Explosionsschutz Ist es Zeit, eine alte Explosionschutz-Weisheit ad Acta zu legen?
Wie gefährlich ist eine Befüllung mit freiem Flüssigkeitsstrahl (Splash Filling) wirklich? — Ein grundsätzliches Mantra beim Umgang mit entflammbaren Flüssigkeiten ist es, eine Freistrahlbefüllung unter allen Umständen zu vermeiden. Es könnte sonst zu gefährlichen elektrostatischen Aufladungen kommen, gefolgt von Explosionen mit zerstörenden Auswirkungen. Doch wie begründet sind solche Befürchtungen wirklich? In jüngster Zeit in Frankreich und Schweden durchgeführte Experimente führten zu überraschenden Ergebnissen…
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In der chemischen Industrie werden täglich tausendfach Tanks und Behälter mit Flüssigkeiten befüllt. Das Füllgut wird dabei in vielen Fällen über ein Rohr zugeführt, das bereits ein Stück über dem Behälterboden endet, weshalb die Flüssigkeit im freien Strahl auf den Behälterboden oder auf die Flüssigkeitsoberfläche trifft. Dieser Umstand wird immer wieder für elektrostatische Aufladungen verantwortlich gemacht, durch die brennbare Gase und Dämpfe im aufnehmenden Behälter entzündet werden können.
Bisher ist wenig darüber bekannt, inwieweit Freistrahlbefüllung elektrostatische Aufladung herbeiführt. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, dass der Lenard-Effekt – die elektrostatische Aufladung beim Zerplatzen von Tropfen polarer Flüssigkeiten – als Erklärung für eine Zündquelle dienen kann. Andere Experten glauben, dass fallende Tropfen beim Reiben mit Luftmolekülen aufgeladen werden, und somit elektrostatische Gefahren beim Freistrahlbefüllen herbeiführen.
Wer es genauer wissen will, kommt um ein wenig Theorie nicht herum: Allgemein wird davon ausgegangen, dass elektrostatische Aufladung durch Reibung erfolgt. Doch das ist eine unzulässige Vereinfachung: Tatsächlich wird elektrostatische Aufladung durch Trennung von Materialien bewirkt, die zuvor in engem Kontakt waren, sofern mindesten eines der beiden elektrisch isolierend ist. Da diese Ladungen an den Materialgrenzen entstehen, ist die Entstehung von Grenzflächen eine Voraussetzung.
Während Feststoffe und Flüssigkeiten natürliche Grenzflächen aufweisen, ist das für Gase nicht der Fall. Deshalb können Ladungen nur an den Grenzflächen von Feststoff/Feststoff, Feststoff/Flüssigkeit und Flüssigkeit/Flüssigkeit entstehen, nicht aber zwischen Gasen einerseits und Flüssigkeiten oder Feststoffen andererseits.
Dem scheint der Umstand zu widersprechen, dass auch Flüssigkeiten aufgeladen werden, z.B. beim Versprühen in Luft. Aber besteht da wirklich eine Unstimmigkeit? Keineswegs! Immerhin wird eine Flüssigkeit beim Versprühen zerteilt, und dabei bereits elektrostatisch aufgeladen, unabhängig von Leitfähigkeit und Reibung an umgebender Luft.
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Explosionsschutz
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Der Entladung auf der Spur
Allerdings ist Wissenschaft keine Angelegenheit des Glaubens sondern des Beweises, z.B. durch entsprechende Experimente. Solche wurden 2015 an der Universität von Poitiers, Frankreich, durchgeführt. Tröpfchen verschiedener Flüssigkeiten mit einem Durchmesser von etwa zwei Millimetern wurden bei einer Fallhöhe von fünf Metern untersucht. Genau definierte elektrostatisch aufgeladene Tröpfchen wurden dafür aus einem Tropfenspender freigesetzt, fielen durch vier zylindrische Fallrohre und wurden in einem Metallbehälter aufgefangen. Die gesamte Anordnung war von einem geerdeten Rohr umhüllt.
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