Hochwasser-Management im Chemiepark Hochwasser: Unterschätzte Gefahr für Chemieparks und Industriestandorte?
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Sucht man Chemiestandorte, sind Flüsse, Kanäle und Häfen selten weit weg. Doch vom Wasser gehen auch erhebliche Gefahren aus: Wie schützt die Industrie Anlagen, Mitarbeiter und Umwelt vor den Folgen von Hochwasser, Unwettern und Elementarschäden?

Die Chemie und das Wasser: Das war schon immer keine ganz einfache Beziehung. Entstanden die ersten Chemiewerke häufig in der Nähe von Mühlen oder durch Wasserkraft betriebenen Gewerke, galt der Sektor im 20 Jahrhundert als großer Wasserverschmutzer. Die Zweiten in denen Chemieabfälle einfach in Flüsse oder dem Meer verklappt wurden, sind zum Glück vorbei – doch noch heute sind die großen Flüsse wichtige „Wasserstraßen“ und Kühlwasserquellen für die Industrie. Kaum ein großer Chemiestandort, der mehr als ein paar Kilometer vom nächsten Fluss oder Hafen entfernt liegt.
Doch damit kommt auch das Risiko von Hochwasserschäden – und die können gerade für kleinere Betriebe erhebliche finanzielle Risiken bedeuten. Was das bedeutet, zeigt etwa der Austritt von Industrieabwasser nahe Köln im Juli 2021. Alleine im Umfeld des „Chemieflusses“ Rhein leben rund 60 Millionen Menschen in fünf europäischen Ländern. Und auch eine Lage im Binnenland bedeutet nicht, dass Wasser keine Gefahr darstellt: Starkregen und Sturzfluten können auch in Regionen außerhalb der sogenannten Risikogebiete Überschwemmungen verursachen: „Viele Betriebe unterschätzen daher ihr eigenes Risiko“, so Florian Knackstedt von der Nürnberger Versicherung. „Nur 22 Prozent der Hochwasserschäden waren im Jahr 2021 versichert.“
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Dabei sorgen Klimawandel, Bevölkerungswachstum und nicht zuletzt Gewässerbauliche Maßnahmen des letzten Jahrhunderts dazu, dass Hochwasserereignisse auch in Mitteleuropa nicht weniger werden. In Deutschland könnten, meint zumindest das – zugegeben etwas alarmistische - Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, in Zukunft bis zu 700.000 von Hochwasser betroffen sein können, wobei besonders Niedersachsen und Baden-Württemberg gefährdet sein. Aber alleine Gewässerbau und Bevölkerungsentwicklung haben etwa am Oberrhein das Risiko eines dramatischen Hochwassers nach Ansicht von Experten vervierfacht.
Aktiv oder reaktiv: Hochwasser-Schutz muss sein
Damit mit dem Wetterbericht nicht das große Zittern beginnt, gehört Hochwasserschutz auf die Agenda: Neben einer Hochwasserrisikoabschätzung müssen aus Sicht des VCI die Alarm- und Gefahrenabwehrpläne betroffener Unternehmenden um reaktive Schutzmaßnahmen erweitert werden. Auch bauliche Maßnahme (etwa Dämme oder mobile Schutzwände), Rückhaltebecken sowie Abschottungen in der Kanalisation können erforderlich sein. Dabei geht es keineswegs nur um den Weg „nach draußen“: Es ist genauso erforderlich, den Standort gegen durch die Kanäle eindringendes Flusswasser zu schützen, um insbesondre elektrische Installationen und Trafos am Laufen zu halten. 2017 ereigneten sich in einem Chemiebetrieb in Texas mehrere Explosionen, nachdem in Folge einer Überschwemmung des Standortes die Kühlwasserversorgung zusammengebrochen war.
Pumpwerke, die Abwässer schnell abpumpen können, können verhindern, dass es zu einem Rückstau im Kanal kommt. Apparate und Lagebehälter müssen gegen Aufschwimmen gesichert werden – schlimmstenfalls, im dem man sie gezielt flutet.
Der Gesetzgeber fordert, dass die Abwasserbehandlung eines Chemiestandortes auch für außergewöhnliche Starkregenereignisse, wie sie im Schnitt alle fünf Jahre auftreten, ausgelegt ist. Viele Standorte – etwa der Chemiepark Knappsack – kalkulieren allerdings sogar mit zehn Jahren.
Nach Abwägung der Frage, ob der Betrieb in einem hochwassergefährdeten Gebiet liegt oder auf welchen Wegen Wasser eindringen kann, müssen auch Zuständigkeiten, Abläufe und Entscheidungswege geplant werden – und nicht nur das: „Es kann zudem sinnvoll sein, die festgelegten Abläufe in regelmäßigen Abständen mit der Belegschaft zu üben.“ Gut zu wissen: Viele Versicherungen unterstützen Unternehmen bei der Erstellung von Hochwasserkonzepten.
Zwischen Prävention und Hochwasser-Abwehr
Doch selbst ein umfassendes Schutzkonzept erspart Betreibern nicht jede Arbeit im Ereignisfall: „Bevor sie mit den Aufräumarbeiten beginnen, ist es wichtig, alle Schäden für die Versicherung schriftlich und mit Fotos zu dokumentieren und die Versicherung so schnell wie möglich darüber zu informieren“, erklärt Knackstedt. „Zerstörte Gegenstände, Maschinen und Geräte sollten Betriebe anschließend jedoch nicht sofort entsorgen, denn für die Ermittlung der Schadenshöhe muss die Versicherung die Möglichkeit haben, diese zu begutachten.“ Ist der versicherungstechnische Teil geregelt, geht es darum, den Betrieb möglichst schnell wiederaufzunehmen.
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Das sich Prävention lohnt, davon ist etwa der amerikanische Versicherer FM Global überzeugt: Der Spezialist für Sachversicherungen in der Industrie geht davon aus, dass ein Hochwasser in einem nicht gesicherten Industrieunternehmen im Schnitt 3,4 Millionen Euro Schaden verursacht, der mit Präventionsmaßnahmen für rund 900.000 Euro hätte verhindert werden können.
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