China Market Insider Chinas Öl- und Chemiefirmen arbeiten mit Hochdruck an ihrer CO2-Bilanz
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China steigt im großen Stil bei der unterirdischen Speicherung und Wiederverwertung von Kohlendioxid ein. Das erste Megatonnen-Projekt zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff („Carbon Capture, Use & Storage“ oder CCUS) ist nun von dem staatlichen Öl- und Chemiekonzern Sinopec ins Leben gerufen worden..

Peking/China – Das riesige Demonstrationsprojekt soll bis Ende dieses Jahres in Betrieb genommen werden, berichtet PROCESS (China). Es besteht aus zwei Teilen: In der Qilu-Raffinerie von Sinopec in der Provinz Shandong wird bei der Herstellung von Wasserstoff anfallendes Kohlendioxid abgeschieden und zwischengelagert. Im zweiten Teil wird das CO2 dann zur weiteren Verdrängung und Speicherung zum Shengli-Ölfeld transportiert.
In diesem ebenfalls in Shandong in der Nähe des Gelben Flusses gelegenen, zweitgrössten Ölfeld Chinas soll das Kohlendioxid in 73 Ölquellen injiziert werden, gab Sinopec in einer Pressemeldung bekannt. Bei einem Reinheitsgrad von 99 Prozent könne CO2 gut mit Rohöl gemischt werden, um die Förderungsquote zu erhöhen, hieß es.
Insgesamt will Sinopec im Rahmen dieses Projektes in den kommenden 15 Jahren 10,68 Millionen Tonnen Kohlendioxid in dem Ölfeld versenken. Die Rohöl-Förderung könne so um fast drei Millionen Tonnen gesteigert werden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Sinopec. Auch ein Forschungs- & Entwicklungszentrum für CCUS-Technologie will Sinopec eigenen Angaben zufolge einrichten.
Die Abscheidung, Nutzung und unterirdische Speicherung von Kohlenstoff wird zwar auch in Deutschland und Europa erforscht, ist dort jedoch bis jetzt auch auf viel politischen Widerstand gestossen. Kritiker monieren, dass CCUS-Projekte nicht soviel zum Klimaschutz beitragen wie Anstrengungen zur Verringerung von Emissionen oder Investitionen in erneuerbare Energien. Auch gibt es Bedenken über die Endgültigkeit von unterirdischen Kohlendioxid-Lagerungen und die Umweltverträglichkeit der Projekte. Es gibt inzwischen u.a. in Deutschland vorbildliche Gesetze und immer wieder noch vorbildlichere, detaillierte Experten-Debatten, aber nur relativ kleine Pilotprojekte.
China will auch bei Carbon-Capture zur Weltspitze gehören
China aber prescht nun bei der konkreten Implementierung dieser Klimaschutz-Technologie voran. Das Megatonnen-Projekt von Sinopec ist nur das größte von ingesamt 35 CCUS-Pilot-Projekten, die derzeit in der Volksrepublik realisiert werden. Unterschiedliche Verfahren zur Nutzung von CO2 zur Produktion von Olefinen oder Plastik in der chemischen Industrie, zur Nutzung von CO2 zur Steigerung der Ölproduktion (in Fachkreisen als EOR oder „Enhanced Oil Recovery“ bezeichnet) und viele weitere Methoden der Verwertung oder Versenkung von Kohlendioxid werden aktiv erforscht.
Unter chinesischen Experten gilt CCUS als vielleicht nicht das optimale, aber doch als EIN wichtiges Werkzeug von vielen zum Erreichen der Klimaziele der Pekinger Zentrale. Bis zum Jahr 2060 soll China klimaneutral wirtschaften, hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping im vergangenen Herbst angekündigt.
Viele Kohlechemie-Konzerne und Raffinerien in China experimentieren aber tatsächlich schon seit einem Jahrzehnt aktiv mit CCUS-Technologien, um ihre Klimabilanz zu verbessern. Ein Pionier war die vor allem im Bereich Kohlechemie aktive „Shenhua Group“, die schon im Jahr 2010 eine Anlage zur Produktion von superkritischem, flüssigem CO2 mit einer Kapazität von 100.000 Jahrestonnen in Betrieb genommen hatte.
Die „Yanchang Petroleum Group“ hat schon 2012 zwei große EOR-Projekte zur Nutzung von Kohlendioxid zur Steigerung der Ölproduktion in Jingbian und Wuqi begonnen. Auch Sinopec auf seinem Zhongyuan-Ölfeld und PetroChina auf seinem Changqing-Ölfeld setzen schon lange EOR-Techniken zur Verringerung von Kohlendioxid in der Atmosphäre ein. Die größten Projekte in China hatten jedoch bislang maximal eine Jahreskapazität von 400.000 Tonnen. Deshalb gilt das nun von Sinopec angekündigte Megatonnen-Projekt als “Game Changer”.
Gewaltiges Potenzial für ein gewaltiges Problem
„Als wichtiger Teil des Technologie-Portfolios um die Karbon-Neutralität zu erreichen hat die CCUS-Technologie ein gewaltiges Potenzial für künftige Emissions-Verringerungen,“ zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den chinesischen Experten Sun Hong, Chefingenieur im chinesischen „Administrativen Zentrum für Chinas Agenda 21“.
Sun (der Familienname steht im Chinesischen stehts vorn) argumentiert, dass fossile Energieträger auch im Jahr 2050 noch mit mindestens 10 bis 15 Prozent am chinesischen Energie-Mix beteiligt sein werden. Und CCUS sei derzeit die einzige Technologie, mit der die Klimabilanz von Energieerzeugern und Chemiekonzernen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, verringert werden könne, sagte der Experte der Agentur.
Das bevölkerungsreiche und wirtschaftlich schnell wachsende China bläst momentan mehr CO2 und andere Treibhausgase in die Atmosphäre als irgendein anderes Land der Erde. 27 Prozent aller CO2-Emissionen stammten im Jahr 2019 aus China. Zum Vergleich: Die USA, die EU und Indien zusammen bringen es nur auf rund 24 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Aus diesem Grund haben sämtlichen Anstrengungen der Volksrepublik zur Emissions-Reduzierung, darunter auch in Bereich CCUS, eine überragende Bedeutung für den Klimaschutz.
Sun Hongs Agenda-21-Zentrum erarbeitet gerade gemeinsam mit dem chinesischen Wissenschaftsministerium eine „Roadmap für die Entwicklung von carbon-neutralen Technologien”, und CCUS-Projekte spielten darin eine „Schlüsselrolle“, schreibt Xinhua. Die Beratungsagentur Goldman Sachs hat errechnet, dass die beherzte Umsetzung von CCUS-Projekten in China die Kosten für diese Technologie zwischen 2025 und 2050 um 20 bis 60 Prozent drücken könnte. China könne damit 10 bis 24 Prozent seiner CO2-Emissionen neutralisieren, hieß es.
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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