Hochtemperaturwerkstoffe Wie Korrosionsbeständigkeit und Schadenstoleranz auch bei hohen Temperaturen bezahlbar werden
Anbieter zum Thema
Wenn es heiß her geht in der Chemie, der Gießerei oder im Kraftwerk versagen viele Werkstoffe und die wenigen beständigen, z.B. keramischen Werkstoffe, die es gibt, sind richtig teuer – Korrosionsbeständigkeit und Schadenstoleranz haben eben ihren Preis. Wie es preisgünstiger und dabei qualitativ hochwertig geht, zeigen Forscher des Fraunhofer-Zentrums für Hochtemperatur-Leichtbau HTL.

Die Frage lautet immer wieder ähnlich: Welche Werkstoffe können genutzt werden, wenn Polymere an ihre Temperaturobergrenze stoßen und Metalle korrodieren? Solche Werkstoffe werden in der Chemie-, der Gießerei sowie der Wärme- und Energietechnik dringend benötigt. Besonders relevant ist der Temperaturbereich zwischen 300 °C und 1000 °C. Kunststoffe werden bei diesen Temperaturen vollständig zerstört. Aggressive Medien, die in Kontakt mit den Konstruktionswerkstoffen kommen, verhindern den Einsatz von Metallen. Manchmal erreichen Metalle auch nicht die im Einsatz geforderte Kriechbeständigkeit. Herkömmliche Keramiken sind zwar temperatur- und korrosionsbeständig. Sie sind aber auch spröde und versagen sobald punktuell die Bruchspannung überschritten wird.
Keramische Werkstoffe lösen viele Herausforderungen...
Längst gibt es eine technisch adäquate Lösung für das Problem: Mit sogenannten CMC (Ceramic Matrix Composites) steht eine Materialklasse zur Verfügung, die vollständig aus Keramik besteht und entsprechend hochtemperatur- und korrosionsbeständig ist. CMC sind aus keramischen Verstärkungsfasern aufgebaut, die in eine keramische Matrix eingebettet sind. Die Wechselwirkung zwischen Fasern und Matrix ermöglicht die Absorption von Bruchenergie und führt zu einem metall-ähnlichen schadenstoleranten Verhalten [1]. Im Vergleich zu Metallen sind CMC zudem leichter und wesentlich kriechbeständiger.
...sind aber deutlich teurer als Metalle
Allerdings liegen die Preise für CMC so hoch, dass bisher nur Spezialanwendungen möglich sind [2]. CMC werden beispielsweise in Gasturbinen eingesetzt, weil damit die Einsatztemperaturen und der Wirkungsgrad der Turbinen gesteigert werden können [3]. Die besonders korrosionsfesten oxidkeramischen CMC können bis zu Temperaturen von 1100 °C genutzt werden, nichtoxidische CMC sogar bis zu 1400 °C.
Reduzierte Herstellkosten ermöglichen Massenanwendungen
Am Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL wurde kürzlich ein neuer Typ von CMC entwickelt, bei dem die Herstellkosten konsequent um Größenordnungen reduziert werden konnten [4]. Diese sogenannten Low Cost CMC sind für Temperaturen bis ca. 800 °C ausgelegt und aufgrund der niedrigeren Herstellkosten auch für Massenanwendungen geeignet. Die Eigenschaften können jeweils an die konkreten Einsatzanforderungen angepasst werden.
Herstellung von Low Cost CMC
Der Schlüssel für die niedrigeren Herstellkosten ist zunächst der Einsatz niedrigpreisiger Verstärkungsfasern aus Basalt, Silikaten oder Kieselglas anstelle der in CMC bisher genutzten hochpreisigen Keramikfasern. Die Faserpreise sinken damit von vielen 100 Euro pro Kilogramm auf wenige zehn Euro pro Kilogramm [4]. Allerdings vertragen Basalt oder Kieselglasfasern keine Temperaturen oberhalb von 1000 °C, so dass ein Langzeiteinsatz nur bis zu Temperaturen von ca. 800 °C möglich ist.
Die Temperaturgrenze hat auch Auswirkungen auf den Herstellprozess der CMC, denn bisher muss die keramische Matrix bei hohen Temperaturen gesintert und verfestigt werden. Ein wichtiger Entwicklungsschritt war somit die Substitution der bisherigen Keramikmatrix durch kostengünstige Alternativen, die bereits bei Temperaturen unter 1000 ° C eine ausreichende Festigkeit entwickeln.
Automatisierung senkt Kosten
Entscheidend für die Kostensenkung ist außerdem die Automatisierung der CMC-Fertigung, die bisher oft manuelle Zwischenschritte beinhaltet. Am HTL werden vollautomatische textile Verfahren genutzt, um Halbzeuge aus den Basalt-, Silikat- oder Kieselglasfasern herzustellen. Dabei können die textilen Preformen auch bereits so ausgelegt werden, dass die Herstellung komplexer Bauteile ermöglicht wird. Beispielsweise können mittels einer modernen Doppelgreifer-Webmaschine (Bild 1) 3D-Gewebe mit Verzweigungen und Taschen erzeugt werden, die mehrere Einzelkomponenten integrieren und späteren Montageaufwand einsparen [5].
Die Matrix wird dann als Schlicker in die textilen Preformen eingebracht. Hier haben sich beispielsweise Wickel- und Prepregtechnologien bewährt, weil diese ebenfalls vollautomatisch durchführbar sind. Die Aushärtung der Matrix erfolgt kostengünstig bei Temperaturen unter 1000 °C an Luft.
Auslegung und Prüfung von Low Cost CMC
Die Auslegung von Bauteilen aus Low Cost CMC erfolgt am HTL mittels Finite Elemente-Verfahren. Neben den mechanischen Belastungen werden auch die thermomechanischen Lasten im Hochtemperatur-Einsatz simuliert. Die orthotropen Materialeigenschaften der CMC werden in den Werkstoffmodellen berücksichtigt und können direkt im Hinblick auf eine lastgerechte Faseranordnung optimiert werden [5]. Die mechanische Prüfung der CMC erfolgt nach Standardverfahren: Zugfestigkeit und Biegefestigkeit nach ASTM C1359 bzw. ASTM C1341, interlaminare Scherfestigkeit nach DIN EN 658-5 bzw. DIN EN ISO 14130. Typische Werte für die Biegebruchfestigkeit sind 40 bis 60 Megapascal. Die Homogenität von Prepregs wird nach EN2557 bestimmt. Sie ist besser als fünf Prozent. Mögliche Herstellfehler werden mit zerstörungsfreien Prüfverfahren detektiert [6]. Für die 3D-Analyse ist die Computertomografie (CT) geeignet (Bild 2); für die Analyse flächiger Bauteile eignet sich z.B. auch die Ultraschallanalyse.
Anwendungsbeispiele für Low Cost CMC
Im Rahmen des Verbundprojekts Bamox wurde ein Low Cost CMC für den Aluminiumguss entwickelt. Projektpartner waren die TU Chemnitz sowie die Firmen Inova Ceram und Metallgießerei Chemnitz. Das CMC basiert auf Basaltfasern, die in eine Geopolymer-Matrix eingebettet werden, und wird als GMC bezeichnet. Es dient zur Auskleidung von Handgießtiegeln und Gießtrichtern. Zusätzlich zu den mechanischen Eigenschaften wurden auch die tribologischen Eigenschaften optimiert. Das Langzeitverhalten des GMC wird im realen Gießprozess erprobt (Bild 3). Für das automatische Einbringen der Matrix wurde an der TU Chemnitz ein Gießprozess erprobt. Mittelfristig sollen die GMC auch für Kastenbeschicker und Gießrinnen beim Aluminiumguss verwendet werden.
Im Rahmen eines anderen Verbundprojekts, Faro, wurden CMC für die Versteifung von Stahlrohren entwickelt (Bild 4), die bei hohen Temperaturen in Dampfkraftwerken eingesetzt werden und einem Innendruck von ca. 350 bar ausgesetzt sind.
Als Fasermaterial kommen Mullit, Aluminiumoxid, Basalt, Silikate oder Kieselglas in Frage. Als Matrix wurden Polysiloxane, Polycarbosilane und Polysilazane getestet, die bei Temperaturen unter 800 ° C eingebrannt wurden. Projektpartner waren Schunk Kohlenstofftechnik, Bilfinger Piping Technologies, TÜV Süd Industrie Service, Grosskraftwerk Mannheim, Technion – Israel Institute of Technology, Materialprüfungsanstalt Stuttgart und die Universität Bayreuth.
Bei Einsatztemperaturen um 650 °C und dem hohen Innendruck setzt bei den Stahlrohren tertiäres Kriechen ein, das die Lebensdauer begrenzt. Die Ummantelung der Rohre mit dem kriechfesten CMC verhindert dieses Kriechen, wie bereits im Langzeittest nachgewiesen wurde. In diesem Fall erwies sich die Wickeltechnik mittels eines speziell konstruierten Roboters als am besten geeignet, um die Herstellung zu automatisieren [7].
Ein weiteres sehr interessantes Einsatzgebiet für Low Cost CMC wird mit dem im Januar 2022 begonnenen Projekt „F@NEUTRON“ eröffnet. Hier sollen CMC als Brandschutzabschirmung des Antriebsraums von Hubschraubern, der sogenannten Firewall, entwickelt werden.
Neben der Temperaturbeständigkeit im Brandfall und der mechanischen Festigkeit soll das Bauteil hervorragende thermische Isolationseigenschaften vereinen.
Das Werkstoffkonzept eignet sich auch für weitere Anwendungen, bei denen geringes Gewicht, hohe Feuerstandfestigkeit und gute mechanische Festigkeiten erforderlich sind. Beispiele sind die Einhausung von Lithium-Ionen-Batterien oder auch die Feuer- und Berstschutzumhausung von Fluggasturbinen.
Danksagung
Die Autoren bedanken sich für finanzielle Unterstützung des Verbundprojekts FaRo (FKZ 03ET7029C) beim Projekträger Jülich (PtJ) des BMWi, des Verbundprojekts BaMox (FKZ 16KN091322) bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen (AiF), des Verbundprojekts F@NEUTRON (FKZ 20M2114D) beim Projektträger DLR sowie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Quellen
[1] Raether, F.: Ceramic Matrix Composites - an Alternative for Challanging Construction Tasks. Ceramic Applications. 2013, 1, pp. 45-49.
[2] Nöth, A.: Rüdinger, A.; Pritzkow, W.: Oxide Ceramic Matrix Composites - Manufacturing, Machining, Properties and Industrial Applications. Ceramic Applications. 2015, 3, pp. 48-54.
[3] Steibel, J.: Ceramic matrix composites taking flight at GE Aviation, American Ceramic Society Bulletin, Vol. 98, No. 3, 2019.
[4] Vierhaus, P.; Schmidt, J.; Rüdinger, A.; Maier, J.: Low-Cost Ceramic Matrix Composites for Applications at Intermediate Temperatures, Refractories Worldforum, 2/2021, S. 20-24.
[5] Grosch, S.; Ficker, F.: Uisng 3D weaving for additive manufacturing of ceramic preforms. Ceramic Applications. 2022, 2, pp. 62-65
[6] Seifert, G.; Hausherr, J. M.: Monitoring and Assessment of the Effect of Defects in Ceramics. Ceramic Forum International. 2020, Vols. 7-8, pp. 37-40.
[7] Eckardt, C.; Friedrich, M.; Wamser, T.; Wolff, N.; Metzger, K.: Faserverstärkte Keramik-Armierungen für den Rohrleitungsbau: Gut gerüstet gegen Druck und Hitze. Chemie Technik. 2019, April.
(ID:48441092)