Neues Verfahren zur Ammoniaksynthese Small in Japan: So geht die Ammoniaksynthese im kleinen Maßstab
Anbieter zum Thema
Liebling, ich habe die Anlage geschrumpft – Im Land der aufgehenden Sonne entwickeln Forscher ein neues Verfahren zur Ammoniaksynthese: Die kompakte Ammoniaksynthese soll kleineren Ländern eine dezentrale NH3-Produktion ermöglichen und könnte eine wichtige Rolle bei der Defossilierung der Industrie spielen. Möglich macht es, wie so oft, eine ausgeklügelte Katalysatorchemie.

Farben, Salze, Kältemittel und Dünger: Ammoniak ist einer der wichtigsten Grundstoffe der chemischen Industrie, von dem jährlich weltweit ca. 150 Millionen Tonnen hergestellt werden. Dabei entfallen 99 % der weltweiten Ammoniakproduktion auf das Haber-Bosch-Verfahren, bei dem Wasserstoff mit Stickstoff bei hohem Druck und hoher Temperatur an einem Eisenkatalysator zu Ammoniak reagieren. Dieses „Weltverfahren“ hat allerdings einen entscheidenden Haken: Der benötigte Druck und die hohen Temperaturen machen eine Herstellung im kleinen Maßstab unrentabel.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/19/4c/194c45a2c81fd0c52aa849123b79d280/96779313.jpeg)
Grünes Ammoniak
Besser als Wasserstoff: Schlägt NH3 den Wunderstoff der Defossilierung?
Tsubame BHB, ein junges Unternehmen aus Japan, hat sich dieser Herausforderung gestellt. Das Ergebnis: kleine Ammoniakanlagen. Die Technologie basiert auf einem Elektride-Katalysator, der in einem strategischen Forschungsförderungsprojekt im Rahmen des ACCEL Programms der Japan Science and Technology Agency (Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Hideo Hosono, Programmmanager: Toshi- haru Yokoyama) am Tokyo Institute of Technology entwickelt wurde. Dieser ermöglicht eine hocheffiziente Ammoniaksynthese.
Katalysatoren ermöglichen die neue Ammoniaksynthese
Ein Elektride ist eine Verbindung, in der ein Elektron ionisch an ein positiv geladenes Skelett gebunden ist, wo es als Anion fungiert. Der für die Ammoniaksynthese verwendete Katalysator basiert auf Kalzium-Aluminium-Mischmetalloxid mit nanoskaligen Metallpartikeln auf der Oberfläche. Die Elektronen können Stickstoffmoleküle mit geringerer Energie in Atome spalten und ermöglichen so die Ammoniaksynthese unter niedrigen Temperatur- und Druckbedingungen.
Um die neue Katalysatortechnologie weiterzuentwickeln und zu vermarkten, wurde 2017 die Firma Tsubame BHB mit Geldern des japanischen Nahrungsmittelherstellers Ajinomoto und des Investmentfonds UMI I gegründet. Erklärtes Ziel ist es, das weltweit erste Modell der „Vor-Ort-Produktion“ zu realisieren, das die erforderliche Ammoniakmenge direkt dort produziert, wo sie benötigt wird. Der Bedarf scheint gegeben: So gibt es derzeit mehr als 120 Länder auf der Welt, die keine eigene Ammoniakproduktion im Land haben. Viele Unternehmen in diesen Ländern scheuen sich vor dem Bau einer Haber-Bosch-Anlage, da die Wirtschaftlichkeit auf Grund hoher Investitionssummen und einer Produktionskapazität, welche die Inlandsnachfrage weit überschreitet, nicht gegeben ist.
Zudem sind oftmals nicht genügend Ressourcen wie Wasserstoff und Energie vorhanden, um eine solche Anlage zu betreiben. Die von Tsubame angestrebte dezentrale Vor-Ort-Produktion ist zum einen günstiger in der Anschaffung und kann andererseits an die Nachfrage und Ressourcenverfügbarkeit im Land angepasst werden. Ein weiterer Vorteil der Ammoniaksynthese im kleinen Maßstab ist die gute Eignung für den Betrieb mit regenerativen Energiequellen und regenerativ erzeugtem Wasserstoff.
:quality(80):fill(efefef,0)/p7i.vogel.de/wcms/61/5e/615ebbf9a8421/cover-dossier-wasserstoff-2.png)
Produktion vor Ort dank kleinem Anlagen-Footprint
Tatsächlich wäre die Fläche für Wind- oder Solarenergieerzeugung, die nötig wäre um eine große Haber-Bosch-Anlage zu versorgen, mehrere Fußballfelder groß. Die von Tsubame BHB entwickelten kleinen Ammoniakanlagen hingegen benötigen für den Betrieb einer Produktion mit einer Kapazität von 3.000 t Ammoniak pro Jahr lediglich etwa fünf Windturbinen. Die CO2 Einsparungen, die aus der Nutzung von grünem Wasserstoff resultieren, sind gegenüber der Dampfreformierung immens. Aus diesem Grund wird lokal produzierter und lokal verbrauchter grüner Ammoniak mit erneuerbarer Energie von vielen als Standard für die zukünftige Ammoniaknutzung angesehen.
Die Systeme zur Vor-Ort-Synthese von Tsubame BHB ermöglichen eine Produktion im kleinen Maßstab, können gut mittels grünem Wasserstoff und erneuerbaren Energien betrieben werden und tragen so aktiv zur Entwicklung einer grünen Ammoniak-Industrie bei. Tsubame sieht sich dabei nicht in direkter Konkurrenz zum etablierten Haber-Bosch- Verfahren, sondern vielmehr als Ergänzung, die in vielen Bereichen einen Beitrag zur Ressourcenschonung und Kosteneffizienz liefern kann.
Darüber hinaus sorgt die Ammoniakproduktion vor Ort auch für mehr Versorgungssicherheit: In den letzten Jahren mehren sich die Situationen, in denen chemische Betriebe nur schwierig mit Rohstoff versorgt werden können, sei es durch Hochwasser und Überschwemmungen, welche die Infrastruktur zerstören, oder Niedrigwasser, welches einen Schifftransport unmöglich macht. Somit kann eine lokale Ammoniakproduktion nicht nur den CO2-Fußabdruck verringern, sondern gleichzeitig auch für mehr Sicherheit in der Betriebskontinuität sorgen.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/08/7d/087dad2dcf75b4be1920b9c3d970ee0e/0101706923.jpeg)
BASF plant elektrischen Steamcracker
Der Elektrik-Trick: Kommt jetzt der strombeheizte Steamcracker?
Small is beautiful: Warum kompakte Modulanlagen die Zukunft sind
Der rasante Ausbau erneuerbarer Energien ist aus Sicht der Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Umweltfreundlichkeit sicherlich begrüßenswert. Allerdings ist die produzierte Energiemenge, insbesondere der Wind- und Solarenergie, saisonal schwankend und kann kaum an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. In nicht allzu ferner Zukunft werden diese Schwankungen und Angebot-Nachfrage-Diskrepanzen durch Energiespeicherung ausgeglichen werden müssen. Neben Batterien ist hier insbesondere Wasserstoff in der Diskussion, der mittels Elektrolyse produziert und in einer Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt werden kann. Allerdings hat Wasserstoff eine relativ geringe Energiedichte, was das Verfahren ineffizient machen kann.
Hier kann die Speicherung und der Transport mittels Ammoniak eine mögliche Lösung sein, da das Gas eine wesentlich höhere Energiedichte als Wasserstoff besitzt und wesentlich leichter in flüssiger Form gelagert und transportiert werden kann. Die kleinen Produktionsanlagen von Tsubame BHB könnten in diesem Szenario eine Schlüsselrolle übernehmen, da sie in ihrer Kapazität sehr gut mit kleineren, dezentralen Energieanlagen zusammen passen und eine Ammoniakproduktion nahe der Energieerzeugung, etwa im direkt im Windpark, ermöglichen.
:quality(80):fill(efefef,0)/p7i.vogel.de/wcms/60/8f/608fb16907600/whitepaper-cover--greenshift.png)
Im Dezember 2019 wurde eine erste Pilotanlage für 20 Tonnen Ammoniak pro Jahr in Kawasaki (nahe Tokio) in Betrieb genommen. In der Anlage werden insbesondere die Langzeitstabilität des Katalysators sowie auch die optimalen Prozessbedingungen untersucht. Ein Test der katalytischen Aktivität in der Pilotanlage unter Optimierung der Betriebsbedingungen (Reaktortemperatur, Druck usw.) erbrachte als Ergebnis, dass die katalytische Aktivität höher war als im Labortest. Im Vergleich zum Laborreaktor kann die erforderliche Katalysatormenge bei gleicher Produktivität um etwa 30 Prozent reduziert werden. Übertragen auf kommerzielle Anlagen mit einer Kapazität von mehreren Tausend Tonnen pro Jahr bedeutet dies, dass diese mit einer wesentlich geringeren Katalysatormenge betrieben werden können. Darüber hinaus konnte im Laborreaktor gezeigt werden, dass der Katalysator auch nach anderthalb Jahren Dauerbetrieb mit konstanten Reaktionsbedingungen nicht deaktiviert.
Wie geht es weiter mit der Ammoniaksynthese im Mini-Maßstab?
Aktuell hat Tsubame das Basic Engineering für zwei modulare Einheiten mit 3.000 mtpa und 5.000 mtpa fertiggestellt. Diese sind für den schlüsselfertigen Betrieb gedacht und kommen wahlweise mit oder ohne Wasserstoff- und Stickstoffversorgung. Für größere Anlagen mit mehr als 10.000 mtpa steht auch das klassische „EPC“-Geschäftsmodell zur Verfügung, bei dem der Anwender die Konstruktions- und Planungsdaten sowie den Katalysator erhält und den eigentlichen Bau der Anlage in Eigenregie bzw. in Zusammenarbeit mit etablierten Ingenieursfirmen übernimmt.
* * Der Autor ist Executive Consultant bei San-Ten Consulting und arbeitet als Advisor Europe für Tsubame BHB in Tokio.
(ID:47730154)