F-Gase/Kältemittel-Schmuggel Kaltgemacht: Warum der Schmuggel mit Kältemitteln in der EU boomt

Von Dominik Stephan |

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Dunkle Geschäfte mit Kältemedien: Während die F-Gas-Verordnung das Ende der FKW-Nutzung einläutet, strömen Kältemittel aus dunklen Kanälen nach Europa. Kein Wunder: Die Gewinnmargen sind hoch, das Risiko niedrig, zumindest für die Schmuggler. Die Zeche zahlen Industrie, Verbraucher und nicht zuletzt die Umwelt ...

(Bild: ©kaiskynet; Romolo Tavani; luxorphoto - stock.adobe.com [M] Frank)

Die einen raunen von einem drohenden Engpass bei Kältemitteln, die anderen sehen einen Schwarzmarkt, auf dem mehr Geld als mit dem Handel von Drogen zu verdienen ist: Die F-Gas-Verordnung, also das schritt­weise Aus-dem-Markt-Nehmen von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW und FKW), die vor allem als Kältemittel genutzt werden, hat ungeahnte Folgen. Nur eine davon: Mehrere Millionen Tonnen FKW, die es in der EU eigentlich gar nicht geben dürfte.

(Bild: PROCESS; Quelle: Umweltbundesamt)

Fluorkohlenwasserstoffe sind potente Treibhausgase, die Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleiben. Der Effekt der häufigsten FKW übertrifft den von CO2 um das 700 bis 4000fache – entsprechend spricht die F-Gas-Verordnung auch nicht von Mengen einzelner Stoffe, sondern von Tonnen CO2-Äquivalent. Ein Beispiel: 2018 wurden FKW mit einem CO2-Äquivalent von 117 Millionen Tonnen in der EU gehandelt. Das Problem: Die F-Gas-Verordnung erlaubte lediglich eine Quote von 101 Millionen Tonnen. Die übrigen 16 Millionen kamen also illegal auf den Markt. Ihr Treibhauspotenzial ist jedoch real und entspricht etwa den Emissionen von vier Kohlekraftwerken.

Letztes Aufbäumen: FKWs am Ende
F-Gas-Verordnung

Opfer des Erfolges: Jahrzehntelang waren Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als Treibgase in Spraydosen oder Schäumen sowie als ungiftige Kältemittel begehrt. Das änderte sich spätestens mit der Entdeckung des Ozonlochs in den 1980ern: Mit ungewohnter Einigkeit sagte die Staatengemeinschaft FCKWs den Kampf an – als Ersatz kamen allerdings häufig eben die klimaschädlichen F-Gase zum Einsatz. Damit soll jetzt Schluss sein: Mit der EU-F-Gas-Verordnungsoll der Ausstoß dieser Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um nahezu 80 % verringert werden. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, wird die Verfügbarkeit von Kältemitteln mit einem hohen Treibhauspotenzial drastisch reduziert oder ihre Verwendung ganz verboten. Die Verknappung der klimaschädlichen, aber als Kältemittel begehrten Gase treibt den Preis und macht den Schwarzhandel mit F-Gasen attraktiv. Dabei erfolgt der Wandel schrittweise über eine Quotierung und das Verbot des Inverkehrbringens neuer F-Gase bis zur Umrüstung von Bestandsanlagen. Bis 2030 sollen so 79 % weniger FKW in der EU gehandelt werden.

Kältemittel-Preisschock durch F-Gas-Verordnung

Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die britische NGO Environmental Investigation Agency (EIA), die den Grau- und Schwarzmarkt für Kältemittel in einem 2019 veröffentlichten Bericht unter die Lupe nimmt. Denn FKW lassen sich in der EU immer noch zu Geld machen. So kommen die Gase u.a. als Kältemittel in den Klimaanlagen älterer Automodelle zum Einsatz.

Das ist allerdings im Zeitalter der F-Gas-Verordnung zunehmend schwierig: Durch die Quotenregelung der EU stiegen die Preise der begehrten Kaltmacher auf bis zu 800 % des ursprünglichen Wertes. Zugleich werden immer noch große Mengen FKW, insbesondere in Osteuropa und der Volksrepublik China produziert. Der Anreiz, diese an Zoll und Umweltbehörden vorbei auf den europäischen Markt zu bringen ist gigantisch.

Heiße Ware Kältemittel: Gewinne wie mit Drogen

Branchenbeobachter sprechen von Gewinnspannen wie im Drogenhandel. Und das ohne schäbige Deals in schmuddeligen Bahnhofs­passagen: Die „kalte heiße Ware“ wird im Einwegzylinder über Internetplattformen oder von der Ladefläche eines Kleintransporters an den Mann gebracht.

Die Abnehmer sind meist kleinere Werkstätten oder Anlagenbauer, für die die hohen Preise in Folge der F-Gas-­Quotierung zum Problem werden. Häufig sind sich die Anwender gar nicht bewusst, etwas Verbotenes zu tun – besonders, da die Kälteerzeugung in vielen Betrieben bloße Nebensache ist.

Fahnder gefordert: Ist der Zoll machtlos gegen den F-Gas-Schmuggel?

Werden Kältemittel im Wegwerfzylinder geliefert, heißt es aufgepasst: Bei einer Firmen-Befragung im Rahmen des EIA-Reports ergab sich aus 72 % der Antworten, dass den entsprechenden Lieferanten und Verbänden bereits Kältemittel in entsprechenden Behältern angeboten wurden. Aber auch wiederbefüllbare Zylinder können Schmuggelware enthalten.

Der Zoll muss vielerorts tatenlos zuschauen: Nicht nur, dass Fahnder, die auf das Erkennen von Drogen, Waffen oder exotischen Tieren spezialisiert sind, plötzlich illegale Kältemittel aufspüren sollen, auch ermöglichen rechtliche Schlupflöcher einen grauen Grenzverkehr. So melden Unternehmen ihre Importe im Jahres­turnus an den Fiskus. Das macht es möglich, einmal erteilte Quoten mehrfach zu nutzen, wie die EIA berichtet. Dabei kann man, zumindest in Deutschland, kaum von einem Kavaliersdelikt sprechen. Wer F-Gase in Einwegzylindern verkauft, kann dafür bis zu zwei Jahre hinter Gitter wandern.

Dem Gase-Schwarzmarkt auf der Spur

Die tatsächliche Menge illegal eingeführter F-Gase liefert Anlass zur Spekulation. Aber es gibt belastbare Anhaltspunkte, etwa indem man die Ausfuhrmengen der Herkunftsländer mit den deklarierten Einfuhren vergleicht. Der Kampf gegen illegale Kältemittel ist aber nicht bloß Sache einiger engagierter Umweltaktivisten: Auch der europäische Chemieverband Cefic bläst mit der Interessengruppe EFCTC (European Fluorocarbons Technical Committee) zur Jagd auf die Schmuggler. Das geschieht nicht ganz uneigennützig, repräsentiert das Komitee doch die europäischen FKW-Hersteller, die sich an die strikten Spielregeln der EU halten müssen. Und natürlich möchten die Hersteller auch ihre neuentwickelten Ersatzstoffe lukrativ vermarkten.

Die EFCTC-Hotline für die anonyme Meldung illegaler F-Gas-Produkte und illegalen F-Gas-Handel im Netz auf www.efctc.integrityline.org

Entsprechend hat der Chemieverband die Business-Ermittler Kroll auf den Fall angesetzt. Zwischen März und Dezember 2019 haben die Gase-Detektive 228 Anzeigen verfolgt und Hunderte von Lieferungen aufgespürt.

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Ganz konkret spricht der Cefic von „mindestens“ 3000 Tonnen FKWs mit einem CO2-Äquivalent von 4,7 Millionen Tonnen (was den durchschnittlichen Jahresemissionen von 3,5 Millionen Autos entspricht). Und das sei nur die Spitze des Eisbergs.

Eine Alternative zu FKW zeigt in einigen Fällen beachtliches Potenzial: So genannte „natürliche“ Kältemittel (wie etwa CO2, Ammoniak oder Propan/Butan) erreichen oder übertreffen in bestimmten Verfahren die Energieeffizienz synthetischer Kältegase. Es lohnt sich, genauer hinzusehen. Wenn die EU dabei bleibt, bis 2030 legale FKWs weitgehend aus dem Markt gedrängt zu haben, wird das Problem nur noch kritischer.

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