Wissensmanagment Wissen über Standorte hinweg sichern: So bleibt Knowhow im Unternehmen

Autor / Redakteur: Hendrik Stüwe / Wolfgang Ernhofer

Wenn Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen oder sich in den Ruhestand verabschieden, besteht oft die Gefahr, dass sie ihr – teils über Jahrzehnte gesammeltes – Wissen mitnehmen. Um zu verhindern, dass aus Wissensverlusten Gewinnverluste werden, setzen immer mehr Industrieunternehmen auf Wissensmanagementsysteme.

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Wissensmanagement spielt in Zeiten von Fächkräftemangel und demografischen Verschiebungen eine besonders wichtige Rolle in Unternehmen um Know-how-Verlust vorzubeugen.
Wissensmanagement spielt in Zeiten von Fächkräftemangel und demografischen Verschiebungen eine besonders wichtige Rolle in Unternehmen um Know-how-Verlust vorzubeugen.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

„Implizites in explizites Wissen verwandeln“ beschreibt Robert K. den Prozess, der seit dem Einsatz einer Dokumentenmanagement-Software bei seinem Arbeitgeber stattfindet. K. leitet seit zehn Jahren die Qualitäts- und Organisationsentwicklung eines Chemieunternehmens, das an drei Standorten knapp 4000 Mitarbeiter beschäftigt. Noch vor wenigen Jahren gab es Arbeitsanweisungen, Formulare oder Ablaufbeschreibungen vorwiegend in Papierform. Zusätzlich sind die Dokumente auf unterschiedlichen Laufwerken gespeichert, wichtige Informationen werden ins Intranet eingespielt. Doch es fehlt an Struktur.

„Wenn etwa eine aktualisierte Verfahrensanweisung veröffentlicht wurde, konnten unsere Mitarbeiter nicht auf Anhieb erkennen, was sich im Vergleich zur Vorgängerversion geändert hatte“ beschreibt K. den damaligen Stand. Auch Hinweise oder Anmerkungen sind lediglich außerhalb des Intranets möglich. Was oft dazu führt, dass Führungskräfte mit E-Mails überhäuft werden, wenn beispielsweise eine neue Prozessbeschreibung lückenhaft ist.

„Um unser internes Wissen zu strukturieren und transparenter zu machen, entschieden wir uns für eine Softwarelösung für Unternehmensdokumentation“, berichtet K. Inzwischen gehört das integrierte Wissensmanagementsystem für alle Mitarbeiter des Chemieunternehmens zum Alltag. Sätze wie „Endlich sehe ich, wer wofür zuständig ist“ oder „Heute finde ich Datenblätter viel schneller“ freuen K. vor allem dann, wenn sie von einstigen Bedenkenträgern kommen.

Überraschend schnell kommt auch eine im System enthaltene Kommentarfunktion zum Einsatz. „Über Dokumente, die zuvor im Intranet unbeachtet blieben, diskutieren die Mitarbeiter plötzlich“, beschreibt K. den Wandel: „Diesen konstruktiven Austausch habe ich vorher oft vermisst.“ Dass die Kollegen sich heute mehr mit den Inhalten von Anweisungen oder Leitfäden beschäftigen, führt der Qualitätsbeauftragte u.a. auf die Kenntnisnahme-Funktion zurück: Bei wichtigen Dokumenten muss der Empfänger bestätigen, dass er den Inhalt gelesen hat. Apropos Inhalt: Im Vergleich zum vorherigen, inzwischen abgeschalteten Intranet, hat sich der Inhalt des neuen Wissens-Wikis verdreifacht. „Das Projekt Wissensmanagement war für uns ein voller Erfolg“, so K.

Klein anfangen hilft beim Aufbau eines Wissensmanagementsystems

Johannes Woithon kennt viele solcher Erfolgsgeschichten. Seit mehr als 25 Jahren hilft der Berater Unternehmen, gesetzliche, behördliche und berufsgenossenschaftliche Anforderungen zu erfüllen. Weil er in seinem Berufsalltag immer wieder auf unzureichende Dokumentationen stößt, entwickelt er bereits vor 10 Jahren mit IT-Experten die Softwarelösung Orgavision und gründete das gleichnamige Unternehmen. „Der Aufwand, für ein Wissensmanagementsystem alle Prozessbeschreibungen, Richtlinien oder Zuständigkeiten zu dokumentieren, schreckt Verantwortliche oft ab“ weiß der 50-Jährige. Er empfiehlt daher beim Aufbau eines Wissensmanagementsystems klein anzufangen. Etwa damit, für eine konkrete Stelle eine Arbeitsplatzbeschreibung oder für eine bestimmte Maschine eine Ablaufbeschreibung zu erstellen.

Weil er in seinem Berufsalltag immer wieder auf unzureichende Dokumentationen stößt, entwickelte Johannes Woithon bereits vor 10 Jahren mit IT-Experten die Softwarelösung Orgavision und gründete das gleichnamige Unternehmen.
Weil er in seinem Berufsalltag immer wieder auf unzureichende Dokumentationen stößt, entwickelte Johannes Woithon bereits vor 10 Jahren mit IT-Experten die Softwarelösung Orgavision und gründete das gleichnamige Unternehmen.
(Bild: Nadine Stenzel)

„Für wiederkehrende Abläufe eignen sich Visualisierungen“, rät Woithon und gibt Beispiele: „Ein PC-Programm lässt sich mit Screenshots, das Umprogrammieren einer Maschine mit einem kurzen Video erklären.“ Beim Ausarbeiten von Leitfäden helfen Fragen wie: Könnte ein neuer Mitarbeiter anhand vorhandener Dokumentationen seine Position schnell und gut ausfüllen? Oder: Wäre Kollege A in der Lage, Kollege B zu vertreten, wenn dieser unerwartet ausfällt?

Gibt es für eine neu besetzte Stelle noch keine Arbeitsplatzbeschreibung, kann der neu eingestellte Mitarbeiter direkt mit dem Erstellen dieser beauftragt werden, so ein weiterer Tipp des Beraters: „Von Tag eins an beschreibt er seine Aufgaben und gleicht seine erstellten Leitfäden mit erfahrenen Kollegen ab“. Gibt es bereits ein Stellenprofil, sollte der neue Kollege kritisch prüfen, ob die Beschreibung noch aktuell und vollständig ist. Seine Fragen wiederum zeigen erfahrenen Kollegen und Vorgesetzten, wo Dokumente gegebenenfalls noch zu überarbeiten oder zu ergänzen sind.

„Dass Mitarbeiter ihr Wissen dokumentieren, statt es für sich zu behalten, ist eine Führungsaufgabe“, findet Woithon. Dabei helfen Zielvereinbarungen in Mitarbeitergesprächen. Oder das Gründen einer Projektgruppe mit Teilnehmern aus möglichst allen Abteilungen, die dafür verantwortlich sind, die für ihren Bereich relevanten Dokumente zu überarbeiten und in ein Wissensmanagementsystem einzupflegen. „Schließlich profitieren alle davon, wenn internes Knowhow transparent und strukturiert verfügbar ist“ betont der IT-Berater.

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* Der Autor ist freier Journalist & Fotograf.

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