China Market Insider BASF bastelt in China am „grünen“ Verbundstandort
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Um in ihren Chemieanlagen mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu nutzen, arbeitet die BASF in China mit den Behörden zusammen. Für den neuen Verbundstandort der Ludwigshafener in Zhanjiang, in der Südprovinz Guangdong, hat das Unternehmen gerade ein besonders ehrgeiziges Ziel verkündet: Die ersten Anlagen des derzeit in Bau befindlichen Verbundstandortes wolle man komplett mit erneuerbaren Energien betreiben.

Peking/China – In den riesigen Verbundstandort im Süden Chinas will die BASF bis 2030 eigenen Angaben zufolge rund zehn Milliarden Dollar (rund 8,4 Milliarden Euro) investieren. Dort am Südzipfel des chinesischen Festlandes entsteht damit gerade der drittgrößte Standort des Konzerns überhaupt, nach Ludwigshafen und Antwerpen. 2019 ist mit dem Bau begonnen worden. Die ersten Anlagen sollen bis 2022 fertig werden und technische Kunststoffe und thermoplastisches Polyurethan (TPU) produzieren.
Noch bevor dort also irgendetwas steht, präsentiert die BASF den Standort nun aber schon als „Vorbild für nachhaltige Produktion”. Wörtlich heißt es da in eigener Sache: „BASF wird die ersten Fabriken des Verbundstandortes in Zhanjiang, Provinz Guangdong, zu 100 Prozent mit erneuerbarer Elektrizität betreiben.”
Neues Konzept mit Pioniercharakter
Um dieses Ziel zu erreichen, habe das Unternehmen lokale Regierungsstellen in Guangdong bei der Entwicklung ihrer neuen Energiepolitik unterstützt, mit der auf Geheiß der Pekinger Zentrale der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix gesteigert werden soll.
Die Deutschen hätten in der Südprovinz ein neues Konzept mit Pioniercharakter vorgeschlagen, heißt es in dem Pressetext. Das R-DPP (Renewable Direct Power Purchase) genannte Konzept solle sicherstellen, dass industrielle Stromverbraucher künftig ihre CO2-Bilanz verbessern können. Man arbeite dazu mit China Resources Power zusammen, ließ die BASF wissen.
Die China Resources Power, einst als Entwickler und Betreiber von Kohlekraftwerken gegründet, generiert eigenen Angaben zufolge inzwischen ein wenig mehr als die Hälfte seiner Energie durch erneuerbare Energien wie Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft. Die BASF werde nun der erste Kunde des Energieerzeugers in China, der nach dem neuen R-DPP-Konzept sauberen Strom bezieht, heißt es in der Presseerklärung.
Nachhaltigkeit und Lobbyismus
Es gibt mehrere erkennbare Gründe für diese energiepolitische Zusammenarbeit des deutschen Chemiekonzerns mit der kommunistischen Staats- und Parteiführung in Guangdong. Zum einen erzeugen die Ludwigshafener einen konkreten Nachweis für ihre konzerneigene PR zum Thema Energiewende – zumindest kündigen sie ihn schon mal an. „Nachhaltigkeit ist fest in unserer Unternehmensstrategie verankert, und es ist unser Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu wachsen,” sagt BASF-Manager Markus Kamieth als Begründung für diese Initiative in China.
Zum anderen verbessert dieses Projekt sicherlich die Beziehungen der BASF in China zu wichtigen Regierungsstellen. Als großer Stromverbraucher die Einkaufsregeln für Energie vor Ort in China reformieren zu helfen, und sich dabei noch um den Umweltschutz verdient zu machen, klingt aus Sicht der „Government-Affairs“-Abteilung eines Konzerns wie ein Traum.
Chinas Provinzen stehen unter großem Druck aus der Pekinger Zentrale, den Anteil erneuerbarer Energien an ihrem Energiemix zu steigern. Chinas Präsident und oberster Parteichef Xi Jinping hatte im September vergangenen Jahres überraschend angekündigt, dass die Volksrepublik schon bis zum Jahr 2060 klimaneutral sein will. Bis zum Jahr 2030 wolle China daher bereits den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen überschreiten, so der chinesische Staats- und Parteichef.
Ambitionierte Ziele im Land der Kohle
Aus Sicht der Provinzpolitiker, die dieses ambitionierte Ziel nun umsetzen sollen – gleichzeitig aber weiter für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in einem Milliardenvolk sorgen müssen – ist guter Rat teuer. Wie man in China den Anteil fossiler Brennstoffe am Primärverbrauch drastisch reduzieren kann, ist eines der ganz großen Fragezeichen, die derzeit in der noch immer recht verdreckten Luft über dem chinesischen Festland schweben.
Während in der EU im vergangenen Jahr zum ersten Mal mehr als die Hälfte aller Elektrizität mit erneuerbarer Energie erzeugt werden konnte, ist man in China noch meilenweit von so einem fortschrittlichen Energiemix entfernt. Zur Zeit stammen noch 85 Prozent der chinesischen Primärenergie aus fossilen Brennstoffen, inklusive Kohle, Petroleum und Gas. Daraus werden am Ende beinahe zehn Milliarden Tonnen an CO2-Emissionen.
Auch die rasche Erholung der chinesischen Wirtschaft von den Corona-Lockdowns im ersten Quartal 2020 verläuft gerade alles andere als „grün“. Im Gegenteil. Kohle ist immer noch King im Reich der Mitte. Im Jahr 2020 sind in China neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 38.4 GW gebaut worden, umgerechnet zwei Drittel der neu installierten Kohlekapazität auf dem gesamten Erdball.
Konstruktive Vorschläge wie der der BASF helfen also auch der chinesischen Regierung, zumindest schon einmal vorbildliche Ziele propagieren zu können – und in bescheidenen Schritten auf die ehrgeizigen Klimaziele ihres Parteichefs hinzuwirken. Sollte es in Zukunft tatsächlich gelingen, große Stromverbraucher in Zhanjiang und Umgebung mit preislich wettbewerbsfähigem Ökostrom zu versorgen, dann hätte dieses Projekt allerdings wirklich Vorbildcharakter.
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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