Chemisches Recycling von Plastikabfall Chemycling: Die Lösung aller Abfallprobleme?
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Chemcycling könnte das Problem mit dem Plastikabfall lösen. Doch welches Verfahren macht das Rennen? Möglicherweise das des amerikanischen Unternehmens Anellotech, das eine katalytische Wirbelschicht nutzt. Ein japanisches Konsortium ist von der Technologie jedenfalls überzeugt und weist die Richtung in ein interessantes Partnerschaftsmodell.

Nein, ein Start up im üblichen Sinn sei Anellotech nach 14 Jahren sicher nicht mehr, sagt CEO David Sudolsky, der 2008 gemeinsam mit Professor George Huber an der Universität von Wisconsin-Madison die Technologiefirma aus der Taufe hob. Doch die Mission des nahe New York City residierenden Unternehmens könnte aktueller nicht sein: Nonfood-Biomasse als Alternative zu Erdöl und die daraus gewonnenen Kunststoffe entweder als Treibstoffe oder Chemikalien für die Polymerherstellung nutzen.
Auch vom Grundsatz her, erklärt der CEO im Teams-Call, agiere das Unternehmen immer noch wie ein Start up: 25 Mitarbeitende, die hoch fokussiert auf die Biomassekonversion und das chemische Recycling alternativer Rohstoffe sind, gepaart mit einer guten Mischung aus Industrieexperten, gestandenen Business Angels, wie dem ehemaligen Bayermanager Leslaw Mleczko als Chief Scientific Officer und einem Netzwerk an Menschen mit operativen Erfahrungen.
Selbst die Projektfinanzierung ähnelt dem Founding-Modell von Firmengründungen und bisher ist das die Mischung, mit der Sudolsky erfolgreich seine Partnerstrategie vorantreibt.
Erfolgsfaktor: Strategische Partner
Und davon gibt es mittlerweile einige: Für den BioT-Cat-Prozess hat Sudolsky gleich mehrere an Bord geholt: den Katalysatorhersteller Johnson Matthei, den Anlagenbauer Axens, das französische Forschungsinstitu IFP Nouvelles, Toyota Tsusho und den japanischen Getränkeriesen Suntory. Die Partner steckten 85 Millionen Dollar in das Projekt, den Bau einer Demoanlage, die an einem Standort für die Produktion petrochemischer Spezialitäten angesiedelt ist und mit der Unterstützung von Trecora Inc. im texanischen Silsbee betrieben wird.
Unsere Vision ist ein effizientes wirtschaftliches und großtechnisches Recycling von gemischten Kunststoffabfällen
Hier wird mittels heterogener Wirbelschichtkatalyse aus den Resten der Weihrauchkiefer BTX-Aromaten wie Benzol, Toluol sowie Meta-, Ortho- und Paraxylen erzeugt – das Bio-TCat-Verfahren. 7500 Betriebsstunden im 24/7-Betrieb hat die Demoanlage mittlerweile überstanden und nun soll bald eine kommerzielle Anlage entstehen.
Getränkehersteller Suntory z.B. ist seit 2012 strategischer Partner und auch beim aktuellsten Projekt treibende Kraft. Konzernchef Takeshi Niinami verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2030 erdölbasiertes Plastik aus seinen PET-Getränkeflaschen zu verbannen. 2021 konnten die Partner den ersten Erfolg vermelden: den Prototyp einer glasklaren PET-Flasche aus Bio-TCat-Paraxylen – einer Vorstufe des PET-Bausteins PTA (Terephthalsäure) und MEG aus Melasse, als Nachfolger für 30% bioPET, das Suntory seit 2013 für seine Marke Suntory Tennensui in Japan verwendet.
Vom Kunststoffabfall zu BTX und Olefinen
Nun geht es um den nächsten Schritt, nämlich um die Verwertung von Kunststoffabfall als Kohlenstoff- und Wasserstoffquelle. Für Recycling-Verfahren ist das eine harte Nuss, viele scheitern an der Kunststoffvielfalt, die je nach Region und Land unterschiedlich ist – kein Problem für Plas-TCat, sagt Sudolsky. Der Löwenanteil des Kunststoffabfalls besteht aus Polyolefinen, wie Polyethylen oder Polypropylen, die nur aus Kohlenwasserstoffen bestehen und eine hohe Produktausbeute garantieren.
Anellotech kann aber auch PET, Acryl, Nylon, ABS, Polycarbonate und Polyurethane mit Ausnahme von PVC direkt in BTX, Olefine und Paraffine umsetzen, was nicht nur wegen der enthaltenen Heteroatome Stickstoff und Sauerstoff eine Herausforderung ist. Für die Pyrolyse muss vorsortiert werden und der Aufwand im Downstreaming wird größer.
Vielversprechendes Projekt mit japanischem Konsortium
Besonders Japan ist an dem neuen katalytisch gesteuerten Prozess interessiert und das aus gutem Grund. Nach den USA ist Japan der zweitgrößte Produzent von Plastikabfall. Jährlich summiert sich das auf die gewaltige Menge von neun Millionen Tonnen. Deshalb hat die japanische Regierung ehrgeizige Ziele und setzt nicht nur auf klassisches Recycling und Verbrennung sondern will auch die Kapazitäten für chemisches Recycling von wenigen Hunderttausend Tonnen auf 2030 jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen und bis 2050 etwa 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr steigern.
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Chemisches Recycling
Sektorkopplung gefragt: Neue Allianzen braucht das Chemische Recycling
Damit das Realität wird, haben sich unter Führung von Suntory, Toyobo und Rengo vierzig Firmen zum Joint Venture R Plas Japan zusammen geschlossen. Für Anellotech könnte sich das als echter Jack Pot erweisen, damit erhält nämlich das Plas-TCat-Verfahren die Chance zu beweisen, was es kann.
Alle Signale aus dem Markt zeigen, dass die Zeit reif ist für das Plas-TCat-Verfahren
Zu recht meint Sudolsky und verweist auf Vorteile gegenüber konkurrierenden Verfahren wie der Thermopyrolyse. In den Pyrolyseöfen entsteht ein Cocktail an Olefinen und Wachsen, die im Steamcracker veredelt werden müssen. Die schlanke katalytische Pyrolyse erzeugt BTX, Ethylen, Propylen und Paraffine – in einem Reaktor.
Größe senkt Kosten
Pluspunkt ist für Sudolsky auch die einfache Skalierbarkeit der katalytischen Wirbelschicht. Während Maßstabvergrößerungen bei der Thermopyrolyse über das Numbering up der Pyrolyseöfen erfolgt und damit an Grenzen stoße, sei der Wirbelschichtreaktor unbegrenzt skalierbar – ein Vorteil angesichts der weltweit explodierenden Kunststoffmenge. Eigentlich setze nur die Sammel- und Zuführlogistik Grenzen. Und es geht natürlich auch um Kosten – Economy of Scale ist nach wie vor der beste Ansatz um Produktions- und damit auch Verkaufskosten im Griff zu behalten. Schließlich sollen Chemcycling-Produkte nicht teuer sein als erdölbasierte. Nur die wenigsten Unternehmen seien bereit mehr zu zahlen, betont Susdolsky, auch wenn Chemcycling sich durchaus als Marketingargument eignet. Weiterer Pluspunkt: die Plas-TCat-Chemikalien können in das Downstreaming eines Steamcrackers eingespeist werden. Das senkt Aufbereitungsaufwand und Investitionskosten.
Nun arbeitet das Anellotech-Team an der weiteren Entwicklung des Kunststoffrecyclings. Der Zeitplan ist straff: Bis 2027 soll ein kommerzielles Verfahren stehen. (agk)
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