KI optimiert Sensorik & Aktorik Jäger des verlorenen Datenschatzes: KI bringt Regelungstechnik auf ein neues Level

Von Dominik Stephan Lesedauer: 4 min

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Daten sind das neue Gold, heißt es. Doch werden die Millionen Daten, die Sensorik und Aktorik im Prozess sammeln schnell zu vergessenen Bibliotheken und Datengräbern. Jetzt eröffnen KI und Machine Learning neue Wege für die Regelungstechnik. Wer macht sich auf, diese verlorenen Schätze zu heben?

Pigmentproduktion bei Heubach - das Spezialchemie-Unternehmen nutzt KI für PID-Daten, um damit Instandhaltung, Engineering und Produktivität zu verbessern.
Pigmentproduktion bei Heubach - das Spezialchemie-Unternehmen nutzt KI für PID-Daten, um damit Instandhaltung, Engineering und Produktivität zu verbessern.
(Bild: Heubach)

Die smarten Feldgeräte sind schon da. Täglich sammeln Sensorik und Aktorik in der Prozessindustrie gewaltige Datenmengen. Warum? Weil sie es können und Speicherplatz günstig ist. Also entstehen gewaltige Datengebirge, Chroniken des Betriebes und Bibliotheken des Wissens – doch kaum jemand macht sich die Mühe, diese einmal in der Tiefe auszuwerten. Die Folge: Datengräber, in denen die echten oder vermeintlichen Wissensschätze unentdeckt schlummern.

Und so horten Chemie- und Pharmafirmen nicht selten gewaltige Datenberge, die dann meist ungenutzt auf Servern liegen. Nicht selten werden diese Produktionsdaten in verdichteter Form abgelegt. Klar, stehen doch häufig die Produkte im Mittelpunkt, etwa Pigmente, Pigmentpräparationen, Farbstoffe und Spezialmaterialien. Diese Feinchemikalien und Spezialitäten produziert die Heubach-Gruppe an 19 Standorten weltweit – und nutzt selbstverständlich auch PID-Regler (also solche mit proportionalen, differentialen und integralen Anteilen). Dabei erfasst die Firma alle zwei Sekunden die Regler und sammelt die Daten in einer zentralen PIMS-Datenbank (Produktions-Informations-Management-System).

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Da liegen sie dann: Auch Experten sind sich nicht sicher, ob alleine mit solchen Daten tatsächlich eine vollwertige Regleroptimierung möglich ist. Aber vielleicht geht ja doch mehr, als bloß passiv Daten zu sammeln: Für diesen Zweck holte sich Heubach Hilfe der Automatisierungs-Experten von Festo – denn einen Vorteil haben PIMS-Datenbanken: Sie enthalten die Daten aller Regler aus unterschiedlichen Systemen, unterschiedlicher Hersteller und von allen angebundenen Produktionsstandorten.

Wer kontrolliert die Controller?

„Unser Ziel wäre ein zentrales Controller-Monitoring-System. Um das zu erreichen, müsste es gelingen, die Daten im Kontext sinnvoll auszuwerten und nutzbar zu machen und somit ein einheitliches Instrument zu schaffen, mit dem wir die Regler aller angebundenen Standorte weltweit analysieren können“, erklärt Michael Pelz, Automation & Digitization Manager bei Heubach. Damit – so die Hoffnung – könnten einzelne Regler gezielt analysiert und optimiert werden, beispielsweise mit einer Optimierungs-Software im eingesetzten Scada-System und mit Experten vor Ort.

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Doch wer macht sich auf, in den Datenclaims nach Wissensgold zu schürfen? Ein entsprechender Goldgräber wurde in Form der Festo Automation Experience (Festo AX) gefunden: Die Software „hilft unseren Kunden, Entscheidungen auf Basis von Fakten zu treffen“, betont Digitalisierungsexperte Eberhard Klotz von Festo.

Dabei verlassen sich die Partner nicht auf ihre eigene Eingebung sondern holen sich Hilfe in Form künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Dabei bewertet und bereinigt die KI zunächst die rohen historischen Ausgangsdaten, wobei auch die Expertise von Heubach-Fachleuten aus Instandhaltung, Prozess-Engineering (Qualität) und Operations Improvement Management einbezogen wird. So ist es möglich, einzelne Parameter wie Temperatur, Druck oder Durchfluss zu priorisieren und bezüglich der Auswertung zu interpretieren. Ziel bei all dem ist, exakt, früh und vor allem einfach die Abweichungen pro Batch zu erkennen, erklären die Entwickler.

Doch auch Ergebnisse nützen wenig, wenn man sie nicht auswerten kann: Eine Visualisierung der Daten mit dem Ziel in Zukunft aggregierte Dashboards nutzen zu können, kam genauso auf die Agenda wie die Online-Abfrage inklusive Visualisierung innerhalb bestehender Systeme – das vereinfacht nicht zuletzt die Implementierung aus Data-Security-Sicht.

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Keine Regel(er) ohne Ausnahme

Schon die ersten Auswertungen stimmten optimistisch: „Die Ergebnisse waren schon nach dem ersten Schritt der KI-Analyse erstaunlich gut: Man sah sehr gut, welche Regler beispielsweise eine starke Stellgrößenschwankung aufwiesen und dadurch die Stellglieder schneller verschleißen lassen“, erklärt Digitalisierungsexperte Pelz. Denn neben gut eingestellten und unauffälligen Reglern fand die KI auch solche, die konstant ihre Sollwerte nicht erreichten, stark überschwangen, oszillierten oder bei denen manuell eingegriffen wurde.

Doch nicht immer war der Fall sofort klar, auch wenn gemeinsam mit Hochdruck an der Interpretation und Anpassung des Verfahrens gearbeitet wurde, wie Pelz erklärt: „In einem engen Austausch zwischen Regler- und Data-Science-Experten konnte der KI-Algorithmus auf weitere Besonderheiten in der (Batch)-Produktion angepasst werden. Zum pragmatischen und schnellen Austausch der Ergebnisse waren in dieser Phase tatsächlich nur klassische Office-Tools ausreichend.“

Mit KI zur Automatisierung der Zukunft

„Mit dieser Lösung haben wir gleich zwei herausragende Vorteile: Erstens ist sie herstellerübergreifend und auf einem zentralen System global nutzbar, so dass wir den Algorithmus für alle Systeme und Regler einsetzen können. Zweitens ist die Festo Lösung IT-seitig so flexibel, dass vom pragmatischen Offline-Pilotprojekt über eine On-premise-Lösung innerhalb eigener IT-Systeme bis zu einer cloudbasierten Implementierung eine Nutzung und Weiterentwicklung möglich ist“, freut sich der Automation & Digitization Manager von Heubach.

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Das ist besonders wichtig, da bei Heubach unterschiedliche Prozessleitsysteme im Einsatz sind: „Gerade in den aktuellen Zeiten ist es wichtig, die Produktionsprozesse in Bezug auf Energieverbrauch, Menge und Qualität möglichst effektiv optimieren und langfristig überwachen zu können. Dabei kann in Zukunft das zentrale Controller Monitoring-System ein wichtiger Baustein sein, gerade auch im Rahmen der voranschreitenden Optimierung des CO2-Fußabdrucks in der Produktion“, so Digitalisierungsexperte Pelz.

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