Interview „Wasser ist für Deutschland ein Standortvorteil“

Von M.A. Manja Wühr

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Die Chemieindustrie steht vor einer Mammutaufgabe: Sie muss effiziente und zirkuläre Prozesse etablieren, die ohne fossile Rohstoffe und Energie auskommen. Doch was bedeutet das für den schonenden Umgang der Ressource Wasser. Darüber sprachen wir mit Dr. Thomas Track, Leiter des Dechema-Fachbereichs Wassermanagement.

(Bild: ©luigi giordano - stock.adobe.com)

Herr Track, ohne Wasser gibt es auch keine Industrie. In den letzten Jahren musste auch Deutschland feststellen, dass Wasser nicht unendlich verfügbar ist. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Dr. Thomas Track, Dechema-Fachbereichsleiter Wassermanagement
Dr. Thomas Track, Dechema-Fachbereichsleiter Wassermanagement
(Bild: Dechema)

Dr. Thomas Track: Wasser ist für die Industrie ganz klar ein Produktionsfaktor – in vielerlei Hinsicht. Das Dürrejahr 2018 hat die Wasserverfügbarkeit eingeschränkt und Flüsse wie der Rhein waren teilweise nicht mehr befahrbar. Das hat zu logistischen Problemen geführt. Aber auch die Kühlung war davon betroffen. Daher muss sich auch die Industrie mit dem Klimawandel und dessen Folgen auseinandersetzen. Schließlich sind ihre Investitionszyklen recht lang. Da muss man eine sichere und nachhaltige Wasserver- und -entsorgung mitdenken. Hier hat Deutschland im Moment noch einen Standortvorteil.

Aber auch in Deutschland ist Wasser keine unendliche Ressource, oder?

Track: Wasserknappheit ist in Deutschland ein regionales Thema. In niederschlagsarmen Zeiten oder bei steigendem Bedarf entsteht Nutzungskonkurrenz. Was wir auch Wasserstress nennen. Dieser hat in Deutschland ganz unterschiedliche Ausprägungen.

Welche können das sein?

Track: Zum Beispiel konkurriert in Ostdeutschland bei geringer Verfügbarkeit die Landwirtschaft lokal mit der kommunalen Versorgung. In einigen Küstenregionen wiederum ist neben Landwirtschaft und Kommunen auch die Industrie ein wichtiger Wassernutzer. Doch hier ist weniger die Menge, sondern eher die Wasserqualität kritisch. Salzwasser kann immer wieder in Grund- und Oberflächenwasser eindringen und dessen Qualität beeinträchtigen. In Küstengebieten reagieren Frischwasserressourcen daher sehr sensibel auf Entnahmen.

Was kann die Industrie für einen effizienten Einsatz von Wasser tun?

Track: Wasser ist einer von vielen Produktionsfaktoren. Neben dem Umgang mit Wasserressourcen, spielen dabei also auch industrielle Perspektiven eine entscheidende Rolle. Ändert sich die Ausrichtung der Produktion, muss sich auch das Wassermanagement auf diese Entwicklungen einstellen. Daher haben wir uns gefragt, welche Trends werden künftig die Produktion bestimmen. Wir sehen fünf Herausforderungen, von denen Wasserstress nur einer ist.

Was sind die vier anderen Herausforderungen?

Track: Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, Zero Pollution und biotechnologische Prozesse werden die Entwicklung der Prozessindustrie bestimmen. Diese Perspektiven erfordern neue Konzepte für eine nachhaltige und effiziente Nutzung von Wasser.

Inwieweit beeinflusst die Dekarbonisierung das Wassermanagement?

Track: Dekarbonisierung ist eine Aufgabe, die in der Industrie ganz weit oben auf der Agenda steht. In der EU haben wir uns das Ziel gesetzt bis 2050 CO2-neutral zu sein. Die Industrie zieht da auch mit und ist ein Treiber. Sie entwickelt und nutzt Technologien, um diese Ziele zu erreichen. Gleichzeitig muss der Energieverbrauch gesenkt werden. Und hier liegt die Krux: Einerseits wollen wir CO2-Neutralität und andererseits den ressourcenschonenden Umgang mit Wasser, für den Technologie und damit auch Energie gebraucht wird. Ein Zielkonflikt, dem sich die Industrie stellen muss und dies bereits auch tut.

Wo muss beim Thema Kreislaufwirtschaft das Wassermanagement mitgedacht werden?

Track: Der Green Deal der Europäischen Union stellt uns unter anderem die Frage, wie wir Kreisläufe schließen können. Das betrifft natürlich den Wasserkreislauf an sich. Vor allem aber andere Stoffkreisläufe – beispielsweise Kunststoffrecycling. Für diese Prozesse brauchen wir Wasser. Und damit auch ein effizientes Wassermanagement. Zudem treibt der Fokus auf Zero Pollution die Wiederverwendung und Kreislaufführung von Wasser voran. Denn jedes Wasser, das die Anlage nicht verlässt, bannt die potenzielle Gefahr, Rest- oder Schadstoffe in die Umwelt zu emittieren.

Das bringt uns zum nächsten Trend auf ihrer Liste: Zero Pollution. Wo liegen die Herausforderungen für den Umgang mit Wasser?

Track: Stoffe konzentrieren sich auf, wenn wir Wasser, beispielsweise in Kühlprozessen, im Kreis führen. Sie müssen ebenso entfernt werden, wie Inhaltsstoffe aus Produktionsabwässern, wenn wir dieses wiederverwenden wollen. Die dabei entstehenden zumeist salzhaltigen Konzentrate sind zunächst Reststoffe, die bislang meist entsorgt werden müssen. Für ihre Wiederverwendung gibt es bislang nur in sehr ausgewählten Fällen Business Cases. Meistens ist es einfach nicht rentabel die Reststoffe entsprechend aufzubereiten.

Haben Sie ein Beispiel, wo Wiederverwendung schon funktioniert?

Track: Salzfrachten lassen sich in ausgewählten Fällen wiederverwenden. So bereitet beispielsweise Covestro am Standort Krefeld-Uerdingen in einer Pilotanlage salzhaltiges Industrieabwasser aus der Herstellung von Polycarbonat auf und nutzt die gesättigte Kochsalzlösung für die Chlorproduktion.

Welche Herausforderung stellt die Biotechnologie an das Wassermanagement?

Track: Die Industrie versucht dort wo möglich klassische chemisch-physikalische Prozesse durch biotechnologische zu ersetzen. Diese Verfahren laufen zum Großteil im wässrigen Medium ab, zum Beispiel Fermentationsprozesse. Auch hier haben wir wieder einen Zielkonflikt: Auf der einen Seite versucht die Industrie mithilfe von Biotechnologie effizienter zu produzieren. Auf der anderen Seite steht der energie- und kosteneffiziente Umgang mit diesem Wasser. Etwa bei der Frage, wie sich die Wertstoffe aus den Fermentationsbrühen effizient abtrennen lassen oder wie sich die Fermentationsbrühen so aufbereiten lassen, damit sie wiederverwendet werden können. Diese Fragen müssen von Anfang an mitgedacht werden.

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Wo stecken in diesen Prozessen die Energiefresser?

Track: Bei der Aufbereitung werden große Mengen an Wasser bewegt. Bewegen heißt pumpen. Aufgrund der hohen Volumen, sind effiziente Pumpen ein enormer Hebel für energieeffiziente Prozesse. Darüber hinaus muss aus diesen Volumina eben ein vergleichsweise kleiner Anteil an Wertstoffen abgetrennt werden.

In der Pumpentechnik hat sich einiges getan. Erwarten Sie noch große Effizienzsteigerungen?

Track: Das ist richtig. Die Pumpe ist in den letzten Jahren extrem effizient geworden. Weitere Energieeinsparungen werden wohl weniger an der Pumpe selbst generiert, sondern eher über die Frage, wie man die Pumpe im Gesamtsystem effizient einsetzt. Ähnliches gilt auch für Membranverfahren und andere Trenntechniken. Aus unserer Sicht sind die größten Hebel für Effizienz an den Schnittstellen – also in einem integrierten Ansatz aus Produktions- und Wassermanagement.

Zentrales Element der Dekarbonisierung ist Wasserstoff. Neben grünem Strom braucht es für dessen Produktion auch Wasser. Woher soll es kommen?

Track: Das knüpft an den Punkt Wassersicherheit und Wasserstress an. Die Produktion von grünem Wasserstoff ist vor allem dort sinnvoll, wo viel Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Zum Beispiel Windenergie im Küstenbereich. Jedoch sind die qualitativ nutzbaren Wasserressourcen sehr sensibel und deren Verfügbarkeit ist begrenzt. Es braucht daher, integrierte Lösungen, damit der Wasserbedarf für die Wasserstoffproduktion gedeckt werden kann. Auch für eine Offshore-Gewinnung von Wasserstoff muss ein entsprechendes Wassermanagement entwickelt werden. Dies gilt umso mehr, wenn weitere Wertschöpfungsprozesse wie Power to X hinzukommen. Denn es gilt, die sensiblen Ökosysteme wie zum Beispiel das Wattenmeer in der Nordsee zu schützen.

Verschärft sich der Wasserstress noch mehr, wenn der Strom aus Sonnenenergie gewonnen wird?

Track: In Deutschland nicht so sehr. Um unseren Wasserstoffbedarf zu decken, müssen wir jedoch nach Allianzen mit anderen Ländern oder Regionen suchen, die neben Wind auch mithilfe von Strom aus Photovoltaik Wasserstoff oder andere Grundstoffe herstellen. Das sind Regionen mit einer hohen Sonneneinstrahlung. Leider geht diese oftmals mit einer sehr limitierten Wasserverfügbarkeit einher. Grundsätzlich muss beim Thema Wasserstoff ein effizientes Wassermanagement mitgedacht werden.

An welche Regionen oder Staaten denken Sie dabei?

Track: In Ägypten und den Maghreb-Staaten wird in Meerwasserentsalzung und Wasserstoff-Produktion investiert. Zudem wird in Namibia das Thema gerade stark gepusht. Aber auch Australien ist beim Thema grüner Wasserstoff sehr aktiv.

Muss es in ariden Regionen immer eine Meerwasserentsalzung sein? Oder gibt es andere Quellen?

Track: Auch, aber nicht ausschließlich. Es sollten dort wo möglich integrierte Ansätze verfolgt werden. Denn die Wasserstoffproduktion ist immer Teil einer Infrastruktur. Es gibt meist weitere Industrieanlagen ebenso wie kommunale oder urbane Strukturen. Beide produzieren Abwasser. Da kann überlegt werden, inwieweit beispielsweise aufbereitetes kommunales Abwasser als Rohwasser für die Industrie genutzt werden kann.

Herr Track, vielen Dank für das Gespräch.

* Die Autorin arbeitet als Fachredakteurin „Management“ für die Vogel Communications Group.

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