Quality Metrics Programm der FDA Qualitätskennzahlen, FDA und kein Ende: Wer hat den längeren Atem?
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Die Food and Drug Administration FDA versucht ihrer Quality Metrics Initative neues Leben einzuhauchen. Nachdem zwei Anläufe im Sande verlaufen sind, hat die Behörde im April diesen Jahres einen dritten Versuch unternommen. Was dahinter steckt, und warum die Pharmabranche seit Jahren auf der Bremse steht.

Schon der Name klingt sperrig und nach Bürokratie: Quality Metrics Reporting Program. Aber das war natürlich nicht der Grund, warum die Pharmabranche von der 2015 aus der Taufe gehobene Quality Metrics Initiative der Amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA alles andere als begeistert war. Zuviel Aufwand, Kosten und überhaupt, was bringt das Ganze, war der Tenor in der Branche und bis heute scheint sich daran nicht viel geändert zu haben.
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Leitlinie zu Qualitätskennzahlen in der Pharmaindustrie
Quality Metrics – Alles was Sie über Qualitätskennzahlen wissen sollten
Dabei sind Qualitätskennzahlen beileibe kein Neuland für die Branche: intern werden KPIs seit langem genutzt, um z.B. die Performance von Standorten zu vergleichen. Auch die Ziele der Initiative sollten der Pharmaindustrie nutzen. Schließlich ging und geht es um Themen, die Patientenversorgung und -sicherheit betreffen:
- bessere Qualität der Arzneimittel,
- kontinuierliche Verbesserung,
- risikobasierte Inspektionsplanung,
- effizientere Inspektionen durch Konzentration auf Produkte mit höherem Risiko und
- Hinweise auf Arzneimittelengpässe.
Um alles das zu gewährleisten sollten Unternehmen, die in die USA liefern und daher alle mehr oder weniger regelmäßig Besuch von den Inspektoren erhalten, Qualitätsdaten über ein elektronisches Portal an die Behörde liefern. Zwar berechnet die FDA schon seit Jahren eigene Kennzahlen um risikobasiert zu auditieren, z.B. aus Daten vergangener Inspektionen. Auch Daten etwa über die Komplexität der Herstellung fließen mit ein. Vollständig – so die Überlegung der Behörde – würden die Berechnungen erst mit Daten aus der operativen Produktion. Und so kam die Quality Metrics Initiative ins Rollen, deren Idee es ursprünglich war aus quantitativen Qualitätsdaten vier Qualitätskennzahlen zu ermitteln, die den Algorythmus vervollständigen sollten. Dazu gehörten auch Daten zur Kennzahl „Right First Time“, bei der es sich um ein Maß für die Nacharbeits-/Nachbearbeitungsrate oder die Anzahl der Lose handelt, die ohne Verarbeitungsabweichungen freigegeben werden. Auch die APQR on time rate (Annual Product Quality Review) gehörte mit dazu.
2015 war der Launch mit freiwilliger Teilnahme – ein Misserfolg auf der ganzen Linie. Das Portal ging nie in Betrieb und die Interessenverbände allen voran die ISPE waren dermaßen auf den Barrikaden, dass sich in einer internen Anhörung ein FDA-Vertreter „sehr enttäuscht“ über die Reaktionen zeigte.
Im November 2016 präsentierte die Behörde einen überarbeiteten Leitlinienentwurf, der 11 Metriken für die Chargenherstellung abfragte, aus denen drei Qualitätszahlen berechnet werden sollten: zur Herstellung, Robustheit des Labors und Qualitätsbeschwerden von Patienten oder Kunden. Zusätzlich gab es die Vorgabe diese alle drei Monate zu liefern, um Trends zu erkennen und es gab noch die Idee, dies pro Produkt und über die Supply Chain zu reporten. Von der in der ersten Guideline enthalten APQR on time rate, war hier schon nicht mehr die Rede, vor allem weil die Hersteller intervenierten und die Vergleichbarkeit der Daten über Standorte hinweg bezweifelten.
Im Jahr 2018 – mehrere Pilotprojekte später – initiierte die FDA zwei aktualisierte Programme: das Quality Metrics Feedback Program und das Quality Metrics Site Visit Program. Die FDA verkündete, sich nun auch auf den Nutzen für die Industrie konzentrieren zu wollen und betonte, dass mit der Implementierung eines Qualitätsmessprogramms „Unternehmen ihre gesamten Qualitätssysteme verbessern“ könnten und damit auch die Produktqualität.
Wo liegt eigentlich das Problem?
Doch trotz vieler Nachbesserungen der FDA: Die Branche mauert und das schon seit Jahren. Denn die Idee hinter der Quality Metrics Initiative tragen die FDA-Oberen schon lange mit sich herum. Schon zwei Jahre vor dem offiziellen Start diskutierten Industrie und Regulierungsbehörden im Juni 2013 auf der ISPE-FDA cGMP-Konferenz über Qualitätsmetriken und trafen auf viele Zweifel:
- Zu unterschiedlich seien Prozesse, Ziele und Definitionen der Qualitätskennzahlen in den Unternehmen.
- Die Daten seien auf verschiedene Datenbanken verteilt, ließen sich schwer zusammenfassen und verteilen.
- Zudem hieß es: die Definitionen der gewählten Kennzahlen müssen sehr genau festgelegt werden, damit die Daten konsistent generiert werden könnten.
„Die Diskussionen drehten und drehen sich sehr stark um Definitionen und weniger um die Chance, die die Initiative bietet,“ bestätigt Prof. Dr. Thomas Friedli, Leiter des Institut für Technologiemanagement (ITEM-HSG) der Universität St.Gallen. Sein Team und er erheben seit mehr als 15 Jahren Qualitätsdaten für ein weltweites Benchmarking in der Pharmaproduktion und verfügen über Daten von weltweit über 400 Produktionsstandorten – darunter das Who-is-Who der Branche.
Wissenschaft soll die Basis zur Bewertung schaffen
In den letzten fünf Jahren hat auch die FDA von den Forschungsarbeiten der St. Gallener profitiert. „Wir konnten bestätigen, dass die von der FDA vorgeschlagenen Qualitätsmetriken die angestrebten Ziele unterstützen,“ sagt Friedli. Die Forschungen der Universität St. Gallen sollen die wissenschaftliche Basis für die risikobasierte Bewertung pharmazeutischer Qualitätssysteme legen.
In der Hauptsache geht es darum, relevante Leistungskennzahlen für die pharmazeutische Produktion zu identifizieren, um den aktuellen Stand der Qualität zu bewerten und Risiken von Qualitätsmängeln sowie daraus resultierende Arzneimittelengpässe vorherzusagen. Die Behörde selbst hat auch das Ziel, ihre Unternehmensbesuche auf Standorte zu konzentrieren, die stark risikobehaftete Arzneimittel und/oder Wirkstoffe herstellen.
Wo Ressourcen fehlen zieht Pragmatismus ein
Und letzteres hat ganz praktische Gründe. „Der FDA fehlen die Ressourcen, um die Standorte für die sie zuständig ist alle zwei Jahre zu inspizieren,“ erklärt Friedli. Inspektionen ja, aber nur so viele wie nötig. Nach diesem Grundsatz agiert die FDA schon seit vielen Jahren. Risikobasiert nennt sich das und steht im Einklang mit Regularien wie der ICH Q9 und ICH Q10, welche das Qualitätsrisikomanagement beschreiben und die Anforderungen an ein pharmazeutisches Qualitätssystem.
Der generelle Ansatz der FDA entwickle sich gerade in Richtung Quality Maturity, erklärt Friedli. „Die Inspektoren wollen sehen wie Qualität gemanagt und organisiert wird. Entsprechend haben sich auch die Inspektionsprotokolle geändert.“ Die Quality Metrics Iniative sollte hier eigentlich den Pharmaunternehmen in die Karten spielen. „Das spannende sind ja nicht die drei Kennzahlen, die in der Draft Guideline stehen, sondern die Frage, wie diese innerhalb eines Standortes interpretiert und zur Qualitätsverbesserung genutzt werden können,“ sagt Friedli.
OPEX und KVP – Quo vadis?
Vielleicht liegt hier der Hase im Pfeffer. Die Idee des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ist nicht unbedingt tief in den Pharmagenen verankert. Seit Jahren bemühen sich Beraterscharen, nicht zuletzt die Opex-Iniative der Universiät St. Gallen Big Pharma zu KVP und Operational Excellence zu erziehen – bislang mit mäßigem Erfolg. Bleibt die Frage, wie das Qualitätsbewußtsein stärker in der Branche verankert werden könnte. Und wie man die Branche dazu bewegt, für mehr Qualität Geld in die Hand zu nehmen. Die FDA hat schon vor Jahren erkannt, dass wer (CGMP) einhält lediglich für den „Mindeststandard“ sorgt und nicht notwendigerweise auch in nachhaltige Verbesserungen investiert.
Möglicherweise können hier weitere Projekte an dem Friedlies Team gerade arbeitet als Treiber wirken – die aktuelle FDA Zusammenarbeit wurde übrigens gerade um ein weiteres Jahr verlängert (bis Ende September 2023). „Wir zapfen weitere Datenquellen an, um der FDA zu ermöglichen Inspektionsergebnisse vorauszusagen.“ Die Ergebnisse könnten seiner Meinung nach auch der Pharmaindustrie helfen, sich besser auf Inspektionen vorzubereiten und diese erfolgreich zu überstehen. Und echten erzieherischen Wert könnte die Idee entfalten, ein Qualitätsrating zur Beschaffung kritischer Arzneimittel zu etablieren. „Beschaffungsorganisationen könnten sich dann nach dem Rating orientieren und nur bei Unternehmen kaufen, die entsprechend gut eingestuft sind, erklärt Friedli.
Die FDA gibt jedenfalls nicht auf. Im April 2022 hat sie eine Neuauflage der Quality Metrics Iniative vorgelegt – in noch einmal abgespeckter Form. Die Hersteller sollen die Möglichkeit erhalten, aus jedem Praxisbereich eine oder mehrere Kennzahlen auszuwählen, die aussagekräftig sind und es ermöglichen, Chancen zur kontinuierlichen Verbesserung zu erkennen. Mal sehen, ob dieser erneute Anlauf von Erfolg gekrönt sein wird.
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