China Market Insider Revolutioniert KI die Pharmaindustrie?

Von Henrik Bork

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Startups für Künstliche Intelligenz haben begonnen, die chinesische Pharmaindustrie zu revolutionieren. Mit Hilfe von Algorithmen und „Big Data“ wird die Entwicklungszeit für neue Medikamenten radikal verkürzt, in manchen Fällen von zehn bis 15 Jahren auf nur noch ein bis anderthalb Jahre. Die chinesischen Startups mit den besten Aussichten werden derzeit mit Investitionen in Milliardenhöhe überhäuft. Der allgemeine technologische Trend, der diese Entwicklung befeuert, heißt Biokonvergenz.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – Das Startup BioMap, gegründet von Robin Li, der auch Chinas Suchmaschinen-Konzern Baidu gegründet hat oder auch die in Hongkong beheimatete Firma Insilico haben in diesem Jahr bereits mehrere hundert Millionen Euro an Investorengeldern eingesammelt. „Das Segment der KI-Pharmazeutika löst bei Kapitalgebern derzeit hohe Erwartungen aus,“ schreibt das chinesische Techportal 36kr. Auch das KI-Startup XtalPi aus Shenzhen in der Provinz Guangdong hat eine große Investition erhalten, unter anderem von der „China Biopharmaceutical Group”. Und auch multi-nationale Pharmakonzerne wie Merck aus Darmstadt, Pfizer, Astra Zeneca oder Johnson & Johnson setzen immer stärker auf Kooperationen mit KI-Startups für ihre Medikamenten-Pipelines.

In China entwickelt sich dieser Trend momentan besonders schnell. Pfizer hat 2020 begonnen, mit Hilfe der Algorithmen von Insilico große Datensätze zur Identifizierung von neuen Angriffszielen bzw. Wirksorten für Medikamente („drug targets“) zu durchforsten. Im selben Jahr konnte das schnell wachsende Startup aus Hongkong verkünden, dass Merck in Darmstadt als erster Pharma-Multi seine KI-Plattform „Chemistry42“ auf seinen Rechnern einsetzt, um nach neuen therapeutischen Wirkstoffen zu fahnden. Seither und auch im neuen Jahr kann Insilico ständig neue Projekte und Kooperationen verkünden, unter anderem in der gemeinsamen Medikamentenforschung mit Teva, mit der auf Protein-Abbau fokussierten Firma Arvinas oder auch mit PAQ Therapeutics.

Generation AI First – Data Driven F&E

„Insilicos Wachstum in China übertrifft sogar ehrgeizige Erwartungen, denn sie unterzeichnen neue Partnerschaftsverträge beinahe im Zwei-Wochen-Rhythmus,“ schreibt das Fachportal Biopharma Trend. Das Unternehmen gehört zu einer neuen „Spezies” von Pharma-Unternehmen, die in der Branche als „AI First“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass sie mit der Entwicklung Künstlicher Intelligenz begonnen haben und nun die Forschung & Entwicklung beispielsweise der pharmazeutischen Onkologie aufmischen. Sie sind „data driven“ und gehen die Forschungsaufgaben oft völlig anders an als Biotech-Unternehmen, die ursprünglich als „Nasslabor-Firmen” gegründet worden sind.

Insilico setzt eine bestimmte Gruppe von Algorithmen in der Arzneimittelforschung ein, die sogenannten GAN oder „Generative Adversarial Networks”. Mit bislang nicht bekannter Geschwindigkeit können damit riesige Datensätze ausgewertet werden, um akkurate Vorhersagen über die Aufnahme und Wirkung neuer Medikamente, oder auch über Parameter wie Metabolismus, Toxizität und Nebenwirkungen getroffen werden. So kann die Erfolgsquote für klinische Versuche erhöht, die Gesamtzeit für F&E und die nötigen Investitionen hingegen empfindlich verringert werden.

Gehört Biokonvergenz die Zukunft?

Das international bekannteste Beispiel für solche Erfolge der neuen „Ära der KI-Pharmazie” ist Moderna, das seinen Corona-Impfstoff mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in Rekordzeit entwickeln konnte. Weniger bekannt ist bislang, das auch chinesische Startups bei dieser disruptiven Technologie schon ganz vorn mit dabei sind. Während die USA noch insgesamt den globalen Markt für neue Medikamente mit über 50 % beherrschen, gibt es momentan wohl nirgendwo ein aktiveres Startup-Ökosysstem in diesem Bereich als in China.

KI-Pharma ist dabei nur ein besonders faszinierender Teil eines viel größeren Trends der „Biokonvergenz“, der in China momentan nicht nur die Pharma-Industrie, sondern das gesamte Gesundheitswesen und auch die Life Sciences revolutioniert. Interdisziplinäre Ansätze bringen Forscher und Ingenieure aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen und Industrien an einen Tisch, um Probleme zu lösen. Biologie, KI, Elektronik, Materialwissenschaften und andere Bereiche werden in diesen Projekten im Idealfall zu etwas Größerem als der Summe ihrer Teile addiert.

Im Kern geht es bei Biokonveregenz immer um den Versuch, von der Natur zu lernen oder natürliche Prozesse zu imitieren, bzw. zu simulieren. Von diesem Ansatz profitierten neben Shooting-Stars der KI-Pharmaforschung auch chinesische Startups wie Da Xiang in Peking, das OOC oder „Organs-on-Chip” herstellt. Auf einem Halbleiter wird dort in einer flüssigen Umgebung ein menschliches Organ in seinen Funktionen imitiert, etwa das Gehirn, die Leber oder die Lunge. Die dann unternommenen “In-Silico-Versuche” ersetzen Vieles, was in der herkömmlichen Arzneimittelforschung “in vivo” oder “in vitro” gemacht werden musste.

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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