pH-Messtechnik Neue Konzepte zur Reinigung, Wartung und Kalibrierung in der pH-Messtechnik verlängern die Standzeiten
Obwohl die Messung des pH-Wertes zuweilen als Standardmessung abgetan wird, ist nach wie vor Bewegung in dieser Messart. Bei der Weiterentwicklung liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Verlängerung der Standzeiten im Prozess.
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Klassische pH-Glaselektroden sind seit Jahrzehnten kommerziell verbreitet, bahnbrechende Veränderungen lassen sich nur noch schwer ausmachen, insbesondere die Glaselektrode gilt als ausgereizt: „Die Verbesserungen der letzten Jahre sind Detailverbesserungen, die beispielsweise zu Spezialgläsern für spezielle Applikationen geführt haben“, beschreibt Dr. Dirk Steinmüller, verantwortlich bei Knick für die Geschäftsfeldentwicklung, die derzeitigen Arbeiten auf dem Gebiet der pH-Messtechnik. „Unter dem Gesichtspunkt Hygiene und Entsorgung geht ein Trend in die Richtung bleifreier Schaftgläser – bei allen Knick-Elektroden sind sie Standard – oder zu weniger giftigen Startmonomeren für Gele in wartungsarmen Elektroden.“
Das Hauptaugenmerk gilt viel mehr der Referenzelektrode, da sie als die größte Schwachstelle gilt. „Hier sind über 80 Prozent der Ausfallursachen angesiedelt“, macht Matthias Kremer, Produktlinienleiter Analysenmesstechnik bei Jumo, deutlich. Allerdings lassen sich mit der korrekten (d.h. an die Applikation angepassten) Auswahl des Diaphragmas, der Elektrolytfüllung (Flüssig, Gel) und einem optimierten mechanischen und elektrischen Anschluss bereits einige Frühausfälle vermeiden.
Dennoch: Eine pH-Elektrode sei und bleibe ein Verschleißteil mit typischen Standzeiten von einigen Tagen bis einigen Jahren – je nach der Beanspruchung hinsichtlich Temperatur, Druck und dem chemischen oder mechanischen Angriff in der Applikation, so die Aussage von Kremer.
Verbesserungen finden sich daher unter anderem in der Peripherie. Ein Beispiel ist der von Knick entwickelte offene InduCon-Standard, ein Stecksystem, das Sensoren induktiv mit Energie versorgt und zusätzlich eine kontaktlose Datenkommunikation ermöglicht. „Hierdurch werden die wichtigen praxisrelevanten, aber oft als nachrangig angesehenen Messprobleme vollständig beseitigt, die beispielsweise durch eine schlechte Kontaktierung oder Korrosion der Steckerverbindungen bedingt sind. Oder es werden unstabile Messungen vermieden, die infolge schlechter galvanischer Trennungen der Messstelle entstehen“, erklärt Steinmüller. „Dies sind ganz wesentliche Fortschritte für alle Anwender, die eigentlich nichts mit der Messperformance des Sensors als solchem zu tun haben.“
Standzeit verlängern
Gleichzeitig gehört die Verlängerung der Standzeit zu den wichtigsten Zielen in der Prozessindustrie – und hier sind durchaus Erfolge zu berichten, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Beispiel 1: Kalkmilch
So berichtet Andreas Jung, zuständig bei Emerson Process Management für die Flüssigkeitsanalyse: „Unser Sensor 396P aus der TupH-Serie hat in Kalkmilch – für die Steuerung der Entschwefelung von Kraftwerken – ganz außerordentliche Standzeiten erreicht, vor allem wegen seines speziellen Großflächendiaphragmas.“
Beispiel 2: Titandioxid
Einen praktischen Beweis der Belastbarkeit für Elektroden mit gel- oder polymerförmigem Elektrolyten lieferte die digitale Elektrode InPro 4260i mit dem polymeren Bezugselektrolyten Xerolyt Extra aus dem Haus Mettler-Toledo bei einem namhaften Hersteller von Titandioxid. Dort gab es im Produktionsbetrieb an verschiedenen Messstellen Probleme mit der Standzeit der Sensoren. Die bisher eingesetzte pH-Elektrode musste einmal bis zweimal täglich gewechselt werden. Anstatt eines Keramikdiaphragmas mit Mikroporen besitzt der jetzige Sensor zwei offene Verbindungen (Lochdiaphragma), die besonders verschmutzungsunempfindlich sind, was gerade in der Suspension von Titandioxid vorteilhaft ist. Der integrierte Solution Ground eliminiert störende Fremdpotenziale, und durch die digitale Signalübertragung wird eine galvanische Trennung erreicht.
Beispiel 3: Zuckerrüben
Auch bei der Verarbeitung von Zuckerrüben kam es durch den hohen Feststoffanteil des Rohsaftes zu einer extremen Belagbildung auf pH-Sensoren. Konventionelle Armaturen sind hier zu unzuverlässig, um die Reinigung automatisieren zu können, sodass man mehrmals täglich mühsam von Hand prüfen und putzen muss. Die Sensorschleuse Ceramat von Knick besteht aus einer durch Drehung öffnenden und schließenden Aluminiumoxid-Keramik sowie einem korrosionsbeständigen, Carbon-verstärkten, aber nicht bewegten Kunststoffgehäuse aus PEEK oder PVDF. In Verbindung mit einer automatischen Steuerungseinheit lässt sich nun der Sensor regelmäßig vollautomatisch reinigen und gleich kalibrieren. Dieses Beispiel zeigt, dass erst die Systemlösung und nicht die Auswahl des Sensortyps zum Erfolg führt – in diesem Fall eine vollautomatische pH-Messung während einer kompletten Zuckerkampagne rund um die Uhr.
Allround-Elektroden gibt’s nicht
Obwohl es Parameter gibt, die die Lebensdauer einer pH-Elektrode deutlich verkürzen, wie hohe Temperaturen und pH-Werte, ist die Standzeit sehr von der Applikation abhängig. Während man in Trinkwasser durch Erhöhung der Salzkonzentration im Bezugselektrolyten (z.B. durch Salzringe) Standzeitverlängerungen erreicht, kann die gleiche Maßnahme in einem Galvanik-Prozess genau das Gegenteil bewirken. „Eine gute Beratung und ein Kunde, der möglichst viele Daten der geplanten Messstelle liefert, sind Basis einer korrekten Auswahl der Elektrode“, ist Kremer überzeugt. Schließlich haben die meisten Elektrodenhersteller eine Vielzahl von Bauformen anzubieten, die für die unterschiedlichsten Applikationen geeignet sind. „Eine Allround-Elektrode für alle Fälle gibt es nicht“, muss Kremer diesbezügliche Hoffnungen enttäuschen.
Einig sind sich die Hersteller, dass die Verschmutzungen der Elektrode in vielen Anwendungen der Knackpunkt sind und immer wieder zu falschen Messergebnissen führen. „Oft steht und fällt die Leistung der hochwertigsten Elektrode schlicht mit der Leistungsfähigkeit einer Wechselarmatur und gegebenenfalls eines automatischen Reinigungs- und Kalibriersystems“, ist Steinmüller überzeugt. „So haben wir kürzlich die weltweit erste modulare Wechselarmatur SensoGate vorgestellt, die die Wartungskosten im Vergleich zu herkömmlichen Armaturen halbiert.“ Der Fokus der Hersteller liegt daher auf intelligenten Reinigungs- und Wartungskonzepten. „Nur eine Elektrode, die ordnungsgemäß behandelt wird (Reinigung, Konditionierung, Kalibrierung), erbringt optimale Messergebnisse und Standzeiten“, ist Dr. Klaus-Peter Mang, Leiter Produktmanagement von Mettler-Toledo im Geschäftsbereich Prozessanalytik, überzeugt. Das neue ISM-Konzept dieses Herstellers unterstützt beispielsweise die Optimierung von Elektrodenstandzeiten, Wartungs- und Kalibrierzyklen.
Davon ist auch Einar Möller, Marketing Manager Analyse, pH und Leitfähigkeit bei Endress + Hauser in Weil am Rhein überzeugt. Für ihn ist die Einführung des digitalen Memosens-Systems der entscheidende Ansatz zur Verbesserung der Standzeit und Qualität der pH-Messung: „Damit konnten solche Schwierigkeiten wie Feuchtigkeit und Hochohmigkeit ursächlich beseitigt sowie die Verfügbarkeit der Messstelle deutlich erhöht werden.“
Ein Sensor für mehrere Parameter
Immer wieder im Raum steht die Frage, ob sich Multisensoren wirklich lohnen. „Betrachtet man die Entwicklung der pH-Sensoren, so zeichnet sich eine Tendenz zur Multifunktionselektrode ab“, so die Aussage von Mang. Am Anfang stand die Einstabmesskette, bevor in den 90er-Jahren Elektroden mit integriertem Temperaturfühler aufkamen. Mit dem heute integrierten Solution Ground (Platin-Hilfselektrode) können neben dem pH-Wert auch gleichzeitig das Redox-Potenzial gemessen, Störungen durch Fremdpotenziale (Erdschleifen) eliminiert und der Verschmutzungsgrad des Diaphragmas überwacht werden. Für Mang geht daher eindeutig der Trend hin zur Multifunktionselektrode mit erweiterter Diagnostik. Mit ihrer digitalen Ausführung ergeben sich neue Wartungs- und Instandhaltungs-Konzepte sowie die Möglichkeit des effizienten Plant Asset Managements.
Anders sieht man dies bei Endress+Hauser: „Einen generellen, branchenübergreifenden Trend in Richtung Multifunktionssensoren sehen wir nicht“, berichtet Möller. „In einzelnen Applikationen wie der Gewässerüberwachung kommen solche Multifunktionssensoren ja bereits zum Einsatz. Es wird sicherlich die eine oder andere Kombination von Messprinzipien in einem Sensor bei bestimmten Applikationen geben, aber letztendlich werden dies meist Nischenanwendungen bleiben.“ Ähnlich formuliert es auch Kremer, der auf Grund des Status eines Verschleißteiles heutiger Glas- und Metallelektroden (pH/Redox) die Multisensoren nur für bestimmte Nischen und Anwendungen geeignet hält: „Schon heute werden bei pH-Elektroden mit integriertem Temperatursensor oder auch noch integriertem Leitwertsensor die eigentlich unverwüstlichen Temperatursensoren mit entsorgt, wenn die pH-Sonde ihr Lebensende erreicht. Der Kunde muss das dann im Ersatzfall teuer bezahlen“, bedauert er.
Die Intelligenz steckt im Kopf
Die intelligente Sensortechnologie macht auch vor pH-Sensoren nicht halt und für die meisten Hersteller ist es keine Frage, dass diese sich schon bald durchsetzen wird. „Intelligenter Sensor ist natürlich ein sehr weit gefasster Begriff und man muss aufpassen, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Werden lediglich Daten abgespeichert, so ist das etwas anderes, als wenn die komplette Signalverarbeitung im Sensor stattfindet“, warnt Dirk Tillich von der Schweizer Hamilton Bonaduz. Dennoch ist er optimistisch: „Ich sehe für solche Sensoren ein sehr großes Potenzial, nicht zuletzt weil viele klassische Probleme nicht mehr auftreten können und die Signalverfügbarkeit und damit die Betriebssicherheit erhöht werden. Hamilton bietet daher eigene Sensoren an, welche die Visiferm-, Memosens- oder InduCon-Technologie nutzen.“
Auch bei Endress + Hauser glaubt man, dass sich intelligente Sensoren auf der ganzen Breite durchsetzen werden und vergleicht dies mit der Einführung der CD im Musikmarkt. „Ein paar Liebhaber der analogen Technologie wird es immer geben, die große Masse der Kunden wird aber auf die neue, digitale Technologie setzten“, ist Möller überzeugt. Ähnliche Töne hört man von Mettler-Toledo, wo man sich viel von den digitalen ISM-Sensoren verspricht. Diese speichern alle wesentlichen Daten (Elektrodentyp, Seriennummer, Kalibrierdaten, sensorspezifische Daten wie Glas- und Diaphragma-Impedanz, Sensorbelastung, CIP/SIP-Zähler) im Sensor selbst. „Die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit einer Messstelle lassen sich mit modernem Plant Asset Management, wie es nur mit digitalen Sensoren möglich ist, deutlich steigern. Elektroden werden vor Ort nur noch getauscht. Digitale Sensoren werden automatisch erkannt und der Transmitter konfiguriert sich selbstständig (Plug and Measure)“, zählt Mang die Vorteile auf. „Mit digitalen ISM-Sensoren in Verbindung mit der iSense ISM-Asset Suite steigt die Prozess-Sicherheit bei gleichzeitiger Verringerung der Kosten für Sensoren, Wartung- und Instandhaltung“, ist er überzeugt.
Intelligenz um jeden Preis?
Nicht ganz so euphorisch betrachtet Kremer die derzeitige Situation, obwohl er für bestimmte Branchen durchaus Vorteile sieht: „Auch hier gilt: Es wird Elektronik mit dem verschlissenen Sensor entsorgt und muss dann wieder bezahlt werden.“ Eine grundsätzliche Veränderung des Marktes wird es seiner Meinung deshalb nicht geben. Der Grund liegt in der mangelnden Wirtschaftlichkeit. „Die Elektronik kostet in der Herstellung meist soviel wie ein kompletter Sensor – in einigen Branchen verlangt man aber eher fallende Sensorpreise und würde eine grundsätzliche technische Aufwertung nicht bezahlen wollen“, erklärt Kremer und berichtet über einen weiteren Nachteil der intelligenten Sensoren: In der pH-Messtechnik gibt es keinen einheitlichen Standard. „Kunden werden von dem Ursprungslieferanten im Ersatzteilfall absolut abhängig. Zwar bieten einige Hersteller inzwischen ihre Sensorelektronik auch anderen Herstellern an, die teilweise horrenden Lizenz- und Teilekosten lassen dann aber keinen echten Wettbewerb zu“, findet Kremer deutlich Worte. „Die Zeche zahlt der Kunde, da er sich sowohl seitens des Sensors als auch seitens des Messverstärkers/Reglers in eine Kostenfalle begibt.“ Er sieht daher die Intelligenz an ganz anderer Stelle: „Gefragt sind intelligente Sensoren, deren elektrische Anbindung an heute bereits verbaute Messverstärker keine Probleme bereiten und die untereinander austauschbar sind. Hiervon sind die Hersteller der pH-Elektroden aber noch weit entfernt“, so die Meinung von Kremer.
Fazit: Wem gehört die Zukunft?
Die Zukunft wird daher nicht unbedingt neuen Sensoren gehören, sondern vielmehr der Prozessanbindung oder wie es Jung auf den Punkt bringt: „Noch bessere Sensoren für schwierige Anwendungen und intelligentes Zubehör für wartungsarme Installationen.“ Bei Endress+Hauser wird es zwei Schwerpunkte bei den Weiterentwicklungen geben: „Einerseits werden wir weiterhin an branchenübergreifenden Themen wie Hart-wireless arbeiten. Andererseits werden wir die Offenlegung des Memosens-Systems sowie die Adaption der Memosens-Technologie auf alle unsere Sensoren weiter voran treiben“, gibt Möller die Richtung vor. Und auch bei Knick wird man sich auf die intelligente Datenverarbeitung konzentrieren.
„Neben ausgeklügelter Mechanik kommt es heute besonders auf die laufende Optimierung von Möglichkeiten zur Datenübertragung, -speicherung und -auswertung an. Intensiv treiben wir hier die Entwicklung noch komfortablerer und leistungsfähigerer Lösungen voran“, bestätigt Steinmüller und fasst die vielleicht wichtigste Veränderung in der pH-Messtechnik zusammen: „Der Schlüssel für die Lösung einer Applikation verlagert sich damit von der schlichten Auswahl der Elektrode zum Messsystem.“
Die Autorin ist redaktionelle Mitarbeiterin bei PROCESS. E-Mail-Kontakt: info@muehlenkamp.net
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