China Market Insider Der Urknall einer neuen Industrie: China positioniert sich als Marktführer bei abbaubarem Plastik
Anbieter zum Thema
China hat mit der Massenproduktion von biologisch abbaubarem Plastik begonnen. Von einer „dramatischen Erhöhung“ der Produktionskapazitäten in sehr kurzer Zeit berichtet die japanische Zeitschrift Nikkei Asia. Ein einziger chinesischer Hersteller allein plane gerade zum Beispiel den Ausbau seiner Produktion auf ein Niveau, das den gesamten globalen Marktbedarf beim weitem übersteigt, berichtet das Magazin.

Peking/China – Die Rede ist von der chinesischen BBCA Group, die im August vergangenen Jahres eine erste Fabrik mit einer Jahreskapazität von 50.000 Jahrestonnen Polymilchsäure (auch PLA genannt, von „Polyactic Acid“) gebaut hat. Schon im Dezember erfolgte dann die Grundsteinlegung für eine zweite Fabrik. Bis 2023 will die Gruppe eine Jahreskapazität von 700.000 Tonnen erreicht haben. Für dasselbe Jahr sagten Marktforschungsinstitute einen weltweiten PLA-Bedarf von etwa 370.000 Tonnen voraus, schreibt Nikkei Asia.
Nun wird der Markt für solche Materialien stark von der künftigen Regierungspolitik in Peking abhängen. Die jetzigen Prognosen könnten sich also in der Zukunft als zu niedrig erweisen. Das Beispiel illustriert aber dennoch einen industriepolitischen Mechanismus, der China zuvor schon zur Dominanz des Weltmarktes für Solarzellen verholfen hat - und der sich nun bei abbaubarem Plastik wiederholt.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/b5/1b/b51b1d60d0218fdf79ff0eac8da94c46/0101756209.jpeg)
China Market Insider
Top 10 – Diese Chemieunternehmen sind die größten in China
Zunächst kurbelt die Zentralregierung in Peking über Verordnungen und Gesetze den heimischen Bedarf an. Bei abbaubarem Plastik ist dies am 1. Januar dieses Jahres geschehen, als mit der Implementierung eines nationalen Verbotes von herkömmlichen Plastiktüten und Plastik-Trinkhalmen in einigen Großstädten des Landes begonnen wurde (wir berichteten).
Dieser Bann wird nun schrittweise ausgeweitet und „der Markt für abbaubares Plastik wird in der Folge in eine Phase rapiden Wachstums eintreten“, schreibt das Technologie-Medium Wangyi Keji. Provinzielle Regierung und lokale Regierungen in China stellen dann als nächstes grosszügige Subventionen für „ihre“ lokalen Unternehmen bereit. Genau dies geschieht momentan in der PLA-Industrie. „Die Stadt Bengbu, wo sich das Hauptquartier von BBCA befindet, und die umliegende Provinz Anhui stellen finanzielle Zuschüsse und Steueranreize für das Unternehmen bereit,“ berichtet Nikkei Asia.
Vom Urknall zur Überkapazität
Im nächsten Schritt des Urknalls einer neuen Industrie in China entstehen dann meist Überkapazitäten, weil sich zu viele chinesische Provinzen und Unternehmen für den wohltuenden Subventionsregen positionieren. Derselbe Mechanismus war in der Vergangenheit bei Solarzellen, Windkraft-Anlagen und LCD zu beobachten. Entsprechende Industrien in anderen Ländern der Erde wurden dabei so gut wie eliminiert.
„Das Skalieren der Produktion findet unter Missachtung jeglicher Profitabilität statt, was zu Angebotsüberschüssen und globalen Preisstürzen führt,“ heisst es in der Analyse. Der chinesischen Führung sind vorübergehende Verluste und Verschwendung von finanziellen Ressourcen in dieser Übergangsphase relativ egal, solange am Ende ein neuer Weltmarkt erobert worden ist.
Wieder ist Vorsicht geboten, denn Vorhersagen sind generell, aber auch in der chemischen Industrie Chinas sehr schwer. Doch es lässt sich mit einiger Sicherheit voraussagen, dass der Markt für Bio-Kunststoffe und biologisch abbaubares Plastik in den kommenden Jahren weltweit von starkem Wettbewerb mit genau jenen chinesischen Firmen geprägt sein wird, die nun gerade ihre Produktion solcher Produkte massiv hochfahren. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um abbaubare Materialien aus biologischen Grundstoffen oder um abbaubare Polymere auf Petroleum-Basis handelt.
Die Lieferketten der Zukunft nehmen Gestalt an
Neben der schon genannten BBCA Group planen momentan zehn weitere chinesische Unternehmen, ihre Produktion von PLA auszuweiten, ist das Ergebnis einer Umfrage von Huaan Securities. Auch für PBAT (Polybutylenterephthalat), ein thermoplastisches, abbaubares Plastik und für PBS („polybutylene succinate“) planen chinesische Hersteller eine Steigerung ihres jährlichen Ausstosses um 1,24 Millionen Tonnen. Das entspricht in ungefähr einer Verfünffachung ihrer Kapazität vom Juni 2020. Die grössten Hersteller von PLA und PBAT in China sind derzeit unter anderem BBCA, Kingfa Technology, Jindan Technology, COFCO Technology, Hisun Biological und Tongcheng New Material.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/d3/6f/d36fc4bc51a6700f88be029b8e064ae3/0101701990.jpeg)
China Market Insider
Chinas Öl- und Chemiefirmen arbeiten mit Hochdruck an ihrer CO2-Bilanz
Welche Lieferketten der neuen, grünen Materialien China künftig mit grosser Sicherheit dominieren wird, lässt sich schon jetzt recht akkurat im aktuellen, 14. Fünf-Jahresplan der kommunistischen Führung in Peking nachlesen - oder auch den Äußerungen chinesischer Funktionäre entnehmen. Die Übernahme von Weltmärkten geschieht also gewissermassen mit Ansage.
Ein Rennen, bei dem der Sieger schon feststeht?
Ein Beispiel: China werde in den kommenden fünf Jahren die Entwicklung neuer Materialien beschleunigen, und eines von fünf Schlüsselprojekten sei dabei die „Industrialisierung von Plastik auf Biobasis“, zitiert die Zeitung China Daily Sun Weishan, den Vizevorsitzenden der „China Petroleum and Chemical Industry Federation“.
Während des 14. Fünf-Jahresplanes „wird der Fokus auf der Entwicklung von PHA, PLA, PBS, PBST, PBAT, PEF“ und anderen abbaubaren Materialien liegen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Plan und den Verbandsfunktionär. Wie Nikkei Asia in diesem Kontext bemerkt, halten sich japanische Chemiekonzerne momentan aus genau diesem Grund zurück, was neue Investitionen in abbaubare Bioplastik-Produkte betrifft. Es gebe Pläne zur Erhöhung der Kapazität der neuen, grünen Materialien in Japan, zitiert das Magazin einen Sprecher von Mitsubishi Chemical, aber „die Sorge ist, dass wir verlieren, sollten wir beim Investieren Kopf an Kopf mit den Chinesen konkurrieren.”
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
(ID:47539587)