Enpro-Initiative Modularer Anlagenbau ist keine Theorie mehr: Jetzt geht es in die Praxis

Von Jenny Orantek*

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Die Enpro-Initiative hat den modularen Anlagenbau und das MTP-Konzept ein großes Stück weitergebracht und eine gute Basis für die Normung und Standardisierung sowie erste industrielle Umsetzungen gelegt. Das sagt im Interview Dr.-Ing. Frank Stenger, bei Evonik Evonik Operations GmbH, Process Technology & Engineering, verantwortlich für das Thema "Modularer Anlagenbau"

Frank Stenger
Frank Stenger
(Bild: EVONIK PERFORMANCE MATERIALS)

Evonik ist einer der Pioniere im modularen Anlagenbau. Was bedeutet das für die Schwerpunkte des Unternehmen in der Enpro-Initiative?

Frank Stenger: Ausgehend von der 50% Idee aus dem Tutzing Symposion 2009 und den Erfahrungen aus dem EU Projekt „F3 Factory“ gestalteten wir die Enpro-Initiative von Anfang an mit, um den modularen Anlagenbau als Wegbereiter für Beschleunigung und Energieeffizienz in der Prozessindustrie weiter zu entwickeln. Daraus ergaben sich mehrere Projekte, die in den Projekt-Phasen von Enpro 1.0 und Enpro 2.0 bearbeitet wurden. Da war das Thema zum integrierten Datenmanagement, in der die Frage einer einheitlichen Datenstruktur über den kompletten Lebenszyklus einer Anlage bearbeitet wurde. Mit der TU Dortmund arbeiteten wir gemeinsam an der Umsetzung einer smarten Miniplant für effektive, kontinuierliche Trennverfahren (SMekT) in der Kristallisation. Das war das erste Projekt, in dem wir modulare Anlagenteile für den Laboreinsatz entwickelt, aufgebaut und erprobt haben. Viele Ideen, die wir heute in den Modulen etabliert haben, sind dort entstanden.

In Orca (Effiziente Orchestrierung modularer Anlagen) ging es schließlich um die Entwicklung einer effizienten Orchestrierung von modularen Anlagen und deren Automation über eine einheitliche Datenschnittstelle - dem MTP - gemeinsam u.a. mit den Leitsystemherstellern.

Das Projekt Skampi beschäftigte sich mit einer skalenübergreifenden Methode zur modulare Prozessentwicklung, es bietet somit den Einstieg zum modularen Ansatz in der Verfahrensentwicklung.

Bei Hector geht es schlussendlich um die Entwicklung von effizientem Equipment an spezifischen Anlagenteilen, z.B. Pumpen. Das sind die Projekte, in denen Evonik, weitgehend auch federführend, beteiligt war.

An diesen Projekten sieht man die Bandbreite unserer Beteiligung, mit dem Ziel, die Themen Energieeffizienz und Prozessbeschleunigung durch den Einsatz modularer Anlagen grundlegend zu entwickeln.

Smekt war das erste Projekt, in dem wir modulare Anlagenteile für den Laboreinsatz entwickelt, aufgebaut und erprobt haben.

Dr.-Ing. Frank Stenger, bei Evonik Evonik Operations GmbH, Process Technology & Engineering, verantwortlich für das Thema "Modularer Anlagenbau")

Welche Projekterfahrungen (positive wie negative) können Sie weitergeben? Was hat Sie innerhalb der Projektzusammenarbeit am meisten überrascht? Was würden Sie in einer Weiterentwicklung von Enpro anders machen?

Stenger: Enpro ist ein hersteller- und anwenderübergreifendes Konsortium. Da sind Hochschulen, Anwender und Engineering-Companies dabei, die Verfahrenstechnik, das Engineering und die Automation. Das war neu und - das hat sehr gut funktioniert. Es war auch notwendig und wichtig, alle Beteiligten von Anfang mit zu beteiligen. Wir hatten ein gemeinsames Ziel, zogen an einem Strang und stellten ein Stück weit auch eigene Firmeninteressen hinten an. Es ging um produktunabhängige und vorwettbewerbliche Dinge. Wir schufen Grundlagen für die Standardisierung und Normung. Das ist insbesondere für die Hersteller von Automatisierungssystemen wichtig, um marktfähige Produkte zu entwickeln. Das alles braucht Zeit. Dennoch haben wir im Rahmen der einzelnen Projekte bereits erste Umsetzungen realisieren können. In folgenden Projekten muss nun noch stärker der Anlagenbau oder besser die potentiellen Modulbauer mit einbezogen werden.

Mit welchem Projekt wird Evonik bei der Weiterentwicklung von Enpro dabei sein, und welche Gründe waren ausschlaggebend für die Auswahl des Projektes?

Stenger: Die Projekte in der Weiterentwicklung sind ja insgesamt noch in der Findungsphase. Im Moment schließen wir einige Projekte aus Enpro 2.0 ab. Einzelne Aspekte daraus wollen wir weiterführen. Für uns steht die modulare Automation und die Einbindung der Modulbauer im Fokus. Daran sollte auch wieder branchenübergreifend gearbeitet werden. Ein spezielles Evonik-Einzelthema, das wir mit einem Hersteller und einer Hochschule weiterentwickeln wollen, haben wir nicht. Denn es gibt noch eine ganze Reihe an Entwicklungsarbeiten im Umfeld der Orchestrierung und des MTPs sowie der Genehmigung von modularen Anlagen. Das muss weiter bearbeitet und entwickelt werden und da wollen wir uns engagieren.

Welche konkreten Ergebnisse hat Enpro erbracht?

Jedes Einzelprojekt hat konkrete Ergebnisse gebracht, für uns zählt aber die Summe der Ergebnisse aus der gesamten Enpro-Initiative. Das Thema modularer Anlagenbau ist für die Prozessindustrie eine komplett neue Art, Prozesse und Anlagen zu entwickeln, zu planen und zu betreiben. Diese Bandbreite haben wir versucht in den einzelnen Projekten abzubilden und sind da sukzessive vorangekommen. Aus meiner Sicht war daher nicht das einzelne Projekt, sondern die Summe aus allen Projekten wichtig. Dank Enpro sind wir heute in der Modularisierung an dem Punkt, an dem wir eine gute Basis für die Normung und Standardisierung sowie erste industrielle Umsetzungen haben. Für die chemische Industrie legen die Ergebnisse aus Enpro somit die Grundlage für ein leistungsfähiges Technologiepaket, das es möglich macht, Capex-optimiert neue chemische Prozesse und Produkte zu entwickeln und flexibel in bestehende Infrastrukturen einzubinden.

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Wie beeinflussen die Schnittstellen und Informationsmodelle, die aus Orca resultieren die Standardisierungsarbeiten bei Namur, Processnet, ZVEI, GMA und DKE?

Stenger: Das ist ein grundlegender Baustein der zum Beispiel bei der „F3 Factory“ noch fehlte. Da hat man Modularisierung zum Großteil auf der mechanischen Ebene durchgeführt, hat Units geschnitten und zusammengestellt. Nach außen hin sah das modular aus, war aber in seiner zentralen Einheit immer noch monolithisch zusammengestellt. Im Modulschnitt ist die Datenschnittstelle und der Übergang zwischen der Verfahrenstechnik und der Automatisierungstechnik ein kritischer Punkt. Die Automatisierungstechnik ordnet dem Modul ein Stück weit Dienste zu, die über die Standardschnittstelle MTP (Module Type Package) übertragen werden. Die Frage ist jetzt, was diesem Dienst auf verfahrenstechnischer Seite entspricht. Und hier ist der direkte Link zwischen NAMUR und ProcessNet und zwischen den VDI-Richtlinien 2658 und 2776.

Sie haben die Standardschnittstelle MTP erwähnt. Welche Rolle spielt das MTP-Konzept mittlerweile für Evonik?

Stenger: Wie gesagt, das ist eine der wichtigsten Säulen bei der Modularisierung und ein Grundstein jeder modularen Automation. Vor vier Jahren gab es das MTP in der Theorie, aber nicht in der Praxis. Da sind wir auch intern Sonderwege gegangen und haben wichtige Erfahrungen gesammelt. Mittlerweile versuchen wir, wo machbar und möglich, Schnittstellen von Modulen und Package Units über MTP zu spezifizieren und zu implementieren. Es ist für uns ein zentraler Bestandteil im Bereich von flexiblen Miniplants und der Package Units.

2019 hat Evonik erste Erfahrungen mit dem MTP-Standard in einer Anlage in Singapur gesammelt. Welche Learnings gibt es aus diesem Projekt?

Stenger: Das war die erste Package-Unit weltweit, die im industriellen Umfeld mittels MTP implementiert wurde. Die Rückmeldung von den Ingenieuren, die es implementiert haben, war sehr positiv. Danach wussten wir, dass die Plug & Produce-Idee wirklich funktioniert und Vorteile bringt. Jetzt muss sich das MTP-Konzept im Markt etablieren, denn wir wollen das „Plug & Produce Konzept“ verstärkt einsetzen. Allerdings haben wir im Moment noch Leitsysteme in unseren Anlagen, in die sich das MTP-Konzept nicht so ohne Weiteres integrieren lässt. Neben der Anwendung für die effiziente Integration von Package Units nutzen wir das modulare Technologiepaket aus Automation und Engineering momentan insbesondere auch im Rahmen der Prozessentwicklung in R&D. Hier sehen wir den Hauptnutzen, schnell und flexibel und durch Wiederverwendung von modularen Miniplant-Bausteinen Capex-optimiert auf unterschiedliche Entwicklungsanfragen reagieren zu können.

Wie beurteilen Sie nach den Erfahrungen aus diesem Projekt die Praxistauglichkeit?

Stenger: Wenn es soweit vorbereitet ist, wie wir uns das alle wünschen, dann geht das deutlich schneller und einfacher. Momentan ist die Integration in bestehende Leitsysteme noch aufwändig und teilweise nicht möglich. Für die Übergangsphase und den weiteren Roll-out des Konzeptes muss hier gemeinsam mit den Leitsystemherstellern eine Lösung gefunden werden, um die erzielten Entwicklungserfolge auch weiter nutzen zu können.

* Jenny Orantek leitet das Marketing des Softwarespezialisten X-Visual

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