K 2022 3x grün: Grüne Kunststoffe für grüne Anwendungen grün produzieren
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Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Energie- und Mobilitätswende – wie die Kunststoffbranche dies vor dem Hintergrund explodierender Rohstoff- und Energiepreisen und inflationsbedingter Nachfragedelle meistern will? Wer die K besucht, erfährt mehr.

Kaum sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie abgeebbt, konnten die Kunststoffhersteller ein Plus in der Produktion als auch beim Umsatz verbuchen. Ob diese Entwicklung sich fortsetzen kann, ist unter den aktuellen Herausforderungen fraglich. Vor allem der Ukraine-Krieg belastet die Kunststoffbranche: Er treibt die Kosten in die Höhe und sorgt für Engpässe, besonders bei der Energieversorgung.
Das befeuert Ängste vor einem Nachfragerückgang, der die Branche vor allem deshalb trifft, weil keine Industrie ohne Kunststoffe auskommt:Verpackung, Bauwesen, Automobilsektor, aber auch Medizin- und Gesundheitsbranche sind Abnehmer ebenso wie der Elektro- und Elektronikmarkt, der sich neben Ästhetik und Langlebigkeit auch ständig mit Miniaturisierung und Hochwärmemanagement beschäftigt.
Kunststoffproduktion in Deutschland und der Welt
China, die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, steht im Zentrum der globalen Lieferkette, nicht nur aufgrund der Größe seines Marktes und der umfangreichen Zulieferketten, sondern auch wegen seiner großen und leistungsfähigen Häfen und Verkehrsnetze.
Die Kunststoffindustrie ist eine wichtige Säule der Wirtschaft in den USA, die sich auch 2021 nur langsam von Corona erholte: Der „2021 Size & Impact Report“ der Plastics Industry Association schätzt den Gesamtwert der Lieferungen der US-Kunststoffindustrie im Jahr 2020 auf 394,7 Milliarden Dollar. Berücksichtigt man die Zulieferer der Branche und ihre vorgelagerten Lieferungen, so stieg der Gesamtwert der Lieferungen im Jahr 2021 auf 541,6 Milliarden US-Dollar und die Beschäftigung – direkt und indirekt – auf 1,55 Millionen.
Der Industrieverband Plastic Europe Deutschland zeichnet in dessen Geschäftsbericht 2021 ein vorsichtig optimistisches Bild für die deutsche Kunststoffindustrie: Die Kunststoffproduktion in Deutschland demnach stieg im Vergleich zum Corona-geprägten Vorjahr um 17 Prozent. Dies führt der Verband auf die hohe Kunststoffnachfrage, insbesondere aus dem Konsumgüter- und Medizinbereich, welche durch die Erholung der Weltwirtschaft sowie Nachholeffekte im Zuge der Pandemie befeuert wurde.
Im Jahr 2021 stieg nicht nur die Produktion. Auch die Preise für Kunststoffe zogen an. Ursache waren die hohe Nachfrage nach Kunststofferzeugnissen sowie erhöhte Produktionskosten bei den Kunststofferzeugern – letzteres zurückzuführen auf die gestiegenen Rohstoff-, Transport- und Energiepreise. Diese Entwicklung führte zu einem deutlichen Umsatzplus der kunststofferzeugenden Industrie in Deutschland von rund einem Drittel gegenüber dem Vorjahr. Kehrseite der Medaille: Anhaltende Lieferengpässe, Logistikprobleme sowie stark steigende Preise für Vorprodukte und Energie belasteten die Produktion und führten teilweise zu verzögerten Auftragsabwicklungen.
Schluss mit fossilen Rohstoffen und Energieträgern
Bis 2050 soll die auch die Kunststoffbranche klimaneutral werden. Hierfür muss die Produktion von fossilen Rohstoffen und Energieträgern entkoppelt werden. Viele Unternehmen haben schon weitreichende Maßnahmen und Projekte auf den Weg gebracht. Einige befinden sich jedoch noch in einer frühen Entwicklungsphase. Prominentes Beispiel ist der Bau eines elektrischen Steamcrackers am BASF-Standort Ludwigshafen.
Viele Kunststoff- und Additivehersteller bemühen sich derzeit ihren Strom aus nachhaltigen Quellen zu beziehen. Covestro etwa hat Lieferverträge mit den europäischen Anbietern Ørsted für die Versorgung seiner deutschen Standorte sowie mit Engie für seine Produktion im belgischen Antwerpen geschlossen. In beiden Fällen kommt der Strom aus Windkraft. Zudem haben sich die Leverkusener in Deutschland eine langfristige Belieferung mit Solarstrom vertraglich gesichert. Der grüne Strom kommt aus dem landesweit größten Solarpark des Energieunternehmens EnBW in Brandenburg. Auch in China bezieht Covestro Solarstrom vom dortigen Anbieter Datang Wuzhong New Energy Co. Weitere Lieferverträge für Strom aus erneuerbaren Quellen seien geplant, so das Unternehmen.
Auch Solvay will seine Polymere nachhaltig produzieren. „Neben der vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energie in der Produktion von Amodel PPA, Xydar LCP und Ryton PPS ist es uns gelungen, ausgehend von 2018 bis 2021 den Frischwasserverbrauch in der LCP-Fertigung um 35 Prozent und in der PPA-Fertigung um 15 Prozent zu reduzieren“, sagt Georges Houtappel, Executive Vice President Automotive Business, Solvay Materials. Das Unternehmen arbeite mit Hochdruck daran, diese Mengen weiter zu optimieren und die Verbesserungsmaßnahmen auf sämtliche Produktionsstätten zu übertragen.
Biokunststoffe gewinnen langsam an Bedeutung
Aber nicht nur die Energie soll nicht mehr aus dem Bohrloch kommen. Immer mehr Kunststoffhersteller suchen nach alternativen Kohlenstoffquellen. Doch das gestalte sich oft schwierig, moniert der Fachverband European Bioplastics. Die Positionen der EU-Mitgliedstaaten zu Biokunststoffen seien sehr unterschiedlich und das regulatorische Umfeld alles andere als harmonisiert. „Dies schreckt von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Produktionskapazitäten ab“, so der Verband.
Auch wenn die Bedingungen nicht optimal sind, mausert sich die Produktion von Biokunststoffen. Die weltweiten Produktionskapazitäten machen zwar noch immer weniger als ein Prozent der mehr als 367 Millionen Tonnen aller Kunststoffe aus, trotzdem wird bis 2026 die Produktion von Biokunststoffen erstmals die zwei-Prozent-Marke überschreiten, so die Vorhersage von European Bioplastics. Konkret rechnen die Experten mit einem Sprung von 2,4 Millionen Tonnen im Jahr 2021 auf 7,5 Million für 2026.
Dies schreckt von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Produktionskapazitäten ab.
Dabei machen Verpackungen mit 48 Prozent immer noch das Gros der Anwendungen aus. Für einen breiteren Einsatz muss allerdings noch geforscht und entwickelt werden: „Eines der Haupthindernisse ist, dass nachhaltige Verpackungsmaterialien oft engere Toleranzen aufweisen als neue oder hochentwickelte Standardmaterialien“, sagt die Studie „PMMI's 2022 Shaping the Future of Packaging Operation“.
Kreislaufwirtschaft startet durch
Laut einem Bericht über mechanisches Recycling in Europa der AMI Consulting belief sich 2021 die Produktion von Kunststoff-Recyklaten in Europa auf 8,2 Millionen Tonnen und wird den Prognosen zufolge bis 2030 um 5,6 Prozent pro Jahr zunehmen. Dem stehen 35,6 Millionen Tonnen Standardkunststoffe gegenüber, die im Jahr 2021 in den Abfallstrom gelangten. „Dies bedeutet, dass Europa insgesamt eine Kunststoffrecyclingrate von 23,1 Prozent erreicht hat“, sagt Elizabeth Carroll, Beraterin für Recycling und Nachhaltigkeit bei AMI Consulting. Diese Zahl wird höchstwahrscheinlich noch steigen, da die Kunststoffindustrie umfangreiche Investitionen in verschiedene Recyclingtechnologien tätigt.
Auf der K 2022 werden viele Kunststoffhersteller ihre Erfolge rundum das Recycling präsentieren. So will BASF mehrere Produktpakete vorstellen, die alle bestehenden Recyclingmethoden adressieren. Beim chemischen Recycling bietet BASF Produkte an, deren Rohstoffe durch ChemCycling gewonnen werden. Die Recyclingmethoden werden durch das zertifiziert kompostierbare Biopolymer ecovio vervollständigt, das auch auf dem BASF-Stand vorgestellt wird: Es unterstützt das organische Recycling von Lebensmittelabfällen und lebensmittelverschmutzten Verpackungen und trägt so dazu bei, dass Lebensmittelabfälle nicht mehr deponiert oder verbrannt werden müssen.
Europa hat insgesamt eine Kunststoffrecyclingrate von 23,1 Prozent erreicht.
Die Geschäftsführerin von Plastics Europe, Virginia Janssens, erklärt, dass die Mitglieder von Plastics Europe das verbindliche EU-Ziel von 30 Prozent Recyclinganteil in Kunststoffverpackungen bis 2030 unterstützen und kürzlich Investitionen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro in das chemische Recycling bis 2030 in Europa angekündigt haben.
Auch bei Covestro tut sich einiges: „Seit ein paar Jahren arbeiten wir z.B. mit dem chinesischen Getränkehersteller Nongfu Spring und dem dortigen Recyclingunternehmen Ausell zusammen, um das Polycarbonat aus großen 5-Gallonen-Wasserflaschen wiederzugewinnen und es – nach Aufarbeitung mit Neuware – wieder für Produkte etwa in der Elektronikindustrie anzubieten“, berichtet Dr. Frank Rothbarth, Covestro-Pressesprecher für die Fachpresse. Als weitere Beispiele nennt er die Kooperation mit Fairphone zur Herstellung von Schutzhüllen für deren Handys aus teilweise recyceltem Polycarbonat und TPU sowie die Kooperation mit Freitag für Taschen aus Lkw-Plane.
* Die Autorin arbeitet als Fachredakteurin „Management“ für die Vogel Communications Group.
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