Abwassertechnik Einsparpotenziale beim Fördern, Umwälzen und Belüften von Abwasser

Redakteur: Anke Geipel-Kern

Mit rund 10000 Kläranlagen und einem Anschlussgrad von über 96 Prozent positioniert sich Deutschland weltweit bei den ‚top five’. Im Hinblick auf die Energieeffizienz der installierten Pumpen, Armaturen und Belüfter sehen Fachleute allerdings noch erhebliche Einsparpotenziale. Auf der IFAT Entsorga 2010 in München präsentieren die Hersteller das entsprechende Equipment dazu.

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Der richtige Belüfter im Klärbecken spart eine Menge Energie und damit bares Geld. (Bild: Zweckverband Ostholstein)
Der richtige Belüfter im Klärbecken spart eine Menge Energie und damit bares Geld. (Bild: Zweckverband Ostholstein)

Weltweit werden schätzungsweise 80 bis 85 Prozent der Abwässer nicht gereinigt, so eine Studie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – ein zukunftsträchtiger Markt also, von dem auch die deutschen Hersteller von Komponenten und Systemen zur Wasseraufbereitung, Abwasser- und Schlammbehandlung profitieren.

Wie können diese Hersteller ihre globale Marktstellung weiter ausbauen? Wichtig sei ein Umdenken, weg vom Schadstoff-Entsorgungs-System und hin zum Ressourcen-Management-System als Teil integrativer, nachhaltiger Wasserbewirtschaftungssysteme, sagt Dipl.-Ing. Gottlieb Hupfer, CEO der EnviroChemie und Vorsitzender der VDMA-Fachabteilung Wasser- und Abwassertechnik. Seiner Meinung nach werden in Zukunft verstärkt attraktive Systemlösungen bevorzugt, die Ökonomie und Ökologie durch innovative Abwasserbehandlungsverfahren vereinigen.

Wie der ganzheitliche Ansatz funktioniert, macht Currenta Umwelt bereits vor: Im Entsorgungsverbund von Currenta sorgt anstelle der üblichen Insellösung eine sinnvolle Verknüpfung von Klär-, Verbrennungs- und Abluftreinigungsanlage sowie Deponie für umweltschonende Ergebnisse. Dieser übergreifende Ansatz wurde auch für die Abwasserströme der Betriebe auf dem Gelände des Chemparks realisiert. Sowohl die zur Kläranlage führenden ‚Biokanäle’ als auch die Reinwasserkanäle, die Kühlwasser und organisch unbelastetes Wasser in den Rhein leiten, werden ständig überwacht.

Neben den zentralen Entsorgungsbetrieben, die miteinander verbunden sind, existieren in den Produktionsanlagen dezentral betriebene Behandlungsverfahren. Sie behandeln die betrieblichen Abfall-, Abwasser- oder Abluftströme, bevor diese zentral weiter entsorgt werden. Die dezentrale Vorbehandlung ist überall dort sinnvoll, wo Kosten für teure Entsorgungsmaßnahmen vermieden werden oder die Entsorgung der Abfälle technisch vereinfacht wird.

Kostenfaktor Pumpe

Teure Entsorgungsmaßnahmen und aufwändige Vorbehandlung von Industrieabwässern sind ein Kostentreiber bei der Wasseraufbereitung. Ein weiterer sind die Energie-kosten. „Der größte Einzelposten bei der Wasserversorgung und -aufbereitung,“ betont John Williamson, Präsident von ITT Water & Wastewater. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) benötigen allein die rund 10000 kommunalen Kläranlagen jährlich fast 4400 GWh Strom, was der Jahresleistung eines modernen Kohlekraftwerks entspricht. Die Behörde schätzt, dass etwa 20 Prozent dieser Energie eingespart werden könnte – wenn die Betreiber effizienter belüften, Aggregate besser steuern sowie Motoren und Pumpen der höchsten Energieeffizienzklasse einsetzen würden.

„Pumpen gehören zu den nominell größten Stromverbrauchern, bergen aber auch ein dementsprechend großes Einsparpotenzial,“ bestätigt Hermann W. Brennecke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Grundfos und Vorstandsmitglied des VDMA-Fachverbandes Pumpen + Systeme. Und die Verantwortlichen der VDMA-Kampagne ‚Blue Responsibilty’ schätzen, dass effiziente Pumpentechnologie den Energieverbrauch in Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsnetzen um bis zu 30 Prozent reduzieren würde.

Abwasser und Schlamm müssen in einer Kläranlage auf vielerlei Arten bewegt und transportiert werden. Bei den hierfür eingesetzten Motoren und Pumpen ist der Stromverbrauch abhängig von ihrem Wirkungsgrad, vom Durchfluss und der Förderhöhe. „Je häufiger die Pumpe im Dauerbetrieb ist, umso wichtiger ist es, dass sie neben einer hohen Betriebssicherheit auch eine hohe Energieeffizienz aufweist“, sagt Dr. Gerhard Seibert-Erling vom Beratungsunternehmen John Becker Ingenieure (Kerpen). Außerdem müssen die Aggregate möglichst genau an die tatsächlich auftretenden Betriebszustände angepasst werden. „Das betrifft zum einen die richtige Bemessung der Pumpen hinsichtlich Volumenstrom und Förderhöhe, zum anderen ihre optimierte Steuerung, beispielsweise durch den Einsatz paralleler Pumpen mit unterschiedlicher oder variabler Förderleistung“, erläutert Bernd Kothe vom Pumpenhersteller KSB (s. Kurzinterview). Wichtig seien dabei vor allem auch Erfahrung mit dem Fördermedium und dessen Fließeigenschaften sowie prozesstechnische Kenntnisse. Aber auch überwiegend ‚ruhende’ Komponenten wie strömungsgünstig konstruierte Armaturen leisten einen Beitrag zum wirtschaftlichen Betrieb.

Kostengünstiger Belüften

Ein attraktives Energieeinsparpotenzial bietet auch moderne Belüftungstechnologie – denn die Gebläse, welche die Sauerstoffzufuhr zu den Belebungsbecken sicherstellen sind rund um die Uhr in Betrieb und ein entsprechend großer Stromverbraucher. Wer hier ansetzt, kann Berechnungen zufolge den Energieverbrauch um bis zu 60 Prozent senken und richtig Geld sparen. Denn die jährlichen Stromkosten eines Verdichters im Dauerbetrieb seien bei den aktuellen Strompreisen oft höher als die Anschaffungskosten, rechnet der beratende Ingenieur Seibert-Erling vor. Es lohnt sich deshalb seiner Meinung nach, bei der Beschaffung eines Aggregates die Verbrauchswerte zu einem wesentlichen Punkt der Kaufentscheidung zu machen.

Auch durch den Einsatz hocheffizienter Membranlüfter kann der Betreiber einiges herausholen, sind diese gleichmäßig und flächendeckend im Becken verteilt sowie optimal beaufschlagt ist noch ein weiteres Plus an Effizienz drin. Allerdings, schränkt Martin Wirsching von der Passavant-Intech ein, sei selbst die beste Sauerstoffausnutzung nur ein Teilerfolg, wenn zu viel oder zu lange Sauerstoff ins System eingetragen wird. Erst eine zusätzliche dynamische und belastungsabhängige Regelung der Belüftung ermögliche es, das gesamte Einsparpotenzial zu nutzen.

Das zeigt auch das Beispiel aus dem Chempark Uerdingen, wo die Kläranlage im Jahr 2008 modernisiert und zwei Radialverdichter aus dem Jahre 1974 ersetzt wurden. Neben stetig steigenden Kosten für die Instandhaltung der Maschinen und die eigens für die Verdichter erforderliche Mittelspannungsschaltanlage war vor allem die fehlende Drehzahlregelung ein Grund für die Modernisierung. Auf der Suche nach Alternativen konnte Atlas Copco die Ingenieure der Currenta-Abwasserreinigung in mehreren Punkten überzeugen. Die drehzahlgeregelten Turboverdichter der Baureihe ZB 100 VSD bieten neben der Kombination von Drehzahlregelung und Hochgeschwindigkeitsmotor noch weitere Vorteile – u.a. arbeiten die Verdichter ölfrei, somit ist das Kontaminationsrisiko für die Umwelt ausgeschlossen.

Die übergeordnete Steuerung ES 130 T koordiniert die ‚Arbeitsaufteilung’ unter den einzelnen Verdichtern und sorgt in jedem Betriebspunkt für eine energieoptimierte Fahrweise. Abhängig vom Druck und dem Volumenstrom in der Anlage werden die Drehzahlen geregelt und, wenn erforderlich, Verdichter automatisch zu- bzw. abgeschaltet. Zusätzlich werden die Betriebsstunden der Verdichter möglichst konstant gehalten, um eine gleichmäßige Auslastung zu gewährleisten. Ein integriertes Modem ermöglicht den Zugriff auf aktuelle Betriebsdaten der Verdichterstation durch den Hersteller, sodass dieser im Rahmen eines Servicevertrages schnell und gezielt helfen kann. Natürlich kann auch der Betreiber die Betriebsdaten online auswerten und graphisch darstellen. Ergebnis: Der Einsatz moderner Turboverdichter reduziert den jährlichen Energieverbrauch der Kläranlage Uerdingen um rund 1100 MWh.

Aber der Blick auf die Energieeffizienz ist nicht in jedem Fall ausschlaggebend für eine weitreichende technische Erneuerung, manchmal ändern sich auch im Lauf der Jahre die Produktionsbetriebe und damit Abwasserqualität und -mengen – so wie im Chemiepark Knapsack. Dipl.-Ing. Hans-Joachim Schuster berichtet: „Die rund 40 Jahre alte bei uns installierte Belüftung der biologischen Stufen über vier Gebläse mit einer Antriebsleistung von etwa 500 kW und Tausenden von Belüftungsdüsen war außerdem in die Jahre gekommen.“ Ersatzteilmangel drohte. Die Ingenieure haben deshalb intensiv geprüft, welches Belüftungssystem am besten infrage kommt – und sich für Mammutrotoren entschieden. Bei der Mammutrotor-Technologie von Passavant-Geiger handelt es sich um eine horizontal angeordnete Belüftungswalze mit Belüfterelementen, die das Wasser im Belebungsbecken mit Sauerstoff aus der Um-gebung anreichern und zugleich das Wasser umwälzen. „Die seit etwa einem Jahr installierten Mammutrotoren ersparen uns über''s Jahr gesehen etwa 33 Prozent der zuvor aufzubringenden Energiekosten“, erklärt er.

Bleibt als Fazit: Abwasser-Management ist mehr als Entsorgung. Moderne Belüftungstechnik und effiziente Pumpen, Kompressoren und Armaturen sparen zudem Ressourcen, schonen die Umwelt und die Budgets.

* Der Autor ist freier Mitarbeiter bei PROCESS.E-Mail-Kontakt: bitpress@t-online.de

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