China Market Insider Kohlechemie in China – Große Zukunft mit kleinem Haken?

Von Henrik Bork

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Die Kohlechemie habe in China „großes Potenzial”, sagt Chinas Präsident. Xi Jinping macht diese Aussage – die Klimaschützer weltweit aufhorchen lässt – bei einem Besuch in einer der traditionellen „Kohleprovinzen“ der Volksrepublik. Der mächtigste Politiker des Landes, das weltweit die meiste Kohle konsumiert, besuchte Unternehmen der Kohlechemie am „Revolutions-Stützpunkt Yangjiagou“ in Yulin, Provinz Shaanxi. Was diese Aussagen bedeuten erklärt der China Market Insider von PROCESS.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – Shaanxi im Nordwesten Chinas ist eine der Hochburgen der Kohleförderung und auch der Kohlechemie in der Volksrepublik. Chinas übermächtiger Partei- und Staatslenker hat sich mit seinem Besuch also bewusst eine passende Bühne für seine Aussagen zur Zukunft der Kohlechemie ausgewählt.

„Er betonte, dass die Kohlechemie großes Potenzial und großes Versprechen habe,“ berichtete das staatliche Energie-Fachportal Shiyou Huagong Luntan. Tatsächlich investiert China schon seit mehreren Jahren massiv in die Kohle-zu-Olefin-Industrie, und Kohle ist derzeit zwar ein relativ kleiner, aber schnell wachsender Rohstoffbereich für die chemische Industrie des Landes.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass Xi Jinping der Industrie gleichzeitig eine massive Transformation abverlangt. Es gehe dem Präsidenten um eine „moderne Kohlechemie”, um “Spezialkraftstoffe auf Kohlebasis”, um „biologisch abbaubare” Produkte aus Kohle wie PBAT oder PBS, kommentierten chinesische Medien.

Besonders PBAT, ein biologisch abbaubares Copolymer, das gut aus Kohle produziert werden kann, erlebe in China gerade eine Art „Goldrausch“, schreibt das Fachmagazin C&EN - und zitiert Prognosen, denen zufolge sich die PBAT-Produktion in China allein bis 2022 von rund 150.000 auf 400.000 Tonnen beinahe verdreifachen dürfte.

Mehr Wettbewerb für die BASF

Sein Land wolle ab jetzt „aktiv Spezialkraftstoffe und biologisch abbaubare Materialien auf Kohlebasis“ erforschen und produzieren, sagte Chinas Staats- und Parteichef chinesischen Staatsmedien zufolge am Rande der Kohlengruben von Shaanxi. Damit wird unter anderem auch der Wettbewerb für die BASF in diesem Segment viel schärfer werden.

Der multinationale Konzern aus Deutschland zählt mit seinem Produkt Ecovio zu den Pionieren der PBAT-Produktion und hat die Technologie vergangenes Jahr per Lizenz dem chinesischen Hersteller „Red Avenue New Materials“ zur Verfügung gestellt. In einer modernen PBAT-Fabrik in Shanghai mit hochmoderner Prozess-Technologie aus Deutschland werden in einer ersten Phase ab dem kommenden Jahr 60.000 Tonnen des umweltfreundlichen Plastikersatzes produziert.

China, das auch den meisten Plastikmüll der Erde produziert, war im Zuge der internationalen Debatte um die Verschmutzung der Ozeane mit Plastikresten stark kritisiert worden. Das verstärkte Interesse an der PBAT-Produktion erklärt sich zum Teil aus dem Versuch der politischen Führung des Landes, vom Prügelknaben der Weltöffentlichkeit zum Vorreiter bei grünen Technologien aller Art zu werden.

Kohle stellt China dabei vor besondere Herausforderungen. Die Volksrepublik hat reiche Kohlevorkommen, ist hingegen bei Rohöl stark von Importen abhängig. Kohlekraftwerke sind noch immer das Rückgrat der chinesischen Energieversorgung. 57 % des gesamten primären Energieverbrauchs in China stammte 2020 aus Kohle, sagte Liu Bingjiang, ein Beamter des chinesischen Umweltministeriums im Februar auf einer Pressekonferenz in Peking.

Peking hat zwar seine eigene Version einer Energiewende eingeleitet, und der relative Anteil fossiler Brennstoffe an Energieproduktion fällt, doch angesichts der ehrgeizigen, neuen Klimaziele der chinesischen Regierung muss ganz offensichtlich mehr getan werden.

Umbau zu „grüner“ Kohlechemie

Die Bemerkungen von Xi Jinping in der Kohleprovinz deuten nun klar auf die Strategie, in dem kommenden Jahren nicht auf Kohle als Rohstoff in der chemischen Industrie zu verzichten. Allerdings soll der Umbau zu einer „grüneren“ Kohlechemie forciert werden.

Dass Peking es sehr ernst mit seinen Klimazielen meint, hat es bereits mit den ersten Suspendierungen von neuen Projekten der Kohlechemie begonnen, die nicht bestimmte Emissions-Sparziele vorzeigen können oder sonst wie ihre Nützlichkeit für die neuen Klimaziele unter Beweis stellen konnten. Eines der Projekte wurde ausgerechnet in Yulin auf Eis gelegt – in derselben Region also, die Xi Jinping nun mit seiner „Zukunftsbotschaft“ besucht hat.

Chinas Kohlechemie steht also im Zentrum eines Dilemmas für Peking: Einerseits sind die Produktion von Olefinen aus Kohle und auch die Produktion von biologisch abbaubaren Materialien aus Kohle selbst im Vergleich zu Verfahren mit Rohöl als Rohstoff energie- und emissionsintensiver. Dies kollidiert mit den neuen Klimazielen Pekings. Andererseits bemüht sich die chinesische Regierung, die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes nicht aufgrund von Klimazielen ruckartig abzuwürgen und auch der Kohlechemie einen Weg in die Zukunft zu zeigen. Die massiven Kohlevorkommen des Landes nicht zu nutzen, ist für Peking keine Option.

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„Grüne Produkte“ wie etwa PBAT, die mit modernsten Prozess-Technologien zumindest ein wenig emissions- und energiefreundlicher produziert werden als herkömmliche Produkte der Kohlechemie, werden daher ab jetzt noch stärker gefördert.

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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