RFID-Technik Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für den Einsatz von RFID-Technik in Chemie- und Pharmaindustrie
Hersteller stellen sich derzeit die RFID-spezifische „Gretchenfrage“: Kann Transpondertechnologie den Barcode ablösen? Und wäre der Wechsel auch wirtschaftlich sinnvoll? Erste Wirtschaftlichkeitsrechnungen der RFID-Technik sollen Entscheidern helfen.
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Durch den Einsatz von Radio-Frequenz-Technologie (RFID) und das Aufbringen von Transpondern auf Paletten oder Umverpackungen erhoffen sich auch die Pharma- und Chemieindustrie ein hohes Potenzial in logistischen Systemen und Prozessen. Über Höhe und Nutznießer dieser Vorteile ist derzeit noch reichlich Diskussion vorhanden.
Stand der Technik
Die RFID-Technologie gehört zur Gruppe der automatischen Identifikationssysteme. Ein RFID-System besteht aus einem Transponder und einem Lese-/Schreibgerät, die mit einem übergeordneten Datenverarbeitungssystem verbunden sind. Der Transponder besteht aus einer Antenne und einem Schaltkreis mit Mikroprozessor, der die relevanten Informationen am Trägerobjekt speichert. Um Informationen in den Speicher des Transponders zu schreiben oder diese wieder auszulesen, wird eine Lese-/Schreibeinheit benötigt. Das Lesegerät übergibt einerseits die empfangenen Informationen an nachgelagerte Systeme, andererseits ist es mit den Antennen verbunden, die über eine Luftschnittstelle Energie in Form von magnetischen oder elektromagnetischen Wellen zum Transponder aussenden. So erhält der Transponder die notwendige Energie für Betrieb und Senden der Antworten.
Die technologische Machbarkeit eines RFID-Einsatzes konnten Forscher des Fraunhofer IML bereits im Auftrag von Merck für die Belieferung des amerikanischen Marktes erproben, um zukünftigen Anforderungen der FDA zu genügen. Auch die Erfassung von Fässern im Pulk konnte bereits erfolgreich für ein Unternehmen der chemischen Industrie erprobt werden. Neben der technologischen Machbarkeit ist aber immer auch der ökonomisch sinnvolle Einsatz zu prüfen.
Ökonomische Betrachtung
Der mit herkömmlich Methoden benötigte Zeitaufwand zur Identifikation einer logistischen Einheit beträgt wenige Sekunden. Wird aber dieser Zeitaufwand mit der Anzahl von Einheiten pro Ladungsträger, dem Jahresdurchsatz und der Häufigkeit der notwendigen Identifikationsprozesse innerhalb der Supply Chain multipliziert, entsteht ein hoher kumulierter Zeitaufwand. Hieraus ist ersichtlich, welche Einsparungen eine ausgereifte automatische Identifikationstechnologie allein durch die Substitution manueller Schritte innerhalb heutiger Warenwirtschaftssysteme erzielen kann.
Automatische Identifikationsprozesse weisen nunmehr höhere Genauigkeit und stark verringerten Zeitbedarf auf. Langfristig führt dies dazu, dass die Anzahl von Identifikationspunkten entlang der Supply Chain steigt und damit die Transparenz der Warenflüsse sowie die Exaktheit der Informationen. Daraus resultiert vielfältiger Nutzen, dessen Art und Ausmaß von den spezifischen Prozessen des jeweiligen Unternehmens abhängt. Diesem Nutzen stehen Investitionskosten (RFID-Hardware, RFID-Software, Systemintegration) und variable Kosten insbesondere für Transponder gegenüber.
Für eine objektive ökonomische Bewertung des RFID-Einsatzes ist es demnach erforderlich, eine Prozessanalyse für das Unternehmen durchzuführen und darauf aufbauend Kosten und Nutzen gegenüberzustellen.
Da für die einfachste Bauform der Etiketten auch bei großen Losen noch mindestens 0,08 Euro bezahlt werden müssen, ist ein Return on Investment (ROI) für wiederkehrende Identifikationsobjekte, z.B. IBCs, schneller erreicht. So fand der Einsatz der Transponderetiketten bislang vermehrt auf der Ebene der Palette oder der Mehrwegtransportverpackungen (MTV) statt. Aufgrund fallender Preise für Etiketten und technologischen Fortschritts beginnt nun der Einsatz auch auf der Ebene untergeordneter logistischer Einheiten.
Zu klärende Fragen
Neben allen Vorteilen sind im Vorfeld einer Investition jedoch folgende Fragen zu klären:
Wie hoch sind die Gesamtinvestitionen?
In welchem Umfang verändern sich die Betriebskosten?
Eignen sich die Produkte für den Einsatz von Transpondertechnologie, und welche Modifikationen in der Supply Chain sind notwendig?
Welcher monetäre Nutzen entsteht in einzelnen Teilen der Supply Chain und wie verteilt sich der Nutzen anteilig auf die Beteiligten?
Erst eine individuelle Modellrechnung versetzt ein Unternehmen in die Lage, Fragestellungen über Kosten und Nutzen einer RFID-Implementierung treffend und flexibel zu beantworten. In zahlreichen Projekten konnten diese über die Nutzung von Kalkulationsstools für Unternehmen aus Industrie und Handel geklärt werden.
Eine Antwort auf die Frage nach dem ROI ist jedoch individuell für jedes Unternehmen oder eine Supply Chain getrennt zu betrachten, da die Anforderungen an die Technologie sowie logistische Prozesse sich deutlich unterscheiden. Eine Differenzbetrachtung im Vergleich zum Barcode erfolgt nach kurzer Definition von kostenrelevanten Parametern. Als Parameter jedes Integrationsszenarios lässt sich u.a. bewerten: das Palettenvolumen, Anzahl der Kunden, Segmente, Länder, Produktionslinien, Lager, der Aufbringungsort (Produktion oder Lager) oder die Lieferstrategie. Das Ergebnis kann anhand der folgenden Größen abgelesen werden: Investitionskosten je Supply-Chain-Stufe (Produktion, Lager); Gesamtkosten sowie Gesamtnutzen (Euro/Periode); Kosten und Nutzen je Palette/Fass/IBC (Euro/Identobjekt).
Ist die Berechnung der Kosten für einen Standort oder ein Distributionszentrum noch vergleichsweise leicht zu bewältigen, stellt die Modellierung des Nutzens eine größere Herausforderung dar. So entsteht der Benefit auf der einen Seite durch geringere Prozesskosten, die durch den Wegfall von Prozessen, kürzere Prozesszeiten oder eine als niedriger erwartete Fehlerquote herbeigeführt werden.
Qualitative Aspekte im Fokus
Bei einigen Nutzeneffekten erschwert sich eine monetäre Bewertung, da nicht nur eine Beschleunigung von Materialflüssen zu erwarten ist. Vielmehr rücken qualitative Aspekte in den Fokus der Optimierungspotenziale: Angefangen bei der Vereinfachung administrativer Prozesse über die Steigerung und den Gewinn an Transparenz in der Logistikkette bis hin zu Reduktion von Beständen und Fehlerquoten. Gerade die Bewertung dieser vielfach weichen Faktoren fällt vor dem Hintergrund mangelnder Verfahren und Erfahrungswerten deutlich schwieriger aus.
Darüber hinaus wird der Einsatz eines Transponders als Weiterentwicklung des verbreiteten Barcode verstanden. Dementsprechend findet bei den in Fallstudien betrachteten Bewertungen von Kosten und Nutzen die Optimierung der Logistik nur eine untergeordnete Rolle. Die eigentlichen Vorteile der RFID-Einführung, nämlich die Nutzung von RFID nicht nur als reine Identtechnologie, sondern als Tool zur Prozessreorganisation, finden selten Berücksichtigung.
Ausblick
Sollte das Tempo des technologischen Fortschritts anhalten, so ist in naher Zukunft mit verlässlichen Leseraten – insbesondere auch bei „problematischen“ Artikeln – zu rechnen. Auch wenn bislang keine flächendeckende Nutzung der Technologie vorhanden ist, stellt der Einsatz von RFID keinen Trend, sondern eine Zukunftstechnologie dar. Die jährlichen Investitionen in RFID-Forschung und -Anwendung machen deutlich, welches Potenzial die Wirtschaft in dieser Technologie sieht. Auch für kleine und mittelständische Unternehmen gilt es daher, die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten, um sich rechtzeitig an Veränderungen der Unternehmensumwelt anzupassen oder sich gar als First Mover strategische Vorteile gegenüber dem Wettbewerb zu verschaffen.
Der Autor ist Leiter des openID-center beim Fraunhofer IML.
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