Chemie-Start-Ups Kein Geld für die Chemie: Darum haben Investoren kein Interesse an Molekülen und Verfahren
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Trotz aller Start-Up-Euphorie: Gründer in der Chemie haben es nicht leicht. Besonders mangelndes Interesse bei den Wagniskapitalgebern und aufwändige Planungs- und Genehmigungsprozesse bremsen Neugründungen, meint zumindest der VCI. Auf diese Weise bleiben gute und wichtige Ideen auf der Strecke, fürchtet der Verband.

Start-Ups und die Chemieindustrie: Das ist, bei aller Begeisterung für Gründerinnen und Gründer, keine ganz einfache Beziehung. Immerhin sind Chemieunternehmen häufig etablierte Global Player mit gewaltigen Produktionsnetzwerken und riesigen Standorten. Und trotzdem beobachtet die Branche Start-Ups mit großem Interesse, nicht zuletzt, da diese häufig vergleichsweise schnell in und agil Geschäftsmodelle entwickeln, bei denen sich Weltkonzerne schwer tun.
Doch Interesse bedeutet noch nicht Geld: Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim (im Auftrag des VCI) ergab, dass rund zwei Drittel der Chemie-Start-ups Finanzierungsmittel fehlen. Wagniskapitalgeber sind nicht so waghalsig, wenn es um Moleküle und Co. geht. Lediglich 0,2 Prozent der deutschen Venture-Kapital-Gelder gehen an Chemie-Startups, so das ZEW.
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Start-Ups in der Chemie
Klar zum Abheben? Deutschlands Chemie und der Start-Up-Hype
Diese Zurückhaltung begründet Studienautor Dr. Christian Rammer auch mit den Besonderheiten der Branche: „Chemie-Start-ups haben lange Investitionsphasen von fünf bis zehn Jahren, die Investitionsmittel von häufig mehr als einer Million Euro je Start-up sind zudem höher als in anderen Branchen. Hinzu kommen begrenzte Exit-Optionen sowie Zielmärkte, auf denen bereits oft Unternehmen tätig sind und die somit meist nur beschränkte kurzfristige Wachstumsperspektiven bieten.“
Reicht die Fantasie gerade noch für Apps und Plattformen? IT-Firmen, aber auch Biotech-Gründer, freuen sich jedenfalls über den Löwenanteil der Investoren-Gelder. Dabei bräuchten gerade Chemie-Startups vergleichsweise viele Ressourcen, um Prototypen oder Laboranwendungen auch in großem Umfang produzieren zu können. Dazu kommen die hohen regulatorische Anforderungen für die Genehmigung von Chemieanlagen und -Produkten, wie Gerd Romanowski, VCI-Geschäftsführer Wissenschaft, Technik und Umwelt, betont: „Auch Planungs- und Genehmigungsverfahren behindern die Arbeit junger Hightech-Firmen. Für jedes dritte Chemie-Start-up sind die Genehmigungsprozesse ein Hemmnis. Vor allem lange dauernde Verfahren und der hohe Verwaltungsaufwand für Anträge und Dokumentationen belasten die Chemie-Start-ups.“
Dabei sind für etwa ein Drittel der Branchengründungen Nachhaltigkeitsaspekte zentraler Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle und Strategien, sagen die Branchenvertreter. Knapp die Hälfte biete darüber hinaus "einzelne nachhaltige Produkte und Dienstleistungen" an oder plane das, so der VCI - Produkte, und Geschäfte, die ohne Anschubfinanzierung womöglich nie verwirklicht würden.
Um diese Situation zu verbessern brauche es nicht nur die Wirtschaft - auch der Staat solle sich hier engagieren, fordert die Branche etwas vorhersehbar: Die Start-up-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz muss bei den staatlichen VC-Finanzierungsinstrumenten berücksichtigen, dass Chemie-Start-ups einer anspruchsvolleren Ausgangssituation gegenüberstehen als junge Unternehmen in anderen Branchen. Das sind insbesondere ein hoher Finanzierungsbedarf und stärkere Regulierung sowie in der Regel lange Investitionszeiten. Für typische Anschubfinanzierer sind die Start-ups deshalb oft unattraktiv“, so Christian Rammer.
Das sieht auch der VCI bzw. Gerd Romanowski so: „Innovationshemmnisse, die sich aus einer komplexen Regulierung, aufwendigen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren ergeben, müssen so weit wie möglich abgebaut werden, vor allem wenn es um innovative Produkte und Verfahren geht, die wir für den Klima- und Ressourcenschutz in unserer Gesellschaft dringend benötigen.“ Derzeit gibt es in Deutschland rund 350 Chemie-Start-Ups, wobei pro Jahr zwischen 25 und 30 neue Firmen gegründet werden.
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