Start-Ups auf der Achema Wo die wilden Ideen wohnen: Start-Ups auf der Achema
Die Achema will nicht nur die Weltleitmesse der Chemie sein, sondern auch Gründerinnen und Gründern ein Forum bieten. Trotz der ungebrochenen Innovationskraft der Branche haben es Start-Ups in der Chemie schwer. Fehlt es an Anerkennung, Kapital oder schlicht den Möglichkeiten? Die Achema will all das ändern.

Wer an die chemische Industrie denkt, hat wahrscheinlich die gewaltigen Verbundstandorte und Chemieparks der internationalen Konzerne vor Augen. Riesige Kolonnen, Cracker und Reaktoren, Kilometer lange Rohrleitungen und den Energiebedarf einer kleinen Stadt inklusive. Ganz sicher denken wir nicht an die sprichwörtliche Garage, die untrennbar mit der Silicon-Valley-Mythologie verbunden ist. Kein Wunder, dass die meisten Chemiefirmen auf eine lange Geschichte zurückblicken: Nicht wenige der deutschen Chemieriesen gehen auf Anfänge im 19. Jahrhundert zurück – und das in einer Industrie, die von immerwährender Produkt- und Prozess-Innovation lebt.
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Start-Ups in der Chemie
Klar zum Abheben? Deutschlands Chemie und der Start-Up-Hype
Eigentlich schade – ist doch die Branche längst im Start-Up-Fieber: Besonders im Umfeld von Universitäten und Instituten bringen Gründerinnen und Gründer Innovationen an den Start – und die haben es in sich. Statt Apps und Plattformtechnologien sind es nicht selten Moleküle und Technologien, mit denen die jungen Wilden auf ein Stück vom großen Chemiekuchen hoffen. So zeigen Zahlen des VCI, das über die Hälfte der Chemie-Start-Ups auf klassische Synthese- und Reaktionsverfahren setzen.
Rund ein Drittel nutzen Technologieplattformen, während ein weiteres Drittel auf biochemische Prozesse setzt. Digitale Technologien, das Spielfeld, in dem Start-Ups klassischerweise verortet werden, beschäftigt nur etwa ein Drittel. Dabei sei es besonders die Mischung aus Innovation, Unternehmergeist und Agilität, die es den Gründern ermöglicht, eine Nische in der Wertschöpfungskette zu behaupten, glauben Branchenkenner.
Kein Wunder, dass da die Achema nicht hinten anstehen will: Die Branchen-Leistungsshow will 2022 nicht nur ein Schaulaufen von Ausrüstern und Weltfirmen veranstalten, sondern auch den Kleinen eine Plattform bieten. Neben dem Achema-Gründerpreis ist es besonders die Start-Up-Area in Halle 6.2, die zum Marktplatz der Möglichkeiten werden will. Das Versprechen: Pioniere und Investoren, Experten und Entscheidungsträger zusammenzubringen mit dem Ziel, Vertrauen aufzubauen und die Grundlagen für Projekte und zukünftige Geschäftschancen zu legen.
Denn da besteht noch Nachholbedarf, so der VCI: Während im Vorkrisenjahr 2018 in Europa insgesamt 54,5 Millionen Euro in junge Chemieunternehmen investiert wurden, entfielen davon auf deutsche Firmen nur 2,4 Millionen Euro – der geringste Wert seit 2007.
Was macht Start-Ups besonders? Die Rolle der jungen Wilden
2,4 Millionen ist für die größte Volkswirtschaft des Kontinents nicht viel. Die oft beschworene Disruption ist zumindest in der Prozessindustrie mit ihren Megaplants und Verbundstandorten noch Zukunftsmusik. Aber vielleicht ist die Rolle der jungen Wilden ja auch eine ganz andere: Die Kompetenz vieler Chemie-Start-ups bestehe im Angebot von Spezial-Produkten, die in der industriellen Produktion zum Einsatz kommen, und von spezifischen Dienstleistungen für die etablierten Chemieunternehmen, erklärte Dr. Christian Rammer vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim bei der Vorstellung einer entsprechenden Studie.
Eher Schnellboot statt Flugzeugträger also – dieses Bild dürfte auch Dr. Gerd Romanowski, Geschäftsführer für Wissenschaft, Technik und Umwelt im VCI, gefallen. „Die Stärke von Chemie-Start-ups für unsere Branche liegt vor allem darin, sich an der Schnittstelle zwischen traditioneller Chemie und neuen Anwendungsgebieten zu positionieren, etwa bei digitalen Lösungen oder bei Plattformtechnologien“, so der Verbandsfunktionär.
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Wissen heißt es, sei Macht – da wirkt es ernüchternd, das lediglich ein Viertel der Chemie-Start-Ups ein oder mehrere Patente angemeldet haben. Liegt es daran, dass junge Unternehmen nicht selten als Dienstleister für andere Branchenplayer arbeiten, wie der VCI vermutet? Tatsächlich ist das Geschäftsmodell der ausgelagerten Entwicklungsabteilung oder Auftragssynthese für viele Start-Ups täglich Brot und durchaus einträglich – was aber den Nachteil hat, dass Investoren vor allem in Unternehmen mit einer Vielzahl von Patentanmeldungen investieren.
Ein Zuhause für Ideen: Die Achema will zum Innovations-Hub werden
Das mag vielleicht oberflächlich sein – nicht zuletzt, da es den Bereich der Dienstleitungen, ein weiteres typisches Spielfeld junger Unternehmen – weitgehend außen vorlässt. Umso wichtiger, dass die Achema junge Gründer und alte Hasen zusammenbringt.
Auf der Weltleitmesse der Chemie steht der Mittwoch im Zeichen der Start-Ups: Neben dem begehrten Achema-Gründerpreis (siehe Kasten) kommt dabei auch der Aspekt der Nachhaltigkeit nicht zu kurz: So bringt das International Sustainable Chemistry Collaborative Centre ISC3 spannende Neugründungen aus ganz Europa und darüber hinaus auf die Bühne: So bringen Neugründungen wie die estnischen Up Catalysts oder die deutsch-kolumbianische Natupla Natural Plastic neue Materialien, Verfahren und Biokunststoffe neben vielen weiteren zu einem öffentlichen Pitch-Day im Zeichen der Nachhaltigkeit mit.
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Recycling Lithium-Ionen-Batterien
Die ewige Batterie: Diese Start-Ups wollen das Lithium-Ionen-Recycling möglich machen
Auch die Lokalmatadoren von Hessen Trade and Invest präsentieren Neugründungen aus der Chemie. Und wer weiß? Vielleicht beginnt auf diese Weise eine ganz neue Erfolgsgeschichte in der Chemie.
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