland ist kräftig und beständig. Dazu kommt eine weite, spärlich besiedelte Fläche, geprägt durch die Wüsten Namib und Kalahari.

Wasserstoff aus Afrika für die alte Welt?

Ab 2025, so plant die namibische Regierung, soll deshalb das Land grünen Wasserstoff produzieren und in alle Welt verkaufen – auch an Abnehmer in Deutschland. Denn die Bundesrepublik, nicht mit der Sonne, Weite und Wind der afrikanischen Atlantikküste gesegnet braucht dringend grünes Gas. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat sich bei der namibischen Regierung ins Gespräch gebracht und als (übrigens erster) Regierungspartner Namibias eine staatliche Kooperationsvereinbarung zu Grünem Wasserstoff getroffen.

Die Aufteilung ist klar: Aus Deutschland kommt Geld für die Entwicklung einer Nationalen Wasserstoffstrategie und ein Capacity Building (Kapazitätsaufbau) zur Aus- und Weiterbildung lokaler Fachkräfte in Namibia ebenso wie Stipendien für Studentinnen und Studenten aus Namibia, von deutschen Technologienunternehmen (hoffentlich) das nötige Verfahrenstechnik-Knowhow und Ausrüstung und aus Namibia schließlich das begehrte grüne Gas. Dafür hat das BMBF schon einmal 40 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

300.000 Tonnen H2 aus Sonnenstrom

Konkret sollen vier konkrete Projekte (aus ursprünglich 26 eingereichten) weiterverfolgt und entsprechende Förderanträge gestellt werden, darunter zwei im Hafen der Walvis Bay (wasserstoffbetriebene Schwerlastfahrzeuge und eine mobile Wasserstoffbetankungslösung). Dazu kommen H2-Dual-Fuel-Technologie für Lokomotiven sowie Use-Cases für Wasserstoff-Anwendungen in Solar- und Windenergie sowie Entsalzungs- und Elektrolyseprojekten.

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Ganz konkret wird das Joint-Venture Hyphen Hydrogen Energy einer Enertrag-Tochter aus Südafrika und der Nicolas-Holding, die eine Produktion jährlich 300. 000 Tonnen Elektrolysewasserstoff planen. Budgetiert sind dafür rund zehn Milliarden Dollar – viel Geld in einem Land, dessen BIP bei rund 12 Milliarden liegt. Investoren werden daher weltweit gesucht, wobei der Staat auch gezielte Wasserstoffanleihen ins Auge fasst. Übrigens hofft auch Namibia auf Erlöse aus dem potenziellen grünen Gold: So könnte Wasserstoff bis zu sechs Milliarden US-Dollar (oder etwa ein Drittel) zum Bruttoinlandsprodukt beisteuern, hofft die Regierung.

Wie kommt das Gas nach Deutschland?

Nach Deutschland käme das Gas wohl am ehesten per Schiff – doch auch das ist gar nicht so einfach: So lässt sich Wasserstoff tiefkalt (bei – 253 ° C ) verflüssigt per Gastanker in alle Welt verschiffen, doch wären dafür selbst erhebliche Energiemengen nötig. Gelöscht werden könnten H2-Tanker perspektivisch in umgerüstete Gasterminals an der Nordsee, etwa Zeebrügge (von hier besteht eine Pipeline nach Aachen) oder Rotterdam, dass sich langsam zum Wasserstoffhub mausert und selbst Elektrolysekapazitäten im Tonnenmaßstab aufbaut.

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Eine Alternative wäre die Produktion von „grünem“ Ammoniak, welches sich schon bei lediglich etwa 10 bar als Flüssigmedium transportieren lässt. NH3 könnte, in Europa angekommen, verbrannt werden oder zurück in Wasserstoff und Stickstoff gespalten werden. Natürlich werden auch hunderte Millionen Ammoniak in der Düngemittelproduktion benötigt. Neben dem einfachen Handling hat Ammon den großen Vorteil, keine fossilen Rohstoffe oder Kohlenstoffquellen zu benötigen (lediglich Luftstickstoff) und sich so auch in einer post-fossilen Welt, ohne leicht verfügbaren Kohlenstoffhaltige Abgase, herstellen zu lassen. Bis 2026 plant daher auch die RWE in Brunsbüttel ein dediziertes Ammoniak-Umschlagsterminal in Betrieb nehmen zu können.

Löst Namibia unser Wasserstoff-Problem?

Wächst unter der Sonne Afrikas also die Hoffnung für die deutsche Defossilierung heran? Oder sind H2-Träume doch nur Schäume? Dieser Frage ist die Dechema zusammen mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung ISOE nachgegangen. Und die gießen etwas Wasser in den Wein der H2-Propheten. Denn Namibia sei zwar wie kaum ein anderes Land geeignet, um Wind- und Solarenergie zu erzeugen. Doch für die Wasserstoffproduktion braucht es eben auch – der Name verrät es – Wasser.

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„Auch wenn nach Ansicht vieler Experten und Expertinnen Namibia eines der vielversprechendsten Länder für die günstige Produktion von Grünem Wasserstoff ist, so ist es gleichzeitig auch das trockenste Land der Subsahara-Region. Ausreichend erneuerbare Energien allein reichen für die Wasserstoffproduktion nicht aus. Wasser, das ebenfalls benötigt wird, muss vor Ort deshalb kostengünstig aus Meerwasserentsalzungsanlagen gewonnen werden. Nur dann wird sich das Vorhaben rentieren“, so Dr. Daniel Frank, Koordinator des Vorhabens bei der Dechema. Und natürlich wird diese Wasser- und Landnutzung nicht ohne Konflikte mit anderen Interessenten verlaufen – darauf heißt es sich einstellen und soziale und ökologische Risiken einzubeziehen.

Das Potenzial sei durchaus da, so die Forscherinnen und Forscher. Nicht zuletzt, da eine erfolgreiche Zusammenarbeit über Länder und Kontinente hinweg Vorbildcharakter für andere Projekte hätte- und irgendwo muss das Gas ja herkommen. Schon in zehn Jahren könnte die Bundesrepublik nämlich das Äquivalent von 50 TWh an „grünem“ Gas benötigen, bis 2050 sollen es sagenhafte 500 TWh sein – zum Vergleich: Derzeit importiert Deutschland pro Jahr rund 83 Millionen Tonnen Rohöl.

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