Nachhaltiger Polyester-Kunststoff Robust und doch recyclebar: Plastik mit chemischen Sollbruchstellen
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An Kunststoffe werden heute vielfältige Anforderungen gestellt. Nicht nur sollen die Materialien in ihrer Anwendung mechanisch belastbar und beständig sein, sondern danach auch möglichst gut wiederverwertbar oder zumindest leicht biologisch abbaubar. Forscher der Uni Konstanz haben für diese Ansprüche einen neuen Kunststoff entwickelt.

Wie können Kunststoffe so gestaltet werden, dass ihre positiven Materialeigenschaften erhalten bleiben, sie aber gleichzeitig besser rezykliert werden können? Diese und andere Fragen zur Umweltverträglichkeit von Kunststoff-Materialien erforscht der Chemiker Stefan Mecking in seiner Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz. In ihrem aktuellen Artikel in der internationalen Ausgabe der Fachzeitschrift Angewandte Chemie stellt die Arbeitsgruppe nun einen neuen Polyester vor, der industriell gefragte Materialeigenschaften und gute Umweltverträglichkeit in einem Kunststoff vereint.
Kaum vereinbare Eigenschaften
Kunststoffe bestehen aus langen Aneinanderkettungen eines oder weniger chemischer Grundbausteine, den Monomeren. Besonders weit verbreitet sind Kunststoffe, die sich durch eine hohe Kristallinität und einen wasserabweisenden Charakter auszeichnen und dadurch mechanisch hochbelastbar und beständig sind. Ein bekanntes Beispiel ist hochdichtes Polyethylen (HDPE), dessen Grundbausteine unpolare Kohlenwasserstoffmoleküle sind.
Was auf der einen Seite vorteilhaft für die Anwendungseigenschaften sein kann, birgt jedoch auch Nachteile: Das Recycling derartiger Kunststoffe – also die Rückgewinnung der Grundbausteine – ist sehr energieaufwändig und ineffizient. Gelangen die Kunststoffe unbeabsichtigt in die Umwelt, werden sie dort nur extrem langsam abgebaut.
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Chemisch konstruierte Problemlösung
Eine Strategie gegen diese vermeintliche Unvereinbarkeit der Beständigkeit und Abbaubarkeit von Kunststoffen ist der Einbau chemischer „Sollbruchstellen“. Daran arbeiten Mecking und seine Kollegen bereits seit längerem, um ihren Materialien neue vorteilhafte Eigenschaften zu verleihen. Sie haben bereits gezeigt, dass solche Modifikationen die Rezyklierbarkeit von polyethylenartigen Kunststoffen deutlich verbessern.
Eine gute biologische Abbaubarkeit ist dadurch jedoch nicht automatisch gewährleistet. „Kunststoffe mit hoher Zähigkeit erreichen diese oft durch eine Ordnung in dichtgepackte, kristalline Strukturen“, erklärt Mecking. „Die Kristallinität in Kombination mit dem wasserabweisenden Charakter bremst jedoch in der Regel die biologische Abbaubarkeit der Materialien stark, weil sie die Zugänglichkeit der Sollbruchstellen für Mikroorgansimen erschwert.“ Für den neuen Kunststoff, den die Forscher nun vorstellen, gilt dies jedoch nicht.
Nach zwei Monaten kompostiert
Das an der Uni Konstanz kreierte „Polyester-2,18“ besteht aus zwei Grundbausteinen: einer kurzen Diol-Einheit mit zwei Kohlenstoffatomen und einer Dicarbonsäure mit 18 Kohlenstoffatomen.
Beide Grundbausteine können leicht aus nachhaltigen Rohstoffquellen gewonnen werden. So ist beispielsweise der Ausgangsstoff für die Dicarbonsäure, die den Hauptbestandteil des neuen Polyesters ausmacht, pflanzlichen Ursprungs. In seinen Eigenschaften ähnelt der Polyester denen von HDPE: Durch seine kristalline Struktur besitzt er zum Beispiel eine hohe mechanische Stabilität und auch Temperaturbeständigkeit. Gleichzeitig zeigten erste Versuche zur Rezyklierbarkeit, dass aus dem Material unter vergleichsweise milden Bedingungen seine Grundbausteine zurückgewonnen werden können.
Der neue Polyester besitzt jedoch eine weitere, eher unerwartete Eigenschaft: Trotz seiner hohen Kristallinität ist er biologisch abbaubar, wie Laborversuche mit natürlicherweise vorkommenden Enzymen und Tests in einer industriellen Kompostieranlage zeigten. Der Polyester wurde durch die Enzyme im Laborversuch innerhalb weniger Tage abgebaut. Die Mikroorganismen in der Kompostieranlage benötigten etwa zwei Monate, sodass der Kunststoff sogar ISO-Kompostierungsnormen erfüllt.
„Wir waren selbst über diese schnelle Abbaubarkeit erstaunt“, sagt Mecking und ergänzt: „Natürlich lassen sich die Ergebnisse aus der Kompostieranlage nicht eins zu eins auf jede erdenkliche Umweltsituation übertragen. Sie belegen dennoch die biologische Abbaubarkeit des Materials und deuten darauf hin, dass es um ein Vielfaches weniger persistent ist als Kunststoffe wie HDPE, sollte es einmal unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen.“
Für nachhaltigere Verpackungen
Sowohl die Rezyklierbarkeit des Polyesters als auch seine Bioabbaubarkeit unter verschiedenen Umweltbedingungen sollen nun noch weiter untersucht werden. Anwendungsmöglichkeiten für das neue Material sieht Mecking zum Beispiel im 3D-Druck oder bei der Herstellung von Verpackungsfolien. Hinzu kommen weitere Felder, in denen Kristallinität in Kombination mit Rezyklierbarkeit und Abbaubarkeit von Abrieb oder ähnlichen Materialverlusten wünschenswert ist. (clu)
Originalpublikation: Marcel Eck et al.: Biodegradable high density polyethylene-like material, Angewandte Chemie International Edition (2022); DOI: 10.1002/ange.202213438
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