Problem erkannt ... Mikroplastik in kommunalen Kläranlagen nachhaltig entfernen

Autor / Redakteur: Adrian Frank Herbort und Jun.-Prof. Katrin Schuhen* / Dipl.-Medienwirt (FH) Matthias Back |

Inerte organisch-chemische Stressoren (IOCS), zu denen auch Mikroplastik zählt, können derzeit nicht durch kommunale Kläranlagen zurückgehalten werden, sondern gelangen in den Wasserkreislauf. Nun wurde ein konzeptbasierter Forschungsansatz in eine ganzheitliche Lösung überführt.

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Abb. 1: Über Abwasser und Klärschlamm aus Kläranlagen werden Mikroplastikpartikel direkt in die Umwelt eingetragen.
Abb. 1: Über Abwasser und Klärschlamm aus Kläranlagen werden Mikroplastikpartikel direkt in die Umwelt eingetragen.
(Bild: © darknightsky / Fotolia.com)

Inerte organisch-chemische Stressoren (IOCS) sind Verbindungen, die aufgrund langer Abbauzeiten sehr lange im Ökosystem verbleiben und dieses schädigen. Vertreter dieser Gruppe von Stressoren sind auch kleinste Kunststoffpartikel, die unter dem Begriff Mikroplastik bekannt sind. Gelangen Mikroplastikpartikel in den Wasserkreislauf, kommen Kläranlagen an ihre Grenzen. Dies gilt auch für viele andere organisch-chemische Stoffe wie Pharmazeutika.

Seit 2012 erforscht ein Team rund um Jun.-Prof. Dr. Katrin Schuhen von der Universität Koblenz-Landau einen neuen Ansatz zur Entfernung von anthropogenen Stressoren aus dem Wasser. Neben dem Entfernen von Medikamenten und Medikamentenrückständen (so genannten reaktiven organisch-chemischen Stressoren, ROCS) beschäftigen sich die Wissenschaftler seit 2015 auch intensiv mit der Eliminierung von so genannten inerten organisch-chemischen Stressoren (IOCS).

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Im Projekt Wasser 3.0 wird aktuell gemeinsam mit den Industriepartnern abcr GmbH und Zahnen Technik der Kläranlagentransfer umgesetzt, um sowohl Pharmazeutika als auch Mikroplastik in einem Verfahrensschritt nachhaltig aus dem Wasser zu entfernen.

„Polymere und deren Produkte regieren die Welt“

Die Produktionsmengen in der Kunststoffindustrie sind von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 1950 über einen Zeitraum von 65 Jahren auf 322 Millionen Tonnen im Jahr 2015 stetig angestiegen, Tendenz steigend. Der Großteil des Kunststoffes wurde im Jahr 2015 zu Verpackungen verarbeitet – in Deutschland sind es 35% der Gesamtproduktion. Doch auch in der Bauindustrie wird, mit einem Anteil von 24%, viel „Plastik“ benötigt. Der restliche Polymerbedarf verteilt sich auf Elektronik, Möbel, Haushaltswaren, Landwirtschaft, die Medizin und vieles mehr.

Im Jahr 2012 fielen europaweit 25,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an – davon wurden 9,6 Millionen Tonnen deponiert und 15,6 Millionen Tonnen zurückgewonnen. Circa 42% dieser rückgewonnenen Abfälle wurden recycelt und circa 57% zur Energierückgewinnung verbrannt. Aber dies ist nur der direkt sichtbare „Plastik-Müll“, der im Recyclingprozess bedacht wird. Was ist jedoch mit den unreaktiven (inerten) organisch-chemischen Verbindungen und deren Abbauprodukten, wenn diese in das Ökosystem gelangen [1]?

Mikroplastik ist ein globales Problem

Mikroplastikpartikel können über kommunale und industrielle Abwässer in die Umwelt gelangen. Man unterscheidet primäres von sekundärem Mikroplastik, die Quellen indes sind extrem vielfältig. Primäres Mikroplastik findet sich beispielsweise in Körperpflegeprodukten und Reinigungsmitteln. Diese Mikroplastikpartikel sind hauptsächlich aus Polyethylen (PE), aber auch aus Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS) zusammengesetzt und ihre mittlere Größe liegt zwischen 150 und 330 μm, die Mindestgröße unter 10 μm [2].

Ergänzendes zum Thema
LP-Tipp– zu Mikroplastik

Mikroplastikpartikel haben eine mittlere Größe zwischen 150 und 330 μm und eine Mindestgröße unter 10 µm. Man unterscheidet zwischen bewusst erzeugten Mikroplastikpartikeln zu Gebrauchszwecken, z.B. in Kosmetika (primäres Mikroplastik), und solchen, die durch den Zerfall von Kunststoffprodukten entstehen (sekundäres Mikroplastik). Mikroplastik ist in fast allen Bereichen der Umwelt und nahezu global vertreten.

Die geschätzte Belastung von Mikropartikeln in den Umweltkompartimenten Boden und Wasser in Deutschland betrug 500 t/ Jahr und in Europa 8600 t im Jahr 2016 [3-5]. Die Freisetzung von synthetischen Fasern beim Waschen von Textilien ist eine weitere Quelle von Mikroplastik [6]. Textilien bestehen hauptsächlich aus Polyester (PES) (78%), gefolgt von Polyamid (PA) (9%), PP (7%) und Acryl (5%). Bis zu 700 000 Fasern können in einem Waschprozess freigesetzt werden [7]. Andere Quellen von solchem als sekundär bezeichneten Mikroplastik sind Abrieb von alltäglichen Kunststoffprodukten und Polyvinylalkohol (PVAL) aus Hygieneprodukten [4, 8, 9].

Die stetig steigende Produktvielfalt im Kunststoffbereich hat zur Folge, dass Abfallkonzepte immer notwendiger werden. Unachtsame Handhabung sorgt dafür, dass viele Kunststoffgegenstände nicht regelkonform entsorgt werden. Durch äußere Einflüsse kommt es zur Fragmentierung, wodurch ebenfalls sekundäre Mikrokunststoffe entstehen. Mikropartikel aus z.B. Textilfasern, Reinigungsprodukten oder Reifenabrieb gelangen anschließend in die Kläranlage, welche ein nachhaltiges Zurückhalten der Partikel nicht garantieren kann.

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