China Market Insider Corona und die Folgen – ohne Chinas Chemieingenieure keine Erholung

Von Henrik Bork*

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Reisebeschränkungen für Chemieingenieure sind in China zurzeit ein wesentlicher Faktor für Produktionsausfälle. Ohne die Experten, die wegen der Coronavirus-Krise vielerorts noch nicht in die Betriebe zurückkehren können, kann die Produktion nicht wieder hochgefahren werden, berichten chinesische Fachmedien und Branchen-Insider.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – Erst am Donnerstag vergangener Woche hatte die chinesische Regierung den Lockdown für Hubei, dem Epizentrum der Coronavirus-Epidemie in China, wieder aufgehoben. Seit Januar war die zentralchinesische Provinz mit rund 60 Millionen Einwohnern abgeriegelt. Mit Aufhebung der Straßenblockaden in Hubei und eines Teils der Reisebeschränkungen im Rest des Landes hat auch für die chemische Industrie in China eine allmähliche Erholung von der Krise begonnen. 86 Prozent aller Chemiefabriken hätten bis Ende März wieder geöffnet, berichtete die China Petroleum and Chemical Industry Federation (CPCIA).

Branchenkenner weisen jedoch darauf hin, dass an vielen Standorten noch längst nicht wieder mit voller Kapazität produziert werden könne. So auch in Hubei, dem Zentrum der chinesischen Phosphor-Industrie. Obwohl gerade wegen des Frühlings die Nachfrage nach Phosphor-Dünger steigt, und obwohl Chinas Regierung die chemische Industrie bereits seit Mitte Februar zur Wiederaufnahme der Produktion gedrängt hat, können vor allem viele kleinere und mittelgroße Unternehmen noch nicht wieder wie gewohnt produzieren.

„Für manche Prozesse sind spezialisierte Techniker unverzichtbar, viele davon stammen aus anderen Provinzen, und die sind noch nicht alle wieder eingetroffen“, zitiert das Shanghaier Fachmedium Pang Pai einen örtlichen Beamten. Manche Ingenieure konnten die Rückreise an ihren Arbeitsplatz noch nicht organisieren, andere warten aus Angst vor dem Virus noch absichtlich mit der Rückkehr.

In manchen Fabriken seien bislang bloß vereinzelte Workshops wieder in Betrieb genommen worden, berichten Verbandssprecher. Neben dem Fachkräftemangel machen den Herstellern derzeit vor allem Versorgungsengpässe mit Rohstoffen zu schaffen, da sich der Transport landesweit noch nicht wieder erholt hat und viele Lieferketten noch immer unterbrochen sind.

Die chemische Industrie gehört in China zu den von der Coronavirus-Krise am härtesten getroffenen Branchen. Die Produktion ist in den ersten zwei Monaten des Jahres um 21 Prozent zurückgegangen, berichtete Chinas Nationale Statistikbehörde am 27. März. Die Profite brachen sogar um 66 Prozent ein. Im Vergleich: Die gesamte herstellende Industrie China erlitt durch die Coronavirus-Krise im Januar und Februar dieses Jahres Produktionsverluste von 14 Prozent und einen Rückgang der Profite um 39 Prozent, so die Statistiker.

Auf den Virus folgt der Öl-Schock

Für die petrochemische Industrie in China kommt neben dem Coronavirus in diesem Jahr noch ein weiterer externer Schock dazu – die weltweit stark gesunkenen Ölpreise. Schon Mitte März hatte die Regierung in Peking die Handelspreise für Erdölprodukte deshalb auf das gesetzlich festgelegte Minimum von 40 USD (36,50 Euro) pro Tonne gesenkt. Sowohl Sinopec als auch Petrochina würden ihre Produktion in diesem Jahr voraussichtlich um zwei bis drei Prozent zurückfahren müssen, um Verluste zu begrenzen, schreibt die Hongkonger Zeitung South China Morning Post unter Berufung auf Analysten.

Die starken Einkommensverluste dieser staatlichen chinesischen Petrochemie-Giganten durch die Coronavirus-Krise, der Ölpreisverfall und nun vermutlich auch noch eine globale Rezession dürften in diesem Jahr die Gewinnaussichten für die gesamte chemische Industrie in China deutlich dämpfen.

Chinas Regierung hat begonnen, massive Investitionen in Infrastrukturprojekte und auch in die herstellende Industrie bekanntzugeben, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Insgesamt sind seit Anfang April landesweit Investitionsprojekte in einer Gesamthöhe von 37 Billionen Yuan (rund fünf Billionen Euro) bekannt gegeben worden.

Allein in der chinesischen Südprovinz Guangdong werden in diesem Kontext zwölf petrochemische Großprojekte genannt, u.a. mehrere neue Raffinerien. Einige davon waren allerdings schon vor Beginn der Krise beschlossen worden. Diese Investitionen sind gute Nachrichten für die vielen Millionen von Chinesen, die seit Beginn der Coronavirus-Krise arbeitslos geworden sind. Sie sind jedoch nicht ohne potenzielle Gefahren. Schon jetzt wird in Chinas Chemiebranche hinter vorgehaltener Angst über künftige Überkapazitäten geredet.

* Der Autor ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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