Digitales Lernen So lernt man heute: Mit der App zum Tablettierspezialisten werden

Von Anke Geipel-Kern

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Für die Schulung 100 Seiten lange Manuals durchforsten, das war gestern. Heute lernt man spielerisch, didaktisch aufbereitet und interaktiv. Wie eine digitale Lern-App die Schulung der Mitarbeiter in der Tablettenproduktion einfacher macht.

Auch digital kann man „begreifen“ lernen
Auch digital kann man „begreifen“ lernen
(Bild: Fette Compacting)

Tablettenpressen sind komplizierte Maschinen. Es braucht Jahre, bis die Handgriffe zum Matrizentausch oder dem Wechsel der Fülleinheit sitzen – neue Mitarbeiter müssen viele Stunden lang Manuals studieren und erfahrenen Kollegen bei der Umrüstung über die Schulter schauen. Nicht umsonst gibt es in jedem Unternehmen Spezialisten, die sich permanent auf dem Laufenden halten zu den Entwicklungen „ihres“ Pressenherstellers.

In den letzten Jahren sind außerdem gut ausbildete Pharmakanten Mangelware geworden, und viele Neulinge haben vor dem Einstieg in die Pharmaproduktion zwar einen technischen Beruf gelernt, aber in einer völlig anderen Branche. Schulungen müssen also nicht nur Technik, sondern auch Pharmabasics vermitteln und das mit möglichst großem Lernerfolg.

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Doch solche Maßnahmen aufzusetzen, scheint gar nicht so einfach zu sein, erfuhren die Spezialisten von Fette Compacting, als sie eine Umfrage starteten, mit dem Ziel herauszufinden, wo den Produzenten der Schuh drückt.

Erster Schritt: Herausfinden, wo der Kunde Schmerzen hat

Britta von Selchow, Head of OSDi Digital Solutions Fette Compacting
Britta von Selchow, Head of OSDi Digital Solutions Fette Compacting
(Bild: Fette Compacting)

„Einer der am meisten genannten Punkte unserer Kundeninterviews war, dass es nicht nur schwierig ist Personal zu finden, sondern auch, dieses richtig einzuarbeiten,“ erzählt Britta von Selchow, Head of OSDi Digital Solutions . Trotz aller Bemühungen, schien es ein schwieriges Unterfangen zu sein, die neuen Kollegen an den Tablettenpressen zu schulen und einzuarbeiten. Aber auch erfahrene Maschinenfahrer mit neuen digitalen Inhalten vertraut zu machen, ist nicht ganz einfach. Jede Pharmafirma ging das Thema etwas anders an – so richtig zufrieden war keine mit dem Schulungsergebnis.

„Unser Vorschlag war daher, eine digitale Trainingsplattform mit allen Lerninhalten zu entwickeln“, erklärt von Selchow den Start des Projekts Lern-App „alva“. Und zwar mit den Kunden zusammen – denn für Digitalisierungsprodukte geht Fette Compacting einen für Maschinenbauer eher ungewöhnlichen Weg.

Agile Projektentwicklung gemeinsam mit dem Kunden

Britta von Selchow ist seit 2019 für die Entwicklung digitaler Lösungen bei Fette Compacting verantwortlich und setzt dabei auf den „Design Thinking“-Ansatz. Für Silicon Valley-Fans ist das nichts neues. Von hier aus machte die Idee, den Kunden von Anfang an in die Produktentwicklung einzubeziehen, Schule und ist heute Teil der agilen Vorgehensweise in der Softwareentwicklung.

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Der neue Geschäftsbereich OSDI stellt sich vor

Mehr Effizienz für die Solidaproduktion durch einfache, digitale Tools. Diese Aufgabe hat sich der junge Geschäftsbereich OSDi (Oral Solid Dosage und Digitalisierung) von Fette Compacting zu eigen gemacht. Dafür entwickelt er verschiedene Softwareangebote für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Die Apps unterstützen beim Troubleshooting, vermitteln umfangreiches Wissen zu Bauteilen und Funktionsweisen oder ermöglichen einen mobilen Zugriff auf alle Maschinendaten.

Übergeordnetes Ziel der Softwarelösungen ist es, den Produktionsfirmen agileres Handeln zu ermöglichen, um auch besser auf veränderte Produktionsbedingungen reagieren zu können. Dabei sollen die Produkte perfekt auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sein. Das erzielt das OSDi-Team, in dem es selbst agil arbeitet: Die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden sind von vornherein Grundlage für die Entwicklung der Softwarelösungen. Die Tools selbst werden dann in Sprints (kurzen Programmierphasen) entwickelt. Funktionsfähige Prototypen gehen direkt an die Kunden, um Feedback einzuholen und das Produkt damit anschließend weiterzuentwickeln.

Maschinenbauer setzen dieses Konzept bisher eher selten ein. Der zeitliche Aufwand für die Kundeninterviews ist hoch und die Entwickler brauchen eine völlig andere Herangehensweise und neues Verständnis des Entwicklungsprozesses. „Wir haben in der Anfangsphase der Entwicklung mit 25 Kunden weltweit regelmäßig gesprochen und in der Testphase mit neun Kunden zusammengearbeitet und in einem Turnus von drei Wochen die Ergebnisse besprochen,“ erzählt von Selchow. Auf der Basis wurde dann weiter gearbeitet.

Das Konzept bedarf also auch eines neuen, kommunikativen Entwicklertypus – Techniker, die gerne im stillen Kämmerlein werkeln und dann der staunenden Öffentlichkeit ihr Werk präsentieren werden mit der agilen Arbeitsweise, die in Sprints denkt und nicht in Projektmeilensteinen, fremdeln. „In der agilen Projektentwicklung ist man niemals fertig. Auch unsere App wird stetig mit neuen Inhalten ausgestattet, um den Bedürfnissen der Kunden noch besser nach kommen zu können,“ erklärt die Digitalspezialistin.

Keine brauchbare Lernplattform am Markt

Eine der ersten Erkenntnisse über die Kundenbedürfnisses überraschte das Team: Die Zielgruppe ist wenig digital affin und die Lernplattformen auf dem Markt sind nicht geeignet für Maschinentraining. Also entwickelte und programmierte man eine eigene Plattform, die jetzt nach und nach mit Lerninhalten befüllt wird.

Als erstes Modul nahmen sich die Entwickler die Fill-O-Matic vor, ein Modul, das in ähnlicher Form in jeder Presse vorkommt, erstellten Fotos, 3-D-Zeichnungen, Animationen, Texte und viele weitere Lehrinhalte. Die Kunst der pädagogisch geschulten Trainer ist es dabei, zu entscheiden, wie die Lehrinhalte didaktisch aufbereitet werden, damit möglich viel Wissen im Gedächtnis bleibt.

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Die Lerninhalte sind in verschiedene Module aufgeteilt. Ein Modul stellt jeweils eine Baugruppe vor. Die App zeigt, wie die einzelnen Bauteile zusammen arbeiten und was ihre zentralen Funktionen sind. Haben die Nutzer ein Modul abgeschlossen, können sie ihr Wissen in einem Test überprüfen – und so für ihre Führungskräfte und sich selbst festhalten, dass sie die Inhalte verstanden haben.

Seit April ist die Lern-App verfügbar

Im April 2022 ist „ alva“ auf den Markt gekommen, ausgestattet mit neun Modulen, die für alle Tablettenpressen anwendbar sind. In verschiedenen Abständen werden immer neue Inhalte hinzukommen, kündigt von Selchow an. Zum Beispiel werde es Module für verschiedene Nutzergruppen geben, unter anderem für Mitarbeiter, die neu eingearbeitet werden oder jene, die mit an der Instandhaltung der Maschinen arbeiten. In naher Zukunft werden auch serien- und maschinenspezifische Inhalte verfügbar sein und bis 2023 Lerninhalte für die P Serie, FE Serie und die neue i Serie von Fette Compacting.

Hinter der App steckt übrigens eine browserbasierte Trainingssoftware, die sowohl auf dem PC als auch auf mobilen Endgeräten genutzt werden kann. Sie ist also immer verfügbar. Dafür steht auch der Name: always available. So kann sie überall und rund um die Uhr fundiertes Wissen über die Maschinen oder den Produktionsprozess vermitteln.

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