Lithium-Ionen-Batterien Lithium-Ionen-Akkus: Warum die (Brand)gefahr immer noch unterschätzt wird

Von Anke Geipel-Kern

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Wer Lithium-Ionen-Batterien lagert, muss sich der Gefahren durch die Energiespeicher bewusst sein. Dabei sollte man sich aber nicht auf offizielle Vorgaben allein verlassen. Was Unternehmen und Mitarbeiter wissen müssen. Wie Sie die Gefahren realistisch einschätzen und was Frühwarnsysteme bringen.

Die Werkfeuerwehr des Chemieparks Gendorf bereitet sich mit regelmäßigen Übungen auf den Ernstfall eines Batteriebrandes vor.
Die Werkfeuerwehr des Chemieparks Gendorf bereitet sich mit regelmäßigen Übungen auf den Ernstfall eines Batteriebrandes vor.
(Bild: Infraserv)

Sie sitzen im Büro, telefonieren mit ihrem Arbeitshandy und stellen dabei fest, dass der Akku bald leer ist. Vermutlich würden sie nach dem Telefongespräch das Ladekabel suchen, das Handy anstecken, auf den Schreibtisch legen und nicht weiter darüber nachdenken. Sollten Sie allerdings im Chemiepark Gendorf in Burgkirchen arbeiten, bekommen Sie möglicherweise Besuch vom Arbeitsschutz. „Ich habe beispielsweise einen deutlichen Hinweis vom Arbeitsschutz bekommen, weil ich mein Handy auf dem Schreibtisch geladen habe, ohne eine feuerfeste Unterlage unter zu legen“, erzählt Tilo Rosenberger-Süß, Sprecher von Infraserv Gendorf, der Betreibergesellschaft vom Chemiepark Gendorf.

Manche unter Ihnen mögen diese Anforderung für übertrieben halten. Es ist doch nur ein Handyakku. Welches Gefahrenpotenzial schon in kleinen Lithium-Ionen-Batterien steckt, zeigt eine schnelle Videosuche im Internet. Auf dem Youtube-Kanal des Instituts für Schadensverhütung findet man beispielsweise einen 30-sekündigen Clip, der zeigt, was mit einer vollgeladenen Li-Io-Batterie passiert, wenn sie erhitzt wird. Die Batterie wird über einem Bunsenbrenner platziert. Etwa zehn Sekunden passiert nichts. Dann plötzlich ein Zischen, eine Flamme und eine Explosion, die die Batterie wie eine Rakete losgehen lässt.

Es ist eindeutig, dass von Li-Io-Batterien Gefahren ausgehen können. Aber im Normalfall nicht einfach so. In dem Versuchsaufbau musste ein Bunsenbrenner nachhelfen. Wichtig ist die richtige Beurteilung der Gefahr. Gerade in Industrieumgebungen wie dem oben genannten Chemiepark kann die richtige Beurteilung der Situation sowie präventive Maßnahmen beim Lagern und Einsatz der Energiespeicher den Unterschied zwischen einer Katastrophe, mit der man es in die Tagesschau schafft und einem normalen Arbeitstag ausmachen.

Fünf Gründe warum Akkus anfangen zu brennen
Wissenswert

Die VdS-Richtlinie 3103 der deutschen Versicherer zur Schadensverhütung bewertet Lithium-Ionen-Batterien als Gefahrstoffe, die in entsprechenden Gefahrstoffschränken gelagert werden müssen.

  • 1. Überhitzung beim Aufladen durch hohe Umgebungstemperaturen oder direkte Sonneneinstrahlung;
  • 2. Falsche Ladegeräte oder Überladung;
  • 3. Tiefenentladung durch permanente Selbstentladung bei längerer Lagerung;
  • 4. Mechanische Beschädigung;
  • 5. Hohe Umgebungstemperatur bei der Lagerung. Empfohlen wird eine Lagertemperatur zwischen 6 und 15 Grad Celsius.

Man muss wissen, wo Gefahrenquellen liegen

Um das Gefahrenpotenzial richtig einschätzen zu können, muss man wissen, wann eine Batterie eine Fehlfunktion haben kann. Bei Lithium-Ionen-Akkus sind vor allem Hitze und Stöße ein Problem. Wie hitzeempfindlich ein Akku ist, hängt von der Zusammensetzung ab. Der untere Rand der Skala liegt bei etwa 60 Grad Celsius. Manche Batterien können auch bis auf 300 Grad Celsius erwärmt werden, ohne dass Fehlfunktionen drohen. Gerade Alltagsgeräte wie Handys, Tablets und Laptops oder Werkzeuge wie Akkuschrauber, haben häufig Akkus, die nicht sonderlich hitzebeständig sind.

Laut Dr. Andre Horstenkamp, zuständig für das Projektmanagement beim Gefahrgutspezialisten Düperthal, sollten Lithium-Ionen-Batterien separat in Brandschutzbereichen gelagert werden. Hierzu eignen sich insbesondere zertifizierte und als Typ 90 klassifizierte Brandschutzschränke mit spezieller Türverriegelung. Das bringe mehrere Vorteile mit sich. Der Schrank kann einerseits einen Akku-Brand im Inneren an der Ausbreitung hindern. Andererseits kann ein temperaturbeständiger Container verhindern, dass sich Batterie im Inneren entzünden, wenn Hitze von außen kommt, zum Beispiel bei einem Hallenbrand.

Außerdem sollten Batterien nicht gestapelt werden. „Bauen Sie keine Türme“, meint Horstenkamp. Wenn die Ladungsträger nicht getrennt, zum Beispiel in isolierten Lagerbereichen liegen, könnte verhindert werden, dass eine beschädigte Batterie andere mit entzündet. Das kann beim Laden wichtig werden. Denn je voller die Batterie ist, desto heftiger ist die Reaktion bei einer Fehlfunktion.

Es ist besser einen Brand zu verhindern, als ihn einzudämmen

Brandschutzbereiche, hitzebeständige Sicherheitsschränke, das sind Maßnahmen, die darauf abzielen den Schaden zu minimieren, wenn ein Feuer ausgebrochen ist. Bestenfalls ist das die Ultima Ratio und man kann den Brand schon verhindern bevor er ausbricht. So sieht das auch Johannes Unterhitzenberger, stellvertretender Leiter der Werkfeuerwehr im Chemiepark Gendorf und Spezialist für vorbeugenden Brandschutz: „Maßnahmen zu ergreifen, um Brände einzudämmen, oder Batterien kontrolliert abbrennen zulassen, lösen das Problem nicht. Man wird sich in Zukunft noch viel stärker als bisher überlegen müssen, in entsprechende Frühwarnsysteme zu investieren.“

Frühwarnsysteme, die die Temperatur der Batterien dauerhaft überwachen, sind als Brandprophylaxe ideal. Denn bei Lithium-Ionen-Batterien bemerkt man ein Problem von außen oft erst, wenn es schon zu spät ist. „Ein Brand kann sofort ausbrechen, wenn die Batterie beschädigt ist, oder erst Tage später. Man denkt, sie ist in Ordnung. Aber im Inneren der Batterie schwelt es schon“, sagt Horstenkamp.

Brände zu verhindern ist gerade in Gefahrenumgebungen wie in einem Chemiewerk der richtige Ansatz. Denn wenn eine Batterie brennt, kann man sie kaum löschen. Auch das zeigt sich bei vielen Videos, die man im Internet findet. Auf dem Kanal von Feuerwehr.at gibt es Videos, die zeigen, was passiert, wenn man versucht eine Batterie mit Wasser und Schaum zu löschen: Flammen und Rauch schlagen aus dem Behälter mit der brennenden Batterie.

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Auf der Wärmebildkamera lässt sich die Hitzeentwicklung gut beobachten. Der Löschschaum, den vier Feuerwehrleute über den Brandherd gießen, zeigt kaum Wirkung. Die Rauchentwicklung bleibt weiterhin stark und auf der Wärmebildkamera leuchtet der Behälter weiterhin feuerrot. Das Wasser zeigt sogar etwas mehr Wirkung. Die Rauchentwicklung wird weniger und der Behälter wird stärker gekühlt. Das Feuer brennt aber munter weiter. Bei der Nahaufnahme wirkt der Behälter mit der brennenden Batterie und dem Wasser trotzdem wie ein brodelnder Hexenkessel.

Wer sich bewusst ist, was passieren kann und wo Gefahren lauern, hat die Möglichkeit etwas zu unternehmen und Batterien sicher einzusetzen und zu lagern. „Die Grundausstattung für die sichere Lagerung und den Einsatz von Li-Io-Batterien ist das richtige Gefahrenbewusstsein. Wenn daraus Maßnahmen abgeleitet werden, ist schon viel gewonnen“, meint Unterhitzenberger.

Bei diesem Gefahrenbewusstsein sind die Unternehmen bisher auf sich alleine gestellt. Von offizieller Seite gibt es kaum Regelungen über Li-Io-Batterien. Ein gutes Beispiel dafür ist die DIN EN 1175. Diese Norm beschäftigt sich mit „Sicherheit von Flurförderzeugen - Elektrische/elektronische Anforderungen“. Sie wurde 1998 aufgestellt. „Einen Abschnitt über Lithium-Ionen-Batterien gab es erstmals in der Fassung von Oktober 2020“, erzählt Jörg Backhaus, ATEX-Beauftragter bei Stöcklin. Backhaus entwickelte für den Flurförderzeughersteller Stöcklin die erste explosionsschutzzertifizierte Lithium-Ionen-Batterie für Gabelstapler.

Die Verwaltung ist überfordert

Wie überfordert die regulierenden Instanzen mit dem Thema sind, zeigt eine Anekdote des ATEX-Spezialisten: „Als ich die Ex-Schutz-Batterie zertifizieren wollte, haben mich Mitbewerber bei den Behörden angeschwärzt. Ich musste meine gesamte Entwicklung und Dokumentation offenlegen. Erst war ich deswegen schon etwas schockiert, aber ich hatte nichts zu verbergen. Das Zertifikat hatte ich ja schon. Etwas später kam dann die Behörde, die meine Entwicklung in Frage gestellt hatte über die Zertifizierungsstelle auf mich zu und fragte mich, ob ich ihnen bei einer Norm zu Lithium-Ionen-Batterien helfen könnte.“

Wird es im Gefahrenbereich also so schnell keine offiziellen Regelungen über Lithium-Ionen-Batterien geben? Genau kann man es nicht sagen. Aber ein paar Punkte sprechen dagegen. „Behörden verwalten die Regularien, die es gibt. Wenn niemand von außen kommt und eine neue Norm anstößt, passiert nichts. Die Batteriehersteller in Deutschland, oder Anwender wie wir aus der Flurförderzeugbranche sind nicht einflussreich genug, um das zu tun“, sagt Backhaus.

Laut Unterhitzenberger ist der Föderalismus ebenfalls ein Hindernis: „Es gibt 16 Bundesländer und mindestens so viele Meinungen zum Brandschutz. Auch die Gesetzgebungen können sich in den Ländern unterscheiden. Es gibt beispielsweise 16 verschiedene Bau- und Branchenordnungen. Da ist es schwierig, für alle einheitliche und verbindliche Regeln zu schaffen.“

Empfehlungen der Versicherer als Anhaltspunkt

Bisher haben nach Angaben von Christian Völk, Marketingleiter bei Düperthal, vor allem die Versicherer Druck, bestimmte Regelungen und Handlungsweisen festzulegen. Der Verband der Sachversicherer (VdS) hat zu Lithium-Ionen-Batterien beispielsweise Empfehlungen herausgegeben. Zudem gibt es bereits im Gefahrgutrecht (ADR) Vorschriften zum Transport von Li-Ionen-Batterien. Andre Horstenkamp meint, es wäre schon einiges gewonnen, wenn man aus diesen Empfehlungen und Vorschriften offizielle Regeln für die Lagerung und die Handhabung von Li-Ionen-Batterien ableiten würde.

Bei der Lagerung und dem Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien sind weiterhin die Unternehmen gefragt. Sie müssen sich ihren individuellen Fall ansehen und beurteilen. Das eingangs erwähnte Gefahrenpotenzial sollte weder über- noch unterschätzt werden. Lithium-Akkus sind nicht per se gefährlich. Wenn man sie richtig nutzt und lagert, sollte auch nichts passieren. Vorbeugende Maßnahmen, wie eine Frühwarnanlage sind trotzdem eine gute Investition. Denn selbst wenn man denkt „bei mir wird schon nichts passieren“, oder „statistisch gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, dass etwas passiert“. Sobald es brennt, hilft auch die beste Statistik nichts mehr.

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