Impfstoffproduktion Teil 3 Wer tritt Emil von Behrings Erbe an?
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Wie deutsche Pharma- und Biotechparks von der Produktion der Corona-Impfstoffe profitieren: Seit Biontech in den Behringwerken in Marburg seinen neuen Covid-19-Impfstoff Cormirnaty herstellt, ruhen große Hoffnungen auf dem traditionsreichen Standort. Aber auch andere deutsche Biotech-Standorte bringen sich in Stellung. Momentan wetteifern Marburg und Dessau um die Spitzenposition.

Deutschland kann Impfstoffforschung, das zeigt der schnelle Erfolg des Biontech-Impfstoffes. Doch wie sieht es mit der Impfstoffproduktion aus? Kann Deutschland an die alten Zeiten anknüpfen, als Emil von Behring den Medizin-Nobelpreis bekam und die Welt mit Diphterie- und Tetanusseren belieferte?
Pharmaexperten halten das durchaus für möglich. Deutschland verfüge über eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Industrie sowie eine leistungsfähige Infrastruktur von Logistikern, Anlagenbauern, Komponentenherstellern und hochspezialisierten Dienstleistern, sagt Peter Michael Weimar, Geschäftsführer von Pharmaserv, dem Betreiber der Behringwerke in Marburg.
Tatsächlich haben die Impfstoffentwickler – allen voran Biontech – in beeindruckender Geschwindigkeit ein Netzwerk an Produktionen an den unterschiedlichsten Standorten aus dem Boden gestampft. Von Reinbek im Norden bis Illertissen im Süden der Republik verteilen sich die 13 Fabriken, in denen die lebensrettenden Substanzen produziert und abgefüllt werden – allein sieben davon arbeiten für die Biontech/Pfizer-Kooperation. Der Rest verteilt sich auf Johnson&Johnson und den Astra Zeneca-Impfstoff.
Impfstoffproduktion hat in Deutschland Tradition
Das hessische Marburg spielt dabei zumindest für Biontech die erste Geige. Hier hat das Unternehmen die wichtigsten Schritte der Impfstoffproduktion platziert: die Herstellung der Boten-RNA, Aufbereitung und -konzentration sowie die Formulierung mit den lipiden Nanopartikeln. Abgefüllt wird andernorts, z. B. in Halle durch Baxter und demnächst bei Sanofi in Frankfurt.
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Impfstoffproduktion Teil 1
Warum Hersteller von Abfüllanlagen gerade schlaflose Nächte haben
Der von Pharmaserv betriebene Pharmapark hat eine lange Tradition in der Impfstoffherstellung und trägt mit Stolz den Namen des Nobelpreisträgers und Gründers Emil von Behring: Seit 1904 wird hier Impfstoffproduktion betrieben. Und auch heute noch verlassen jährlich mehrere Millionen Impfdosen das Fabrikgelände. Wichtiges Standortunternehmen ist GSK, das Impfstoffe gegen FSME, Tollwut, Tetanus, u. a. herstellt. Auch Novartis, CSL Behring und Siemens produzieren in Marburg. Getrieben durch die Anforderungen der hochspezialisierten Produktionsverfahren hat sich der Standort über die Jahre zu einem modernen Bio-Tech-Center entwickelt.
Nun ist also Biontech als prestige- und zukunftsträchtiges Unternehmen dazu gekommen. Als die Mainzer Mitte Dezember 2020 ankündigten, in der gerade erstandenen GMP-zertifizierten Produktionsanlage von Novartis ihren neuen Corona-Impfstoff produzieren zu wollen, war die Freude in Marburg groß. Man wolle „die Geschichte des Standorts, der ursprünglich von Emil von Behring gegründet wurde, fortschreiben“, äußerte sich Biontech-CEO Ugur Sahin in einem Interview.
Die Umrüstung auf die Vakzineproduktion absolvierte man in Rekordzeit. Den Start der ersten Produktionschargen Anfang Februar und die Single-Use-Reaktoren zeigt ein kurzes Video auf Linkedin. Mittlerweile sind die neuen Anlagen betriebsbereit und Marburg mit einer jährlichen Produktionskapazität von bis zu 750 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs Cormirnaty eine der größten mRNA-Produktionsstätten in Europa.
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Impfstoffproduktion Teil 2
Covid-19-Impfstoff – warum bei den Rohstoff-Herstellern die Kasse klingelt
Eine gewichtige Rolle in der deutschen Impfstoffproduktion will auch IDT-Chef Jürgen Betzing spielen. Schließlich blickt man in Dessau ebenfalls auf 100 Jahre Impfstofftradition zurück. Erst 2019 hat das Unternehmen im Bio Pharma Park Dessau-Roßlau neue Produktionsgebäude eingeweiht, die Unternehmensangaben zufolge schon jetzt zur Hälfte ausgelastet seien. Und im Februar dieses Jahres verkündete Betzing mit einem dreistelligen Millionenbetrag weitere Kapazitäten aufbauen zu wollen, um u. a. bis zu fünf 2.000- Liter-Bioreaktoren zu installieren. Darin könnten mittelfristig pro Monat mehrere zehn Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs von Astra Zeneca produziert werden. IDT Biologika werde damit über die größten Kapazitäten dieser Art in Europa verfügen. Die neuen Anlagen sollen voraussichtlich Ende 2022 in Betrieb gehen. Inzwischen lässt Astra Zeneca Chargen seines Impfstoffes in Dessau abfüllen. Geplant sei ein Volumen von mindestens zehn Millionen Impfdosen. Auch Johnson&Johnson setzt für Abfüllung auf IDT angeklopft, die ersten Dosen des Impfstoffs wurden im April ausgeliefert. Weitere Unternehmen werden sicher folgen und dann hat IDT noch einen eigenen Impfstoff in der Entwicklung. Nach einer Verzögerung geht dieses Projekt nun im Mai in die klinische Phase. Deutschland scheint also nicht schlecht aufgestellt, bei der Impfstoffproduktion in der obersten Liga zu spielen.
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