Klimaschutz Ist die deutsche Industrie bereit für die ökologische Technologiewende?
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Der Klimawandel kann gestoppt werden. Das Potential, also die Technik ist da. Was also muss sich wirklich ändern, damit der Green Shift gelingt? Diskutieren Sie mit am 10. März.

Der Ruf nach Nachhaltigkeit wird immer lauter. Und das zu Recht. Es mag abgedroschen klingen, aber es gibt nun einmal nur diese eine Erde und die Menschen müssen sie schützen. Die Industrie hat dabei eine Sonderrolle. Für die Produktion und den Transport von Gütern müssen viele Rohstoffe und Energie aufgewendet werden. Doch darin liegt auch eine große Chance. Bereits kleine Verbesserungen können, wenn sie hochskaliert werden, viel bewirken. Das Potenzial ist groß und es ist Zeit für den Green Shift.
Der Green Shift der Automobilindustrie
„Für die 30 Ausschreibungen mit dem größten CO2-Fußabdruck haben wir Anfang des Jahres einen ‚Vergabeticker installiert, über den wir CO2-Emissionen in die jeweilige Vergabeentscheidung mit einfließen lassen“, sagte BMW-Einkaufschef Andreas Wendt. Und nicht nur das: Auch die Emissionen der anderen Stufen der Zuliefererpyramide hat der Autohersteller im Blick – Die sogenannten Tier-2- und Tier-3-Zulieferer.
Außerdem, so Wendt weiter, würden bei rund 1.000 kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Fragebogen deren CO2-Reifegrad ermittelt. Das Klimagas spielt bei Volkswagen ebenso eine immer wichtigere Rolle: „Carbon is the currency of the future“, prognostiziert Stephan Krinke, im Konzern Leiter Strategie und Programme Nachhaltigkeit.
VW wolle, dass künftig alle angelieferten Komponenten und Werkstoffe sozusagen am Werkstor eine positive CO2-Bilanz aufweisen. Damit verlagert sich das Thema CO2-Emission weg von der Nutzung eines Fahrzeugs hin zur Produktion seiner einzelnen Komponenten.
Das Thema klimaneutrale Produktion ist somit längst bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) angekommen. Doch kleinere Betriebe haben kaum die Ressourcen, um beispielsweise CO2-Bilanzen für die Produktlebenszyklen zu erstellen. Den diese werden notwendig sein, um in einem Vergabeprozess einen Vergleich unter den Anbietern zu ermöglichen.
Der Green Shift in der Elektrotechnik
Umso wichtiger ist der Austausch über Best-Practice-Anwendungen. In der Automobilbranche und der Industrie findet schon seit einigen Jahren ein Umbruch statt: Energiehungrige Fahrzeuge, Anlagen und Prozesse werden dank cleverer Elektronik obsolet oder zumindest ihr Ausstoß an klimaschädlichen Emissionen gesenkt. Mit energieeffizienten Steuerungen auf Grundlage von modernen Prozessoren und FPGAs lässt sich auch der Energieverbrauch einer ganzen Branche senken. Embedded-Software gepaart mit effizienten Schaltungen geben jetzt den Takt an.
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Nachhaltige Chemie
Masterplan für die Energiewende – Warum die Chemie zum Schlüssel wird
Und es geht noch einen Schritt weiter: Dank Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen lassen sich Routinen und Abläufe automatisieren und wiederum Energie einsparen. Es ist vor allem die Software, die einen immer wichtigeren Platz in unserem Alltag einnimmt. Mittlerweile gibt es ganze Fertigungsstraßen, die ohne Elektronik und der passenden Software nicht denkbar wären. Und ganz nebenbei wird bei so einer autarken Fabrik die Energie umweltfreundlich aus Wind und Sonne umgewandelt. Ganz CO2-neutral.
Wenn heute ein Roboter eine Maschine oder ein Auto baut, dann muss der Mensch ihn nur noch überwachen. Elektronik übernimmt das Kommando. Aber Menschen werden nicht überflüssig – die Entwicklung muss weitergehen. Für eine nachhaltige Industrie müssen sich Naturwissenschaft und Technik eng verzahnen. Nur so lassen sich die Probleme der nächsten Jahre überhaupt noch in den Griff bekommen!
Der Green Shift in Maschinenbau und Logistik
Als tragende Säulen der deutschen Industrie sind der Maschinenbau und die Logistik in der Pflicht, bei der Erreichung der Klimaziele mitzuwirken. Denn um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen, müssen alle Industriezweige zusammenarbeiten.
Der Maschinen- und Anlagenbau kann dabei in erster Linie indirekt tätig werden. Im Rahmen der Energiewende müssen erneuerbare Quellen stärker ausgebaut werden. Auch wenn diese irgendwann die Energieversorgung tragen können, müssen sie genauso zuverlässig wie fossile Quellen sein. Hier werden leistungsstarke Speicher wichtig. Deren Komponenten und auch die Weiterentwicklung der Technologien dahinter sind Bereiche, in denen der Maschinenbau glänzen kann. Wenn beispielsweise in den nächsten Jahrzehnten Wasserelektrolyseure aus dem Boden schießen, muss auch jemand die Teile dafür fertigen.
Direkt kann der Maschinenbau aber auch etwas leisten: Mit effizienteren und sparsameren Steuerungssystemen für Produktionsumgebungen lässt sich der Stromverbrauch reduzieren und Geld sparen. Aber nicht nur in Produktionsumgebungen, sondern auch bei der Gebäudetechnik können Emissionen reduziert werden. Über Energierückgewinnung aus Wärme, intelligente Heizungssteuerungen und eine zentrale datengestützte Haustechnik lassen sich Emissionen verringern. Diese Themen sind natürlich nicht nur für den Maschinenbau interessant, sondern für alle Unternehmen, die über Immobilien verfügen. In der Logistik, mit großen Lagerhallen, kann über diese Stellschrauben viel bewirkt werden.
Insgesamt liegt in der Logistik viel Potenzial, die Klimaziele zu erreichen. Logistik spielt in jedem produzierenden Unternehmen eine Rolle. Sowohl die Teileversorgung in der Produktion als auch die Lagerführung werden immer häufiger automatisiert abgewickelt. Alle daran beteiligten Systeme verbrauchen Strom. Hier kann über Effizienzsteigerung viel bewirkt werden.
Der Warentransport ist aber vermutlich der Bereich, in dem am meisten Einsparpotenzial liegt. Eine Elektrifizierung des Liefer- und Schwerverkehrs könnte den CO2-Ausstoß um Millionen Tonnen reduzieren. Gerade beim Schwerverkehr kommen aber herkömmliche Elektroantriebe an ihre Grenzen. Die Batterien, die für die nötigen Reichweiten und Leistungen gebraucht werden, sind einfach zu schwer. Hier sind der Brennstoffzellenantrieb oder Biofuels mögliche Alternativen. Zusätzlich lassen sich auch über die Routen- und Tourenplanung Emissionen reduzieren. Je präziser und zuverlässiger die Fahr- und Lieferwege vorgeplant werden können, desto besser lassen sie sich auf Effizienz trimmen.
Der Green Shift in der Chemieindustrie
Die Chemiebranche steckt in der Zwickmühle. Der technologische Umbau zur CO2-Neutralität sei möglich, betonen die Verantwortlichen in den Verbänden, wenn die Voraussetzungen stimmen. Die Prozesse zur Treibhausgas neutralen Herstellung von Basischemikalien sind da, schon Mitte der 2030er-Jahre sei ein Einsatz denkbar, erklärt Klaus Schäfer, CTO von Covestro.
Doch schon jetzt türmen sich einige Hindernisse auf, die noch abgeräumt werden müssen. Was momentan fehlt, sind großtechnische Verfahren, die erst noch weiterentwickelt und marktreif gemacht werden müssen.
Genau hier liegt der Hase im Pfeffer, meinen VCI und der Verband der energieintensiven Industrien. Wer soll das bezahlen und wie teuer wird die Umstellung am Ende kommen? Werden Basischemikalien mit erneuerbaren Energien hergestellt, brauchen die Unternehmen regenerativen Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Und nicht nur die Verfahrensumstellungen und der Betrieb kosten eine Stange Geld. Auch Investitionen in Pilotanlagen und Scale up verschlingen einige Millionen. Da sind neue Anlagen noch gar nicht eingerechnet.
Wie hoch die zu erwarteten Kostensteigerungen für Basischemikalien am Ende ausfallen und wie sich das auf den Rest der Wertschöpfungskette auswirkt, gleicht also einer Rechnung mit mehreren Unbekannten. Fest steht nur, die Zeche zahlt irgendwann der Verbraucher, wenn Autos, Kleidung, Möbel und vieles mehr am Ende teurer werden.
Der Green Shift geht nur gemeinsam
Klar ist, eine Branche allein wird den Kraftakt nicht stemmen können. Die Energiewende gelingt nur, wenn alle energieintensiven Industrien, Politik, Verbände und Gesellschaft an einem Strang ziehen. Und genau hier setzen die Kopernikus-Projekte an, deren Name Programm sein soll. Der Umbau der Energiesysteme gleicht einem Paradigmenwechsel, ebenso wie die wissenschaftlichen Umwälzungen, die das von Nikolaus Kopernikus 1543 ausgerufene heliozentrische Weltbild, ausgelöst hat.
Regenerative Energien, Energiespeicher, Power-to-X, Demand-Side-Management, Sektorenkopplung – das sind die Schlüsselbegriffe beim Umbau der Energiesysteme. Doch noch ist unklar, wie das Stromnetz der Zukunft aussehen wird, wie Energien aus Wind, Sonne und Wasserkraft in andere Energieträger umgewandelt werden und wie die unterschiedlichen Industrien Sektor übergreifend zusammenarbeiten können. Ganz zu schweigen von der Frage, wie der Umbau finanziert werden soll und welche gesellschaftlichen Konsequenzen das am Ende hat.
Diese Herausforderungen müssen angegangen werden und zwar besser heute als morgen. Noch ist es nicht zu spät. Jetzt müssen wir uns gemeinsam ins Zeug legen. Nicht nur für unsere Zukunft, sondern auch für die der Generationen nach uns. Dazu braucht es Kooperationen und den konstanten Austausch unterschiedlicher Branchen untereinander, mit der Politik und auch den Konsumenten.
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