Alternative Gas-Quellen Wasserstoff aus Grünstrom, Bio- oder Müll: Woher soll das Gas für morgen kommen?
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Ohne Gas geht nichts - aber woher nehmen, wenn die Ostseepiplines zerstört sind und Russland als verlässlicher Partner ausfällt? Wasserstoff könnte eine Lösung sein - und der lässt sich nicht nur aus Elektrolysestrom gewinnen. Das sagt zumindest das TZ Energie - und bringt gleich einen Atlas der alternativen Rohstoffquellen an den Start...

Ohne Gas geht es nicht - auch wenn nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Russland als zuverlässigen Wirtschaftspartner auf absehbare Zeit ausfällt. Spätestens nach dem doppelten Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist die Suche nach Alternativen für russisches Erdgas eine Lebensnotwendigkeit für Deutschland und Europa.
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Daran arbeiten etwa die Forscherinnen und Forscher des Technologiezentrums Energie (TZ Energie) in ihrem "Labor für Grüne Gase": Im Rahmen des EU-Projekt „Danup-2-Gas“ sollen so Daten zum Potential von Biomethan sowie grünem Wasserstoff gesammelt und Tools zur "Unterstützung von Investitionsentscheidungen in grüne Gastechnologien im Donauraum" entwickelt werden.
In der 2018 gegründeten Einrichtung arbeitet ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Raimund Brotsack an der Entwicklung und Optimierung der biologischen Verfahrenstechnik, in denen mithilfe von Mikroorganismen als Katalysatoren biologische Rest- und Abfallstoffe (wie etwa Klärschlamm und Biomüll) in erneuerbares Biomethan umgewandelt werden kann.
Mit Wasserstoff gegen die Erdgas-Knappheit
„Angesichts der brisanten politischen Situation ist unsere Forschung relevanter denn je“, erklärt Prof. Brotsack. Der Vorteil der Technologie liege darin, dass die vorhandene europäische Gasinfrastruktur für Transport und Verteilung des Biomethans genutzt werden kann, da dieses die gleichen Eigenschaften wie fossiles Erdgas aufweist. Durch den Einsatz von biogenen Rest- und Abfallstoffen entsteht zudem keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
Die Alternative zu biogenem Methan ist aus Sicht des TZ Energie - wie könnte es anders sein - grüner Wasserstoff, also mittel Wasserelektrolyse mittels emissionsneutralem Strom gewonnenes Gas. Doch auch Methan und Biogas können als Wasserstoffquellen genutzt werden: Durch die Methanpyrolyse, also das Zerlegen von Methan in Wasserstoff und elementaren Kohlenstoff, der als Feststoff ähnlich einer Art Aktivkohle anfällt, entsteht der sogenannte "türkise" Wasserstoff.
Grün oder Türkis? Die H2-Farbenlehre am TZ Energie
Da der Kohlenstoff als Feststoff ausfällt, ist das Gas selbst CO2-neutral und, wie Prof. Brotsack betont, die richtigen Rohstoffe vorausgesetzt, sogar eine CO2-Senke: „Durch die Pyrolyse von Biomethan können wir sogar CO2-negativen grünen Wasserstoff gewinnen, da der abgespaltene Kohlenstoff vorher durch die Pflanzen aus der Atmosphäre gebunden wurde“, so Prof. Brotsack.
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Doch das sind längst nicht alle Möglichkeiten, biogenes H2 zu gewinnen, sind die Forscherinnen und Forscher sicher: So könnte mittels "biologischen" Wasser-Gas-Shift wird Wasserstoff direkt aus biogenen Rest- und Abfallstoffen gewonnen werden. Im Gegensatz zur etablierten Methode des chemisch-katalytischen Wasser-Gas-Shifts benötigt das biologische Verfahren deutlich geringere Temperaturen, sodass sich Kosten bei der Wasserstoffproduktion senken lassen.
Wasserstoff aus Abfall: Energie aus Plastikmüll?
Eine weitere "nachhaltige" Wasserstoffquelle könnte auch (nicht-biogener) Abfall, etwa Tetra-Packs, nicht recyclebare Kunststoffabfälle oder sogar alte Autoreifen sein - immerhin sind die verwendeten Polymere ja auch Kohlenwasserstoffe. Damit, so hofft man am TZ Energie, könnten diese Altkunststoffe endlich stofflich genutzt und nicht bloß einfach verbrannt werden.
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Wasserstoff - egal ob Elektrolysegas, biogen oder türkis - ist ein zentraler Baustein fast jedes Defossilierungsszennarios. Warum dauert dann die Umsetzung konkreter Großanlagenbau-Projekte so lange? Ein Grund ist sicher, dass häufig Daten über große Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff oder Biomethan fehlen, meinen die Forscherinnen und Forscher. Daher arbeiten im Projekt „Danup-2-Gas“ 14 Partner aus zehn Ländern des Donauraums unter Leitung des TZ Energie daran, diese Lücke zu schließen. Das Projektvolumen von zweieinhalb Millionen Euro wird zum Teil durch die EU, genauer dem Europäischer Fonds für regionale Entwicklung EFRE und dem Instrument für Heranführungshilfe (IPA) finanziert.
Konkrete Entscheidungshilfe und fundierte H2-Infos
So sammeln die Projektpartner Daten zu biogenen Reststoffvorkommen genauso wie über Kapazitäten zur Produktion von erneuerbarem Strom in ihren Regionen. Diese werden Stakeholdern in einem online zugänglichen Atlas zur Verfügung gestellt. Und nicht nur das: Ein Optimierungstool nutzt das gewonnene Wissen, um etwa für einen bestimmten Standort zu berechnen, wie eine Anlage designt werden muss, um wirtschaftlich tragbar zu sein.
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Konkret soll das Tool Größe und Betriebsmodi verschiedener Komponenten und die Laufzeit liefern, in der sich die Investitionen amortisieren, erklären die Projektverantwortlichen. Stakeholder können auch eigene Daten eintragen. Ziel ist es, Investoren dabei zu unterstützen, eine erste Einschätzung zu erhalten, an welchem Standort welches Anlagenkonzept tragfähig ist, um darauf aufbauend eine detaillierte Anlagenplanung durchführen zu können.
Doch auch die regulatorische Seite kommt nicht zu kurz: So liefert Danup-2-Gas eine Übersicht über die rechtlichen Regelungen für solche Projekte. Die Partner identifizieren regulatorische Hindernisse für den wirtschaftlichen Betrieb von Technologien zur Produktion von grünem Wasserstoff und Biomethan und leiten daraus Empfehlungen für die Politik ab.
Aus Sicht von Prof. Brotsack ist das lediglich ein Anfang: So planen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am TZ Energie bereits weitere nationale und internationale Projekte, um den Ausbau von grünen Technologien zur Substitution von fossilem Erdgas und Erdöl voranzutreiben - denn eigene unabhängige, stabile und bezahlbare Energieversorgung ist und bleibt von zentraler Bedeutung für Haushalte und Industrie. (dst)
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