China Market Insider Wie die Chinesische Chemieindustrie vom 5G-Boom profitieren will

Von Henrik Bork

Anbieter zum Thema

Welche Sektoren der chemischen Industrie in China bieten die größten Wachstumschancen? Wer dieser Frage nachgeht, kommt früher oder später mit einer Idee in Kontakt, von der in China viele Menschen geradezu besessen sind. „Überholen in der Kurve“ heißt diese Idee. Was das bedeutet und warum Chinas Chemieindustrie auf den 5G-Boom hofft, weiß der China Market Insider.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – Überholen in der Kurve – damit ist Folgendes gemeint: Während Chinas Wirtschaft in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist, werden viele Hochtechnologien noch immer von internationalen Großkonzernen im Ausland dominiert. Halbleiter sind da ein gutes Beispiel. Während in China mehr als die Hälfte des globalen Angebots an Halbleitern verbaut wird – in Autos, Handys oder elektronischen Geräten aller Art – müssen die fortschrittlichsten Computerchips im 5-Nanometer-Bereich immer noch aus dem Ausland nach China importiert werden.

Nur wo gerade völlig neue Zukunftstechnologien zum Durchbruch gelangen, wo gerade ein Industriezweig revolutioniert wird, da gibt es eine Chance für China „in der Kurve zu überholen“ – so denken viele chinesische Manager und Politiker. Anstatt ein jahrelanges, aussichtsloses „Catch-up“ mit den Ausländern zu spielen, sollte sich China an die Spitze neuer technologischer Entwicklungen stellen. Während alle die Richtung ändern, zieht China wie ein geschickter Formel-1-Fahrer in der Innenkurve an ihnen vorbei – so die Hoffnung.

5G startet in China richtig durch

Eine solche Technologie ist aus Pekinger Sicht 5G. Bemüht, im Bereich Telekommunikation „in der Kurve zu überholen“, wird in China derzeit mehr in den Ausbau des 5G-Netzes investiert als irgendwo sonst auf dem Erdball. Bis Mitte 2020 hatte China bereits 700.000 neue 5G-Makro-Basisstationen aufgestellt. Bis zu sechs Millionen könnten es insgesamt werden. Mindestens 90 Millionen Nutzer sind bereits mit 5G-Dienstleistungen versorgt – und ein paar Hundert Millionen dürften es da wohl werden.

Dieser gerade begonnene 5G-Boom eröffnet dem Markt für 5G-Materialien in China außergewöhnliche Entwicklungschancen, berichtet PROCESS (China). Im Jahr 2020 habe die 5G-Industrie in China die Phase massenhafter Anwendung erreicht, schreibt die Fachredaktion für die chemische Industrie und zitiert einen Marktbericht von Roland Berger in China. „5G-Materialien sind heiß”, sagt der chinesische Ableger der deutschen Unternehmensberatung voraus.

Die höheren Übertragungs-Geschwindigkeiten in den neuen 5G-Netzen versprechen nicht bloß eine neue industrielle Revolution in Bereichen wie IOT, Livestreaming über mobile Geräte oder beim autonomen Fahren. Diese neuen Technologien erfordern auch neue, bessere Anwendungen in den Bereichen Signalübertragung und Wärmemanagement.

In den 5G-Sendern zum Beispiel, die bis zu 100-fach höhere Übertragungsgeschwindigkeiten ermöglichen, entstehen auch ganz neue Herausforderungen an die Hochfrequenz-Interferenz. Man braucht neue, besonders verlustarme Materialien. Ähnliches gilt für die Antennen in den neuen 5G-Handys. Zwischen sechs und neun, in manchen Fällen sogar mehr als zehn Antennen müssen in immer kompakteren Endgeräten untergebracht werden, in denen der Bildschirm immer größer wird.

Chinas Chemiebranche wittert Morgenluft

In der chemischen Industrie Chinas sehen Marktbeobachter daher gerade neue Wachstumschancen für hocheffiziente Plastikmaterialien wie etwa Materialien aus Polycarbonat oder Doppeleinspritzungs-Gummierungen, die mit den neuen 5G-Anforderungen fertig werden. Das Fachportal China Plas Online sieht in diesem Markt die BASF, Dupont, Sabic, Covestro, Sumitomo Chemical, Lotte, Fanuc, sowie die Chemiekonzerne Haitian International, Guangdong Yizumi, Chen Hsong und Changzhou Jwell bestens positioniert.

Ein Beispiel für die neuen „5G-Materialien“ ist das von manchen chinesischen Ingenieuren als „König aller Plastikmaterialien“ bezeichnete Polytetrafluoroethylen (PTFE). Ihm wird ein besonders großer Nachfrage-Boom in China vorhergesagt. „PTFE wird dank seiner herausragenden physikalischen und chemischen Eigenschaften neue Marktchancen erhalten und seinen Herstellern Wachstum bescheren, während sich die 5G-Industrie entwickelt”, schreibt das chinesische Fachmedium CN Chemicals.

PTFE ist ein Fluoropolymer mit besonders guter Wärmeisolation, sei besonders korrosionsresistent, schwer entflammbar, von hoher optischer Transparenz und gleichzeitig besonders wasserabweisend – alles Eigenschaften die für die neuen Hochleistungs-Handys und Basisstationen in einer voll vernetzten 5G-Welt händeringend gesucht werden.

PTFE komme zunehmend in Hochfrequenz-Kupferplatten, Doppeladern für Radiofrequenzen, für Antennenfilter in Basisstationen und anderen Komponenten von 5G-Netzwerken zum Einsatz, schreibt CN Chemicals. Außerdem werde das Material für die neuesten „trockenen“ Powerbatterie-Anwendungen von Tesla und anderen E-Auto-Herstellern gebraucht.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Auch hier ergeben sich mittelfristig gute bis hervorragende Absatzchancen für ausländische Chemiekonzerne wie Dupont, Arkema oder die japanischen Firmen Daikin, AGC und Kureha Ecology Management, sagen Insider. China produziere momentan zwar bereits 40 Prozent des weltweit erzeugten PTFE, aber vor allem Material relativ niedriger Qualität. Der Marktführer in China, die Dongyue Chem Group, habe allein einen Marktanteil von einem Drittel, schreibt das Qianzhan-Institut für Industrieforschung in Peking. Das PTFE mit hoher Qualität für Spezialanwendungen hingegen wird noch zum größten Teil importiert. Im vergangenen Jahr seien in China 160.000 Tonnen PTFE produziert worden, heißt es in der Qianzhan-Studie weiter. „Die Nachfrage nach PTFE wird in der Zukunft weiter zunehmen“, sagen daher auch die Qianzhan-Analysten voraus.

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

(ID:47156954)