Synthesegas-Verfahren Die Rückkehr der Dinosaurier – Synthesegas feiert ein Comeback

Redakteur: Anke Geipel-Kern

Mit Volldampf sucht die Chemie nach Alternativen zum Erdöl. Ob Basischemikalien künftig aus Erdgas, Kohle, Biomasse entstehen – fest steht, dass die Synthesegasherstellung künftig eine wichtigere Rolle dabei spielen kann als bisher.

Anbieter zum Thema

Alles schon mal da gewesen – auf diesen Gedanken könnte ein Zeitreisender aus den Anfängen der Chemikalienproduktion kommen, wenn er die heutige Renaissance der Synthesegasherstellung miterleben würde. In Europa arbeiten Verfahrenstechniker und Wissenschaftler an Vergasungsverfahren, die Holz, Pflanzenabfälle oder Biomüll in das reaktive Wasserstoff- Kohlenmonoxyd-Gemisch verwandeln können, um wahlweise Treibstoff oder Basischemikalien daraus herzustellen. Und in China wachsen integrierte Chemiekomplexe aus der Steppe, die Kohle vergasen und am Ende des Tages in Propylen und Ethylen verwandeln.

Sie alle eint: Synthesegas ist ein Intermediate an dem kein Weg vorbeiführt. Ob Fischer-Tropsch, Megamethanolanlage oder Oxo-Synthese – im Mittelpunkt steht immer eine Synthesegasanlage. Goldene Zeiten also für den Großanlagenbau. Deuschland kann gleich mit drei Platzhirschen aufwarten, die entsprechende Verfahren im Portfolio haben und es sich leisten können die notwendigen Anlagenkapazitäten als EPC-Kontraktoren zu stemmen: Linde, die Air Liquide-Tochter Lurgi und Uhde. Und international gibt es mit Technip, Matthei Johnson und Kellogg noch eine Handvoll weiterer Player.

Sie alle sind zurzeit gut im Geschäft. So baut Linde in Südkorea eine Kohlevergasungsanlage mit einer Kapazität von 500 000 metrische Tonnen, die 2013 in Betrieb gehen soll. Lurgi ist in China mit seiner Megamethanoltechnik an Projekten mit Shenhua Ninxia und Datang Duolon (beide 470 000 Tonnen Propylene) beteiligt. Und Uhde hat gerade den Zuschlag beim französischen BioTfueL-Projekt gemeinsam mit fünf französische Partner erhalten sein Prenflow-Verfahren zur Vergasung von Biomasse einzusetzen.

Gruß aus der Vergangenheit

Legt man an die Geschichte der Chemikalienherstellung einen Zeitstrahl an, sind Synthesegasanlagen die Dinosaurier der Chemie aus der Anfangszeit als Olefine wie Propylen oder Ethylen noch der Kohle abgerungen wurden. Synthesegas war für BASF, Höchst oder Bayer Anfang des 20ten Jahrhunderts neben Kokereiprodukten der Haupteinsatzstoff für die Chemie und noch heute rankt sich eine ganze Synthesegaschemie um das reaktive Gas.

Erst als Anfang der fünfziger Jahre die ersten großen Erdölfelder erschlossen wurden, verdrängte das üppig sprudelnde flüssige Kohlenwasserstoffgemisch das schwarze Gold. Zu dieser Zeit war Erdöl konkurrenzlos billig, scheinbar unendlich lange verfügbar und ermöglichte zudem den Zugriff auf eine sehr viel größere Palette an Grundchemikalien als Synthesegas oder Koks. Synthesegas behielt zwar seinen Platz bei der Methanol- der Ammoniak- und Wasserstoffherstellung, doch Propylen und Ethylen entstehen seitdem im Cracker.

Aber mittlerweile hat sich die Situation geändert. Die Erdölpreise pro Barrel streifen immer mal wieder die 100 Dollar-Grenze und die Experten von BP, Shell und Co. entwerfen immer neue Berechnungszenarien für die Erdölreserven. Befeuert durch diese Entwicklungen reüssieren alte Verfahren wie Fischer-Tropsch und damit auch die Synthesegasherstellung. Selbst der Imbert-Holzvergaser erlebt eine Wiedergeburt, damals wie heute in einem Fordmodell. „Synthesegasverfahren kommen in Zyklen“, sagt Prof. Dr. Eckhard Dinjus Leiter des Instituts für Katalyseforschung und -technologie (IKFT) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Lesen Sie weiter auf Seite 2

(ID:24543860)