Interview: Rückblick und Ausblick bei Hamilton Process Analytics „Wir müssen am Ball bleiben und einen langen Atem haben“
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Seit nunmehr einem Jahr leitet Dr. Philipp Arquint als Vice President die Business Unit Process Analytics bei Hamilton Bonaduz. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert und auch die Zukunft scheint zahlreiche neue Herausforderungen mit sich zu bringen. Im Interview erklärt er, dass das Unternehmen mittlerweile im Bereich der Downstream-Prozesse erfolgreich tätig ist. „Cultivated Meat“ sei ein weiteres spannendes Geschäftsfeld im Bereich zwischen Biotechnologie und Lebensmitteltechnologie.

Herr Dr. Arquint, Sie sind seit einem Jahr Vice President der Hamilton Business Unit Process Analytics. Konnten Sie in den vergangenen Monaten neue Entwicklungen in der Branche beobachten?
Dr. Philipp Arquint: Die letzten Jahre waren für uns als Unternehmen in jeder Hinsicht intensiv. Während der Pandemie erreichte die weltweite Impfstoffproduktion und somit die Nachfrage nach unserer Sensortechnik ein neues Rekordniveau. Gleichzeitig kam es zu erheblichen Lieferengpässen bei unseren eigenen Lieferanten, die die bereits herausfordernde Situation noch verschärften. Trotz dieser Umstände konnten wir unsere Produktionskapazität deutlich erhöhen. Auch mit dem Nachlassen der spezifischen Covid-19-Nachfrage bleibt der Bio-Pharma-Markt äußerst attraktiv. Allerdings sind die Lager der Kunden gut gefüllt und die pharmazeutischen Hersteller haben überschüssige Kapazitäten aufgebaut, was derzeit zu verhaltenen Bestellungen aus diesem Marktsegment führt. Wir hatten uns darauf vorbereitet und verstärken nun unsere Bemühungen in anderen Marktsegmenten, die sich nach der Pandemie wieder erholen.
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Wie haben sie auf die Marktentwicklung reagiert?
Dr. Arquint: Die Tatsache, dass wir so gut positioniert sind, ist in erster Linie unserer innovativen Ausrichtung zu verdanken, die kontinuierlich neue Produkte hervorbringt. Mit diesen verhelfen wir unseren Kunden zu sicheren Bioprozessen und verkürzter Time to Market. Darüber hinaus setzen wir unsere Anstrengungen fort, unseren Vertrieb und Service auszubauen, um neue Märkte und Kunden besser zu bedienen.
Hat sich die Pandemie auf die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden ausgewirkt?
Dr. Arquint: Absolut, hier haben wir eine spannende Entwicklung erlebt. Als Team haben wir erkannt, wie wichtig es ist, einige bewährte Arbeitsweisen wieder stärker zu leben und wir schätzen den persönlichen Kontakt noch mehr also zuvor. Im Sales-Bereich hat die langanhaltende Phase der Corona-Isolation zu Veränderungen geführt. Traditionelle persönliche Kundenbesuche wurden durch ein innovatives „Hybrid“-Modell aus virtuellen und persönlichen Gesprächen ergänzt. Unser Team hat diese Veränderung aktiv mitgestaltet und blickt voller Motivation und Engagement in die Zukunft.
Haben sich auch Veränderungen bei der internen Zusammenarbeit ergeben?
Dr. Arquint: Wir haben festgestellt, dass die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, unsere Mitarbeiter motiviert und zu einer verbesserten Work-Life-Balance beiträgt. Gleichzeitig sind wir fest entschlossen, die Vorteile des Homeoffice mit den Stärken der Teamarbeit vor Ort zu kombinieren. Diese Kombination hat nicht nur Vorteile für unsere Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen als Ganzes, da es den Arbeitgeber Hamilton noch attraktiver macht. Deshalb haben wir nach der Pandemie ein flexibles Arbeitsmodell mit Homeoffice-Anteil eingeführt.
Gibt es Märkte, die neu erschlossen wurden, bzw. einen Zuwachs verzeichnen können?
Dr. Arquint: Im Zuge der schnellen Produktion großer Mengen Impfstoff waren unsere Single-Use-Produkte Bestseller. Das Tempo, mit welchem Impfstoffhersteller ihre Produkte dank SU auf den Markt bringen konnten, war zuvor unvorstellbar. Hier verzeichnen wir nach wie vor reges Interesse. Hinzu kommt der Markt im Bereich der Downstream-Prozesse, wo wir inzwischen auch erfolgreich verkaufen. Im Biopharma-Bereich haben wir uns bisher auf den Upstream-Bereich fokussiert. Doch unsere Technologie ist auch für den Downstream-Bereich bestens geeignet. Dabei spielt es uns in die Karten, dass die Anforderungen im Upstream- und Downstream-Bereich ähnlich sind.
Wie sieht es im Lebensmittelbereich aus? Biotechnologie ist hier auch auf dem Vormarsch.
Dr. Arquint: Wir haben auch schon viele Anwendungen im Bereich „Cultivated Meat“, der ein spannender und zukunftsorientierter Markt zwischen Biotechnologie und Lebensmitteltechnologie ist. Die Schweiz nimmt in diesem Segment auf dem europäischen Kontinent bereits eine Vorreiterrolle ein. Schauen wir in die USA oder nach Singapur, ist das Thema „Cultivated Food“ bereits auf einem aufsteigenden Ast. Nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden globalen Bevölkerungswachstums sowie aus Gründen der Nachhaltigkeit sehen wir hier eine Chance, da wir als einziger Sensorhersteller das komplette Lösungspaket für diesen spezifischen Markt bereitstellen können.
Welchen Stellenwert nimmt das Thema Nachhaltigkeit in Hamiltons Strategie ein? Stehen Single-Use-Anwendungen nicht im Widerspruch zum Nachhaltigkeits-Gedanken?
Dr. Arquint: Vergleicht man klassische Reusable-Sensoren mit Single-Use-Sensoren, muss man die gesamte Ökobilanz betrachten. Die Biopharma-Branche hat extrem strenge Vorgaben, was die Hygiene angeht. Daher sind bei Prozessen in klassischen Stahltanks umfangreiche Reinigungszyklen notwendig, die nicht nur einen enormen energetischen Aufwand mit sich bringen, sondern auch ein hohes Chemikalienaufkommen beinhalten. Beide Varianten bieten je nach Anwendung ihre Vorteile und halten sich in Sachen Ökobilanz je nach Betrachtung fast die Waage. Unsere Reusable-Produkte betreffend setzen wir seit jeher auf Effizienz, Robustheit und Qualität sowie damit einhergehend auf einen nachhaltigen und langfristigen Einsatz.
Welche weiteren Nachhaltigkeits-Strategien verfolgen Sie?
Dr. Arquint: Allgemein ist Hamilton und auch mir persönlich das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Ferner erwarten unsere Kunden von uns professionelle Nachhaltigkeits-Strategien. Denn wir sind Teil ihrer Lieferkette und tragen somit als Lieferant zu deren Nachhaltigkeits-Rating bei. Daher arbeiten wir stetig daran, besser zu werden und unsere Lieferprozesse und Produktion ökologischer zu gestalten. So müssen nicht alle Produkte zwingend eingeflogen werden. Auch der Seeweg ist eine Alternative und Verpackungen lassen sich immer weiter optimieren beziehungsweise umweltverträglicher gestalten. Außerdem decken wir auch an unserem neuen Produktionsstandort in Ems einen Teil unseres Energiebedarfs anhand einer umfangreichen Photovoltaikanlage. Bei uns ist viel im Gange und diese Prozesse werden von einem eigens hierfür bestellten Team aktiv begleitet.
![Breaking new ground in bioprocessing: Viable cells behave like little capacitors. In an alternating electrical field their polarization and depolarization can be measured and the signal can be correlated to the bio-volume, resp. the viable cell density. Because only viable cells can be polarized, this method is insensitive to cell debris as well as to microcarriers. (©Paulista; ©gonin - stock.adobe.com; Hamilton [M]GötzelHorn) Breaking new ground in bioprocessing: Viable cells behave like little capacitors. In an alternating electrical field their polarization and depolarization can be measured and the signal can be correlated to the bio-volume, resp. the viable cell density. Because only viable cells can be polarized, this method is insensitive to cell debris as well as to microcarriers. (©Paulista; ©gonin - stock.adobe.com; Hamilton [M]GötzelHorn)](https://cdn1.vogel.de/wP6jX427RPTqkJuvDP5QOwB7JCM=/320x180/smart/filters:format(jpg):quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1408400/1408402/original.jpg)
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Hamilton hat in den vergangenen Monaten erstaunlich viele Innovationen geschaffen. Wird dieser Trend anhalten können?
Dr. Arquint: Unser Innovationsgeist ist einer der Hauptpfeiler unseres unternehmerischen Handelns. Vor diesem Hintergrund investieren wir einen großen Teil unseres Umsatzes in unsere Innovationen. Das zeichnet uns aus und diese Strategie verfolgen wir stringent. Unsere Ausrichtung ist langfristig – das heißt, wir müssen am Ball bleiben, einen langen Atem haben und immer den Blick in Richtung Zukunft richten. Nur so können wir die Produkte liefern, die für den technologischen Fortschritt benötigt werden und die die Prozesse unserer Kunden auf eine neue Stufe heben.
Gibt es aktuell seitens der Kunden aus dem Biopharma-Bereich Anforderungen, die es in Zukunft noch zu erfüllen gilt? Oder wird mit den PAT-Vorgaben der FDA (Process Analytical Technology) bereits alles abgedeckt?
Dr. Arquint: Ja, im Biopharma-Bereich gibt es kontinuierlich neue Anforderungen von Kunden, die es zu erfüllen gilt. Obwohl die PAT-Vorgaben wichtige Richtlinien bieten, treibt uns unsere Mission darüber hinaus. Wir haben es uns vorgenommen, mit unser innovativen Sensortechnologie jeden Bioprozess zu verbessern und Biopharma-Herausforderungen zu lösen. Diese Vision treibt uns dazu an, eng mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten und innovative Lösungen zu entwickeln, die über die bestehenden Standards hinausgehen. Die Branche entwickelt sich ständig weiter, und wir sind fest entschlossen, unsere Kunden auf ihrem Weg zum Erfolg zu begleiten, indem wir ihre sich verändernden Anforderungen mit unseren maßgeschneiderten Produkten und Services erfüllen.
![The FDA’s PAT framework calls for in-line process sensors that can move a measurement from manual sampling and laboratory instruments to automated control. (Hamilton; ©ra2 studio - stock.adobe.com; [M]Grimm) The FDA’s PAT framework calls for in-line process sensors that can move a measurement from manual sampling and laboratory instruments to automated control. (Hamilton; ©ra2 studio - stock.adobe.com; [M]Grimm)](https://cdn1.vogel.de/hL3GQZeLqJLn_j68nHaxDT2qjk4=/320x180/smart/filters:format(jpg):quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1645800/1645802/original.jpg)
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Die Hamilton Sensortechnologie und -kommunikation überzeugen durch einen geringen Wartungsaufwand und Widerstandsfähigkeit z.B. gegenüber Reinigungszyklen – schrumpft vor diesem Hintergrund die Nachfrage nach Serviceleistungen?
Dr. Arquint: Unsere Kunden wünschen sich ein Rundum-sorglos-Paket und nehmen uns als Hersteller in die Pflicht. Speziell in der Biopharma-Branche sind die Vorgaben anspruchsvoll. Die FDA führt akribische Prüfungen durch und verlangt höchste Qualität. Obwohl unsere Sensoren wartungsarm und robust sind, müssen sie regelmäßig kontrolliert und überwacht werden – und vorzugsweise vom Hersteller selbst, da hier das nötige Know-how liegt. Aus diesem Grund bauen wir aktuell den Bereich „Service as a Product“ vermehrt aus, um dem kontinuierlich steigenden Bedarf gerecht zu werden. Nicht zuletzt haben wir dafür Sorge zu tragen, dass unsere Kunden vollends zufrieden sind und sich ausschließlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
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