Erdgas-Wasserstoff: Keine Gefahr für Industrieanlagen Gefahrencocktail aus Wasserstoff und Gas? Alles nicht so schlimm, sagt die Forschung
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Wasserstoff ist in aller Munde – doch mit der Renaissance des Wunderstoffs treibt ein längst überwunden geglaubtes Schreckgespenst Anlagenbauern und Strömungsexperten die Sorgenfalten auf die Stirn: Scheitert die H2-Revolution an der Wasserstoffversprödung? Für die heiß diskutierte Mischung aus Erdgas und Elektrolyse-Wasserstoff hat das ein Forscherteam untersucht – und gibt erste Entwarnung...

Erneuerbare Energien aus Wind und Sonne unterliegen hohen Fluktuationen und benötigen deswegen Speichertechnologien. Eine Lösung ist, überschüssigen, regenerativ erzeugten Strom mittels Elektrolyse in Wasserstoff umzuwandeln. Dieser lässt sich in lokalen Gastanks speichern und in das Erdgasnetz einspeisen. Das vorhandene Erdgasnetz wird dabei zum funktionalen Stromspeicher. Dieses Verfahren wird auch Power-to-Gas genannt. Doch sind Gasinfrastrukturen und Industrieanlagen überhaupt in der Lage, mit Wasserstoffbeimischungen umzugehen? Im Projekt „H2-Substitution II“ untersuchte ein Forschungsteam vom Institut für Werkstoffanwendung der TH Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Bonnet in Zusammenarbeit mit dem Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. (GWI), wie sich Wasserstoff auf industrielle Anlagen auswirkt und kam zu dem Ergebnis, dass diese dem Wasserstoff standhalten können.
Mögliche Auswirkungen von Wasserstoff auf die metallischen Werkstoffe der Rohrleitungsinstallationen und Gasdruckregelanlagen wurden im Forschungsprojekt untersucht. Überprüft wurde, ob unerwünschte Beeinflussungen wie das Eindiffundieren von Wasserstoff in die metallischen Werkstoffe und eine damit verbundene Materialversprödung die Industrieanlagen beschädigen könnten.
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Kommt es bei typischen Standardwerkstoffen zur Wasserstoffversprödung?
Zunächst wurde ermittelt, welche Standard-Werkstoffe sich in den industriellen Anlagen befinden. Insgesamt wurden neun Werkstoffe ausgewählt. Dabei handelt es sich um klassische Baustähle sowie Kupfer. Als Nachweisverfahren für mögliche Versprödungen wurde eine Methodik aufgebaut, sogenannte Zugversuche mit langsamen Dehnraten. Zugversuche als Verfahren der Werkstoffprüfung dauern üblicherweise nur einige Minuten, wurden hier jedoch auf einen Tag ausgedehnt, da die Wasserstoffatome erst mit genügend Zeit diffundieren. Der Wasserstoffgehalt im Gasgemisch wurde stufenweise erhöht: von 0, 10, 30, 70 bis zu 100 Prozent.
Die Versuche gaben Entwarnung: „Wir konnten bei den verwendeten Werkstoffen keine Wasserstoffversprödung feststellen. Für Baustähle, die bei Rohrleitungen und Armaturen unter H2-Druck verwendet werden, ist das Erdgas-Wasserstoff-Gemisch unkritisch. Eine Umrüstung auf Wasserstoff-Beimischung ist ohne negative Effekte für metallischen Werkstoffe möglich“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Martin Bonnet vom Institut für Werkstoffanwendung. Eine Wärmebehandlung mit bis zu 920 ° C lieferte ein weiteres Ergebnis: „Bei erhöhten Temperaturen steigt die Diffusionsgeschwindigkeit des Wasserstoffs im Metallgitter, sodass der Wasserstoff angeregt wird, aus dem Metallgitter zu diffundieren“, so Bonnet weiter.
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Der Wasserstoff-Einspeisung ins Gasnetz steht wenig im Wege
Die Wasserstoffzufuhr ist im Hinblick auf eine nachhaltige Gestaltung der Industrie ein wichtiger Lösungsansatz: „Beim Verbrennen eines Erdgas-Wasserstoff-Gemischs wird weniger CO2 freigesetzt als bei reinem Erdgas. Die Zumischung gilt im Zuge der Energiewende als Maßnahme, um CO2 einzusparen. Dieser Umstand gewinnt vor dem Hintergrund der CO2-Zertifizierung von Industrieanlagen immer mehr an Bedeutung“, erläutert Bonnet.
Das Projekt „Untersuchung der Auswirkung von Wasserstoff-Zumischungen ins Erdgasnetz auf industrielle Feuerungsprozesse in thermoprozesstechnischen Anlagen – Auswirkungen auf die Produktqualität von metallischen Werkstoffen und die gasführende Installation“, kurz H2-Substitution II, wurde vom Institut für Werkstoffanwendung der TH Köln in Kooperation mit dem Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. (GWI) durchgeführt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie förderte das Projekt über zwei Jahre im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM).
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