Digi Chem Survey Fachkräftemangel größtes Hindernis bei der Digitalisierung in der chemischen Industrie

Redakteur: MA Alexander Stark

Die deutsche Chemieindustrie hat erst spät auf die Digitalisierung gesetzt – dafür sind die Hoffnungen jetzt umso größer. Diese und weitere Ergebnisse hat die „Digi Chem Survey“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY vorgelegt. Dazu wurden 101 Unternehmen der chemischen Industrie zum Stand der Digitalisierung in ihrer Branche befragt.

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Obwohl die chemische Industrie erst verhältnismäßig spät mit der Digitalisierung begonnen hat beobachtet EY seit 2015 eine gesteigerte Aktivität.
Obwohl die chemische Industrie erst verhältnismäßig spät mit der Digitalisierung begonnen hat beobachtet EY seit 2015 eine gesteigerte Aktivität.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Stuttgart – Die deutsche Chemie-Branche hat bei der Digitalisierung zwar bereits einiges umgesetzt, es liegt aber noch ein weiter Weg vor ihr. Zu diesem Schluss kommt Frank Jenner, Partner und weltweiter Leiter der Sparte Chemische Industrie bei EY, mit Blick auf den aktuellen Digi Chem Survey:

69 % der Chemieunternehmen sehen einen starken bis sehr starken Einfluss der Digitalisierung etwa auf ihren Vertrieb, aber nur 26 % sind bei der Einführung digitaler Technologien und Prozesse in diesem Bereich bereits weit oder sehr weit fortgeschritten. Ähnliche Lücken zwischen Potenzial und Umsetzung gibt es noch bei der Kundenbetreuung und der Logistik, die aus Sicht von 66 % beziehungsweise 63 % der befragten Unternehmen stark oder sehr stark von der Digitalisierung beeinflusst werden. Doch auch bei der Kundenbetreuung ist die Digitalisierung nur bei 26 % bereits weit oder sehr weit fortgeschritten, in der Logistik ist dies bei 24 % der Unternehmen der Fall.

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Die ersten Erfolge sind aus Sicht der Unternehmen dennoch schon sichtbar: 47 % der Unternehmen haben mithilfe digitaler Technologien schnellere Durchlaufzeiten erreicht, für 45 % hat sich der Markt- und Kundenzugang verbessert.

44 % der Unternehmen konnten bereits Kosten senken – durchschnittlich um zwölf Prozent. Künftig erwarten die Unternehmen sogar Kosteneinsparungen von durchschnittlich 17 %.

Und nicht nur bei den Kosten sieht die Chemiebranche noch viel Potenzial: Als die Top-3-Potenziale, die sich in Zukunft mithilfe der Digitalisierung erreichen lassen, nennen die Unternehmen eine verbesserte Datenanalyse (49 %), Automatisierung (34 %) sowie eine Verbesserung des Datenmanagements (32 %).

Obwohl die chemische Industrie erst verhältnismäßig spät mit der Digitalisierung begonnen hat beobachtet EY seit 2015 eine gesteigerte Aktivität. Wichtige erste Schritte bei der Digitalisierung seien jetzt gemacht worden, und die Unternehmen würden auch schon die ersten Erfolge einfahren. Allerdings bestehe nach wie vor eine große Lücke zwischen dem erwarteten Potenzial und dem tatsächlich erzielten Fortschritt. Die chemische Industrie in Deutschland sollte nach Ansicht von Frank Jenner ihre Bemühungen verstärken und sich zum Treiber der digitalen Transformation entwickeln.

Fachkräftemangel größte Barriere

Wie viele andere Branchen auch, hat die chemische Industrie allerdings mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. 53 % der Unternehmen nennen als größte Barriere für die Umsetzung der Digitalisierung, dass sie zu wenig qualifiziertes Personal finden. Die unzureichende technische Infrastruktur bremst aus Sicht von 39 % der Unternehmen die Digitalisierung aus und 37 % nennen Sicherheitsbedenken, zum Beispiel in Bezug auf Cyberangriffe oder Datenlecks.

Und es sind vor allem die kleineren Unternehmen, die bei der Umsetzung hinter den größeren Konzernen zurückbleiben: Bei der Selbsteinschätzung auf einer Skala von Null bis Hundert, wobei Null keinerlei Aktivitäten zur Digitalisierung bedeutet und Hundert, dass eine bereits reibungslose digitale Transformation gestartet wurde, beträgt der Durchschnittswert 61. Während alle Umsatzklassen über 100 Millionen Euro sich knapp über diesem Wert befinden, sind es die Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Millionen Euro, die die Umsetzung der Digitalisierung mit 52,5 mit Abstand am niedrigsten einschätzen.

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Die chemische Industrie konkurriert im Kampf um IT-Fachkräfte inzwischen mit anderen Branchen und braucht den Analysten zufolge daher eine andere Personalstrategien. Und Sicherheit betreffe nicht mehr nur alleine die physische Sicherheit der Anlagen und Produkte, sondern eben auch die Sicherheit vor Cyberangriffen. Während die größeren Konzerne bei der Umsetzung der Digitalisierung schon etwas weiter seien, müssten die kleineren Unternehmen aufpassen, im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren. Die Digitalisierung werde noch disruptive Umwälzungen mit sich bringen, warnt Jenner. Die Unternehmen müssen sowohl personell als auch bei der Infrastruktur darauf vorbereitet sein.

Bisher seien die Veränderungen eher evolutionär geprägt gewesen. Aber das wird sich ändern. So erwarten die Unternehmen für die kommenden drei Jahre mehrheitlich eine revolutionäre beziehungsweise mit 26 % sogar eine disruptive Weiterentwicklung in der chemischen Industrie.

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