China Market Insider China rüstet auf: Konkrete Pläne für heimische Spezialchemie

Von Henrik Bork

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Die Spezialchemie steht derzeit auf den Plänen der chinesischen Regierung ganz oben. Wegen der Wichtigkeit neuer Materialien für eine Reihe von Schlüsselindustrien – von der E-Mobilität über erneuerbare Energien bis hin zu Halbleitern – soll dieser Zweig der chemischen Industrie in den kommenden fünf Jahren besonders stark gefördert werden.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – In mehreren chinesischen Provinzen sind konkrete Entwicklungspläne für die Spezialchemie ausgearbeitet worden. Damit ist erstmals ein Überblick möglich geworden, wo und von wem „Performance Materials“ in China künftig entwickelt und produziert werden sollen. Es wird klar, auf welche Materialien China besonderen Wert legt, und welche lokalen Projekte mit besonderer Förderung rechnen können.

Die detaillierten Pläne für Provinzen und Standorte wie Guangdong, Fujian oder Shanghai addieren sich zu nichts weniger als zu dem Versuch, eine komplette Industrie aus der Taufe zu heben. Sollten sie gelingen, so wäre dies die Geburtsstunde der chinesischen Spezialchemie als führender Player auf dem Weltmarkt.

Dass dies kein leichtes Unterfangen ist, macht die chinesische Chemiezeitung Zhongguo Huagong Bao in einer aktuellen Analyse deutlich, indem sie ungeschminkt den jetzigen Stand der Spezialchemie in China beschreibt. Da zeigen sich noch deutliche Rückstände Chinas im Vergleich zu anderen Nationen.

Derzeit machen Spezialchemikalien nur 8,7 Prozent der chinesischen Chemieproduktion aus. Die in der Volksrepublik hergestellten Spezialfasern haben einen globalen Marktanteil von weniger als zehn Prozent. Auch gibt es mehr als 130 neue Materialien, die „noch nicht unabhängig von anderen Ländern produziert werden können“, zitiert die Chemiezeitung einen Sprecher des Verbandes der Chinesischen Petroleum- und Chemie- Industrie.

Der ehrgeizige Plan: Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll eine Selbstversorgungs-Rate mit den wichtigsten Produkten der Spezialchemie von 75 Prozent erreicht werden und der Anteil der Spezialchemie an der Gesamtproduktion der chemischen Industrie in China zehn Prozent übersteigen. Es solle eine „Industrie für neue Materialien aufgebaut werden, die dem Status Chinas als große Petrochemie-Nation entspricht,“ schreibt die Chemiezeitung.

Spezialisierung auf Provinzebene

Die Provinz Guangdong soll sich daher ab jetzt unter anderem auf technische Kunststoffe, Chemikalien für die Elektronik-Industrie, funktionale Membran-Materialien sowie Hochleistungs-Fasern konzentrieren.

In Shanghai sollen ab jetzt mehr Hochleistungs-Poylolefine, technische Kunststoffe, synthetischer Spezial-Kautschuk, Spezial-Klebstoffe und andere fortgeschrittene Polymere, sowie Materialien wie Spezialtenside, Elektronik-Chemikalien und pharmazeutische Zwischenprodukte hergestellt werden. Auch bei Hochtemperatur-Supraleitern, Graphenen und Materialien für den 3D-Druck sollen Industrieparks und einzelne Unternehmen in Shanghai die Führung bei dieser nationalen Aufholjagd übernehmen.

Einzelne der bisher genannten Materialien sollen auch in der Küstenprovinz Fujian verstärkt entwickelt und produziert werden, zusätzlich dazu aber auch ultrahochmolekulares Polyethylen, Aramid-Fasern und neue Verbundwerkstoffe auf Keramik-Basis, um nur einige Beispiele zu nennen.

Unter den Produktgruppen, die in den Provinzplänen besonders hervorgehoben werden, sind insbesondere funktionale Materialien für die Weiterverarbeitung von Seltenen Erden zu nennen, des weiteren neue Materialien für Lithium-Batterien wie beispielsweise Anoden, Kathoden oder hochwertige Elektrolyte. Auch die Bedeutung von Graphen-Materialien sowie der „Messung und Charakterisierung von Strukturen im Micro-Nano-Bereich“ wird besonders betont.

F&E nach Plan

Die genannten Beispiele machen deutlich, wie detailliert sich die Zentralplaner in Peking und die Provinzkader mit den Spezialchemikalien befasst haben, die in mehreren Schlüsselindustrien der Zukunft Engpässe auslösen könnten, wenn es zum Beispiel zu weiteren Handelsboykotten aus Washington käme.

Immer wieder werden örtliche Industrieplaner angehalten, existierende örtliche „Assets“ im Bereich neue Materialien zu nutzen. So solle das bereits vorhandene Potenzial von Unternehmen wie „Xiamen Tungsten New Energy”, „Qingmei“, “Shanshan“ voll ausgenutzt werden, wenn es um neue Materialien für Lithium-Batterien geht. Oder im Bereich Graphene soll beispielsweise die „Xiamen Torch High-Tech Zone“, sowie Standorte in Quanzhou Jinjiang oder Sanming Yongan zu industriellen Clustern ausgebaut werden.

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Auch die Forschung & Entwicklung im Bereich Spezialchemie soll nicht bloß allgemein gestärkt werden, sondern wird momentan auf ganz konkrete Projekte auf Provinzebene verteilt. So wird Shanghai verpflichtet, das „Shanghai International Chemical New Material Innovation Center“ auszubauen und nach Kräften zu unterstützen. In der Provinz Shandong soll sich ein neues F&E-Zentrum der Wanhua Chemical Group um eine bestimmte Gruppe von neuen Materialien kümmern. Bestimmte Orte wie Weihai, Jining, Dezhou oder Taian sollen zu führenden Standorten für die Industrialisierung von Karbonfasern ausgebaut werden.

Einblick in Chinas Spezialchemie-Zukunft

In ihrer Gesamtheit lesen sich die Entwicklungspläne der chinesischen Provinzen wie eine Aufstellung der Materialien, ohne die eine moderne Produktion in den Bereichen Biotechnologie, Halbleiter, Raumfahrt oder erneuerbare Energien nicht möglich ist. Sie sind zusammen genommen ein faszinierender Einblick in die Zukunft der Spezialchemie in China.

Denn wenn Chinas Zentralplaner in der Vergangenheit eines bewiesen haben, dann ist es, dass sie sich von einzelnen Rückschlägen, Überkapazitäten hier oder da und sogar von Korruptionsskandalen nicht abhalten lassen. Sie werden also auch diese Pläne aller Voraussicht nach Schritt für Schritt umsetzen.

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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