China Market Insider Peking sieht technische Kunststoffe als Achillesferse im Handelskrieg
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China will seine „Importabhängigkeit“ bei technischen Kunststoffen verringern. So steht es im neuen, 14. Fünfjahresplan der kommunistischen Führung in Peking, die dabei den strategischen Wert dieser Spezialchemikalien für eine Reihe heimischer Industrien im Blick hat. Kürzlich seien konkrete Zielvorgaben für die „Selbstversorgung” mit diesen Materialien veröffentlicht worden, berichtet die Chemiezeitung Zhongguo Huagong Xinxi Zhoukan.

Peking/China – Bis 2025 solle die Selbstversorgungs-Rate mit technischen Kunststoffen insgesamt auf 85 Prozent erhöht werden, steht im „14. Fünfjahres-Entwicklungsplan für die Industrie der neuen chemischen Materialien. Für technische Kunststoffe auf Polyesterbasis will sich China bis dahin sogar zum Netto-Exporteur entwickeln.
Seit der ehemalige US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg mit China begonnen hat und unter anderem den Export von Halbleitern nach China erschwert hat, ist die chinesische Führung vom Thema Selbstversorgung wie besessen. Neben der Halbleiter-Industrie wird auch eine ganze Reihe anderer „Zukunftstechnologien“ wie Künstliche Intelligenz, E-Mobilität und Robotik noch stärker als bisher gefördert, um möglichst schnell von politischen Erpressungen aus dem Ausland unabhängig zu werden.
Gerade beim Bau von E-Autos, für hochwertige elektrische und elektronische Geräte, in der Raumfahrt und in der fortgeschrittenen Fertigungsindustrie steigt gegenwärtig die Nachfrage nach technischen Kunststoffen. Die Materialien sind damit aus Pekinger Sicht zu einer Art Achillesferse im globalen Wettbewerb der Systeme geworden, die es unbedingt zu stärken gilt.
Und da gibt es tatsächlich noch viel zu tun. „Verglichen mit entwickelten Ländern ist die Produktionskapazität von technischen Kunststoffen in China relativ rückständig,“ schreibt das „Industrie-Forschungsinstitut Qianzhan“ in einer Analyse des Sektors. Nylon, PC, POB, PBT und PPE zum Beispiel würden zwar allesamt schon in industriellen Mengen von heimischen Firmen erzeugt, allerdings reiche die Qualität meist nicht für wirklich anspruchsvolle Anwendungen, schreiben die Marktforscher.
Angst vor Importabhängigkeit
Besonders hochwertige technische Kunststoffe werden momentan hauptsächlich von Chemiekonzernen in Europa, den USA und Japan hergestellt. Ein Beispiel ist PPA. „Die Importabhängigkeit ist ca. 70 Prozent,“ klagt die Chemiezeitung.
Polyphthalamid ist ein thermoplastisches, synthetisches Kunstharz, das sich unter anderem wegen seiner guten Formbarkeit in der Automobilbranche, aber auch in der Elektronik wachsender Beliebtheit erfreut. Der Großteil davon werde momentan aber noch von Unternehmen wie Dupont in den USA, BASF in Deutschland oder Mitsui Chemicals und Kuraray in Japan produziert, schreiben chinesische Medien mit deutlichem Missfallen.
Sollte China jetzt nicht rasch seine heimische Produktionskapazität erhöhen, so drohe in den kommenden Jahren eine noch weitere Abhängigkeit von Importen, argumentieren nationalistisch denkende Chinesen. Zwar erzeugen chinesische Unternehmen, darunter etwa Kingfa Science & Tech, Jiangmen Dezhongtai Engineering Plastic Technology, Qingdao Benzo oder Zhejiang NHU schon rund 16.000 Tonnen PPA pro Jahr.
Doch die Nachfrage nach PPA in China werde ab jetzt voraussichtlich um acht Prozent pro Jahr steigen, auf rund 50.000 Jahrestonnen im Jahr 2025, heißt es in Marktforschungsberichten. Wie Peking angesichts solcher Zahlen in so kurzer Zeit das Ratio von Importen zu heimischer Produktion umkehren will, ist derzeit noch unklar. Für ausländische Chemiekonzerne sind die protektionistischen Vorgaben aber dennoch eine ernst zu nehmende Kampfansage.
LCP-Produktion als Blaupause?
Ein gutes Beispiel dafür, zu welchen Kraftanstrengungen die Industriepolitiker in China fähig sind, ist die Produktion von LCP (Liquid Crystal Polymer). Dieses aromatische Polyester-Material zeigt in industriellen Anwendungen hoch willkommene mechanische Eigenschaften wie eine niedrige Feuchtigkeits-Absorption, hohe Temperatur-Resistenz und schwere Entflammbarkeit. Nicht nur beim Autobau, sondern auch für militärische Güter und in der Raumfahrt gilt es daher als wichtige Schlüsselkomponente.
Durch einen nationalen Kraftakt erster Klasse ist in den vergangenen Jahren gewissermaßen aus dem Nichts eine beachtliche chinesische LCP-Produktion aus dem Boden gestampft worden. 18.000 Tonnen des begehrten Materials erzeugen chinesische Unternehmen wie Shenzhen Wote Advanced Materials, Shanghai Pret oder Ningbo Copolymen New Materials inzwischen in heimischer Produktion.
Doch auch hier gilt, dass besonders für technisch hochwertiges LCP, wie es unter anderem für Anwendungen im Zusammenhang mit 5G-Netzwerken gebraucht wird, noch immer bis zu 80 Prozent aus dem Ausland nach China eingeführt werden müssen. Mit Chinas Förderpolitik für Zukunftstechnologien wächst aber nun die Nachfrage nach LCP, unter anderem für die Herstellung von Verbindungen in verschiedenen elektronischen Geräten, noch schneller als bisher.
Ambitionierte Ziele bis 2025
Ein ähnliches Verhältnis von hoher Importquote und rasch wachsender Nachfrage in China gibt es bei PEEK. Victrex in England dominiert den Weltmarkt, auch Solvay in Belgien und die deutsche Firma Evonik sind Großerzeuger. Chinesische Firmen, davon viele in Jilin im Nordosten des Landes, holen auf, können aber angesichts einer jährlich um 15 bis 20 Prozent wachsenden Nachfrage keinesfalls die von der Pekinger Zentrale dringend erwünschte „Importsubstitution“ erzielen.
Die Ziele der kommunistischen Führung, im Bereich technische Kunststoffe schon im Jahr 2025 einen Anteil von 85 Prozent in China herzustellen, erscheinen daher von der heutigen Warte aus als sehr ambitioniert. Die Richtung aber ist eindeutig vorgegeben: eine schrittweise Reduzierung der Importe. Für ausländische Unternehmen werden die Marktchancen in China zunehmend davon abhängig sein, ob sie auch in China produzieren. Victrex und Xingfu Chemical haben im vergangenen Jahr ein Joint Venture zur PEEK-Produktion in Liaoning gegründet.
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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