China Market Insider Chinas Petrochemie baut auf billiges Ethan aus den USA – mit hohem politischen Risiko
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Ethylen aus Ethan, gewonnen durch Steamcracking, ist die jüngste Boombranche der petrochemischen Industrie Chinas. Kurz vor Beginn des neuen Jahres sei die Konstruktion von gleich drei neuen Großanlagen abgeschlossen worden, berichtet PROCESS (China). Während der überwiegende Großteil des Ethylens in China noch immer in Petroleum-Raffinieren aus Naphtha gewonnen wird, setzen eine Reihe von Investoren nun auf billiges Ethan, das vor allem aus Schiefergasvorkommen in den USA stammt – nicht ohne hohes Risiko.

Peking/China – Bei Satellite Petrochemical in der Küstenprovinz Zhejiang ist am 29. Dezember eine neue Ethan-zu-Ethylen-Anlage mit einer Jahreskapazität von 1,25 Millionen Tonnen Ethylen im Rohbau fertiggestellt worden. Sie soll voraussichtlich noch im ersten Quartal dieses Jahres in Betrieb genommen werden. Das Unternehmen hat offenbar Pläne, diese Kapazität später noch zu verdoppeln.
China hat die weltweit größte Nachfrage nach Ethylen, das bei Satellite Petrochemical beispielsweise für die Produktion von Acrylsäure verwendet wird, der Basis für Farben, Klebstoffe und hochabsorbierende Polymere. China hat gleichzeitig oft die höchsten Ethylenpreise weltweit, weil ein großer Teil des Feedstocks aus dem Ausland importiert werden muss. Der Preis fluktuiert, aber im vierten Quartal 2020 stieg er in Nordasien auf rund 1000 Dollar pro Tonne, nachdem er im August vergangenen Jahres noch bei rund 700 Dollar pro Tonne gelegen hatte.
Als börsennotiertes Unternehmen in der C3-Wertschöpfungskette hofft Satellite Petrochemical, durch den Einsatz des „ungehobenen Schatzes“ billigen Ethans aus den USA langfristig seine Profite erhöhen zu können. Das Unternehmen hat daher umgerechnet 3,3 Milliarden Euro an Investitionen in die Ethan-zu-Ethylen-Route geplant.
Wie immer in China, sprechen sich solche Pläne rasch herum und machen Schule. Nur einen Tag später, am 30. Dezember, hielt die Lanzhou Petrochemical Yulin ihr eigenes Richtfest. Das „Changqing-Ethan-zu-Ethylen-Projekt“ habe die Konstruktionsphase beendet und bereits mit Drucktests begonnen, hieß es. Die Anlage hat eine Jahreskapazität von 800.000 Tonnen Ethylen und soll am 30. Juni dieses Jahres offiziell in Betrieb genommen werden.
Wieder einen Tag später, am 31. Dezember vergangenen Jahres, verkündete dann das „Tarim-Ethan-zu-Ethylen-Projekt“ der China National Petroleum Corporation im Süden der Provinz Xinjiang das Erreichen eines ähnlichen Meilensteins. Hauptanlage, Kessel und Fackel seien fertig, die Anlage mit einer Jahreskapazität von 600.000 Tonnen solle in der zweiten Hälfte dieses Jahres mit der Produktion beginnen, verkündete das Unternehmen.
In den vergangenen Jahren seien in China insgesamt 15 Projekte mit dem Ziel begonnen worden, Ethan-Cracking zur Produktion von Ethylen einzusetzen. Die Methode sei so beliebt, weil sie im Gegensatz zur Ethylen-Gewinnung aus Naphtha kürzere Reaktionswege, höhere Ausbeute und deutlich niedrigere Produktionskosten verspreche.
Aufgrund der in den USA boomenden Schiefergas-Industrie ist die Verfügbarkeit von Ethan dort in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Von 2013 bis 2018 etwa stiegen die US-amerikanischen Exporte von Ethan von einer vernachlässigbaren Zahl auf 5,3 Millionen Tonnen. Das war bereits das Fünffache dessen, was Norwegen in 2018 exportierte – das einzige andere Land, das Ethan exportiert.
Analysten warnen angesichts des gegenwärtigen Ethan-zu-Ethylen-Booms in China aber vor dem politischen Risiko solcher Investitionen. Die Handelskrieg zwischen den USA und China befinde sich zwar seit einigen Monaten in einer Art von Waffenstillstand, habe aber deutlich die Gefahren einer zu großen Abhängigkeit chinesischer Produzenten von importierten Rohstoffen aufgezeigt, argumentieren sie.
Auch gibt es wohl Engpässe bei der Export-Infrastruktur für Ethan aus amerikanischen Häfen. Während chinesische Chemiekonzerne bereits spezielle Tankschiffe zum Transport von Ethan über den Pazifik in Auftrag gegeben haben, könnte es in absehbarer Zukunft Probleme mit ihrer zügigen Beladung geben. Es sei daher unklar, wie viele weitere Großprojekte dieser Art die kommunistische Staats- und Parteiführung genehmigen werde, sagen Marktbeobachter in Peking.
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking.. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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