Smart Process Manufacturing Chemie 4.0: Chancen & Herausforderungen

Autor / Redakteur: Dipl-Ing. Hans-Jürgen Bittermann* / Anke Geipel-Kern

Chemie 4.0 verspricht viel: Die Vernetzung des technischen Equipments optimiert die Prozesse – sie werden wirtschaftlicher, effizienter, flexibler. Darüber hinaus eröffnen plattformbasierte Wertschöpfungsnetzwerke interessante Geschäftsmodelle. Alles nur Theorie? Mitnichten, wie der 1. Smart Process Manufacturing Kongress von PROCESS gezeigt hat.

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Die digitalen Transformationsprozesse der Prozessindustrie waren auch in diesem Jahr wieder Thema beim Smart Process Manufacturing Kongress.
Die digitalen Transformationsprozesse der Prozessindustrie waren auch in diesem Jahr wieder Thema beim Smart Process Manufacturing Kongress.
(Bild: Untch)

Die Digitalisierung durchdringt die Chemie immer tiefer, das zeigt sich auch bei den einschlägigen Veranstaltungen: Was PROCESS im Jahr 2011 als Digital Plant-Kongress startete, entwickelte sich 2017 zum Smart Process Manufacturing-Kongress – es ist dies der logische Schritt von der Fokussierung auf die Anlage zur Analyse aller in der Chemie/Pharmazie ablaufenden Prozesse inklusive neuartiger Geschäftsmodelle.

Aber hat tatsächlich, wie manche Auguren (Lobbyisten?) prognostizieren, mit ernsthaften Wettbewerbsnachteilen zu rechnen, wer nicht bis längstens 2025 die digitale Transformation schafft? Die 180 Kongress-Teilnehmer am 11. und 12. Oktober in Würzburg wissen nun: Die Zeit drängt tatsächlich. Was sie auch wissen: Bei der Digitalisierung geht es keinesfalls allein um Technologie und/oder Software. Digitalisierung ist vor allem Mindset, auf die geistige Haltung dazu kommt es an.

Bestandsaufnahme: Über was sprechen wir eigentlich?

„Ermöglicht Industrie 4.0 die nächste Stufe in der Evolution der Prozessindustrie?“ Mit dieser Frage lockte Dr. Thomas Steckenreiter (Samson) um Aufmerksamkeit. Und er gab zunächst einmal Orientierungshilfe mit einer Abgrenzung. Folgt man Steckenreiter, geht es beim Thema Industrie 40 keinesfalls vordergründig darum, Prozesse zu automatisieren oder IT in die Produktion zu bringen. Die chemische Industrie arbeitet schließlich seit Jahr und Tag bereits mit hoch automatisierten kontinuierlichen Prozessen. Für Steckenreiter geht es bei der digitalen Transformation in der Prozessindustrie dezidiert um diese Punkte: Vernetzung, Intelligenz und Autonomie.

Vernetzung bedeute die Verzahnung der Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Intelligenz sei erforderlich, damit sich die Produktionsmittel untereinander verstehen und durch Feedback-Loops in der Lage seien, selbständig optimale Lösungen zu erlernen. Zusammengenommen resultiere Industrie 4.0 in der Fähigkeit zur Autonomie: Cyber-Physical Systems steuern dann nahezu in Echtzeit digitale Wertschöpfungsnetzwerke.

Steckenreiter: „Industrie 4.0 hat zum Ziel, individuelle Produkte bzw. immer kleiner werdende Losgrößen oder Mengen zu den Bedingungen der Massenfertigung herzustellen.“ Dazu müsse die Produktion hochflexibel, hochproduktiv (bis zu einem Plus von 50 %) und darüber hinaus ressourcenschonend (bis zu einem Minus von 50 %) werden – das gelinge am besten in kleineren und flexibleren Produktionsanlagen. Der wichtigste Vorteil laut Steckenreiter: „Der optimierte Ressourceneinsatz und die effizientere Produktionslogistik reduzieren deutlich das Working Capital.“ Soll heißen: Die Kapitaleffizienz ist besser.

Was den Betriebsingenieur etwas verstören dürfte, war diese Anmerkung: Der Produktionsprozess an sich werde an Bedeutung verlieren, wichtiger sei es, die Supply Chain zu beherrschen. Denn künftig finde Wertschöpfung zwischen vielen eng vernetzten, in Echtzeit kommunizierenden Akteuren statt. Mancher Referent sah denn auch durchaus die Gefahr, dass sich heute noch branchenfremde Akteure mit innovativen Geschäftsmodellen wesentliche Teile der Wertschöpfung aneignen. Beispielsweise sei es ja nicht ganz undenkbar, beispielsweise Industriegase online zu bestellen. Könnte also ein Unternehmen wie Amazon das Geschäft von Linde zerstören?

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