Ungenutztes Potenzial Weltweites M&A-Volumen der Pharmabranche steigt 2018 nur leicht
Die Pharmaunternehmen sind 2018 auf dem Transaktionsmarkt deutlich hinter ihren Möglichkeiten geblieben, urteilt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young in einer aktuellen Studie. Zwar sei das M&A-Volumen im Vergleich zum Vorjahr um 11 % auf 113 Milliarden Euro gestiegen. Allerdings lag die Summe immer noch etwa 79 Milliarden Euro unter den Beträgen, die in den Jahren 2014 bis 2016 durchschnittlich in den Bereich investiert wurden.
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Stuttgart – Laut Ernst & Young wären die Unternehmen durchaus zu mehr in der Lage gewesen. Die Mittel, die Unternehmen für Zukäufe mobilisieren können betrug mehr als 1 Billionen Euro. Davon seien allerdings gerade einmal 16 % genutzt worden. 2014 investierten die Unternehmen noch 27 % der zur Verfügung stehenden Mittel für Fusionen und Übernahmen.
Als Grund für die Zurückhaltung geben die Unternehmensverantwortlichen in erster Linie die hohen Preise an, die mittlerweile für Übernahmekandidaten aufgerufen werden. Als zweithäufigster Grund werden die weltweiten geo- und handelspolitischen Unsicherheiten genannt. 2018 konzentrierten sich die Pharmakonzerne eher auf kleinere Deals – mit Ausnahme der 54 Milliarden Euro teuren, noch nicht abgeschlossenen Übernahme von Shire durch Takeda.
Für die Studie wurden Finanzdaten der größten Pharma-, Biotech- und Specialty Pharma-Unternehmen untersucht. Der „Firepower Index“ misst die Kaufkraft von Biotech- und Pharma-Unternehmen bei M&A-Transaktionen auf der Grundlage ihrer Marktkapitalisierung, Barmittelwerte sowie Verschuldungsfähigkeit.
Gerd Stürz, Leiter des Bereiches Life Sciences bei EY, kommentiert, dass die Branche insgesamt in Lauerstellung verharre. Viele Deals kämen auch deswegen nicht zustande, weil die Unternehmensbewertungen derzeit sehr hoch sind und die weltweiten Unsicherheiten als zu großes Risiko betrachtet würden. Sollte der Handelsstreit zwischen den USA und China beigelegt oder ein wirtschaftsfreundlicher Ausweg beim Brexit gefunden werden, dürfte auch die Bereitschaft zu Investitionen wieder steigen, so der Bereichsleiter. Siegfried Bialojan, Leiter des EY Life Science Center in Mannheim, ist erstaunt über die branchenweite Zurückhaltung: Die Erwartungshaltung im Markt wäre eigentlich, dass die Pharmabranche verstärkt auf Fusionen und Übernahmen setzte. Schließlich unterlägen die Unternehmen einem starken Druck zur Veränderung durch die Digitalisierung und neue Wettbewerber, die in den Markt drängten. Das dazu notwendige Know-how könnten sie nicht ausschließlich intern aufbauen. Sie müssten es sich auch über Akquisitionen von außen ins Unternehmen holen.
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Merger & Acquisitions
M&A-Blockbuster-Jahr für Life-Science-Industrie
Viele Unternehmen wollen 2019 mehr Zukäufe tätigen
Tatsächlich wollen 42 % der für die Studie befragten Unternehmen im laufenden Jahr mehr Zukäufe tätigen als 2018. Die Schwierigkeit dabei: Die großen Technologiekonzerne investieren derzeit massiv in den Gesundheitsmarkt und treiben die Preise. Und sie besitzen deutlich mehr Mittel: Während die gesamte Life-Science-Branche auf eine Firepower in Höhe von einer Billion Euro kommt, steht allein den zehn größten Technologiekonzernen knapp 0,9 Billion Euro mehr zur Verfügung.
Zumindest bei den digitalen Geschäftsmodellen haben sie in der Regel einen Wissensvorsprung gegenüber den Life-Science-Unternehmen. Deswegen muss die Pharmabranche nach Ansicht des Beratungsunternehmens deutlich digitaler werden. Das Sammeln und Auswerten von Daten über Big-Data-Systeme sowie das Internet der Dinge veränderten die gesamte Wertschöpfung. Das Ziel vieler Unternehmen sei es deshalb, Gesundheitsplattformen aufzubauen, die sich auf den Kunden fokussieren. Am Ende könnten davon alle profitieren: Die Unternehmen erschließen sich neue Umsatzquellen und sparen durch eine bessere Datenlage Geld. Die Patienten erhalten effektivere und individueller auf sie zugeschnittene Produkte.

Fokussierung der Geschäftsmodelle begünstigt Desinvestitionen
Belebend auf die weitere Entwicklung des Transaktionsmarktes dürfte sich zudem auswirken, dass sich zahlreiche Unternehmen stärker auf bestimmte Therapien fokussieren und daher nicht benötigte Unternehmensteile abgeben wollen. Betriebswirtschaftlich scheint das auch Sinn zu ergeben: Laut einer Analyse der 25 größten Biopharma-Konzerne haben sich die zehn stärker fokussierten Unternehmen – also Anbieter, die mindestens 50 % ihrer Umsätze mit einem einzigen Therapiefeld erwirtschaften – besser entwickelt als die 15 weniger fokussierten Konzerne.
Hinzu kommt, dass der Pharmamarkt stark fragmentiert ist: Es gibt kein einziges Unternehmen, das mehr als 5 % der Gesamtumsätze auf sich vereint. Unternehmen könnten sich daher durch Zukäufe in bestimmten Therapiegebieten schnell eine dominante Position aufbauen. Bialojan erwartet, dass die Pharmaunternehmen 2019 für Übernahmen oder Fusionen offen sein werden. Dadurch könnten sie ihr Engagement in bestimmten Therapiegebieten ausbauen und sich durch Größe Wettbewerbsvorteile verschaffen. Oder sie könnten sich entsprechendes Know-how an Bord holen, um neue Geschäftsmodelle aufzubauen.
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