Meilenstein Prozessautomatisierung Vom Kleinbetrieb zum Global Player der Prozessautomatisierung
Ging es in den Anfängen der Endress+Hauser-Firmengeschichte vor allem darum, zuverlässige und genaue Messwerte zu produzieren, treibt das Familienunternehmen heute in hohem Tempo die Digitalisierung und Industrie 4.0-Projekte voran. Dabei immer im Mittelpunkt: der Kunde.
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Dass Gegensätze sich anziehen, ist bekannt. Und manchmal entsteht sogar etwas ganz Großes daraus. So geschehen Anfang der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Markgräfler Land: 1953 legten der junge Schweizer Ingenieur Georg H. Endress und der erfahrene Leiter einer Lörracher Genossenschaftsbank Ludwig Hauser den Grundstein für den heute weltweit tätigen Komplettanbieter in der Mess- und Automatisierungstechnik. Endress hatte von der englischen Firma Fielden in Manchester neuartige elektronische Füllstandmessgeräte mitgebracht. Aus heutiger Sicht technische Ungetüme mit Elektronenröhren, großem Stahlblechgehäuse und zwei Metern Hochfrequenzkabel, stellten sie damals Hightech auf Weltniveau dar. Schon bald begnügte sich die junge Firma nicht mehr allein mit dem Vertrieb der Fielden-Geräte in Deutschland. Endress entwickelte seine ersten eigenen Messgeräte: Nivotester und Silometer kamen auf den Markt, in einer alten Schreinerei produziert.
Kurze Zeit später, bereits auf 78 Mitarbeiter gewachsen, „musste“ das noch junge Unternehmen umziehen. Am neuen Standort in Maulburg gesellten sich zur kapazitiven Messtechnik weitere Messprinzipien für die Füllstandmessung: Ultraschall, Radiometrie, Leitfähigkeit sowie Elektromechanik. Die neuen Geräte hatten mit jenen der Anfangszeit nicht mehr viel gemein. Transistoren, zuerst aus Germanium, später aus Silicium, lösten die voluminösen Röhren ab. Einen weiteren Meilenstein markierte die räumliche Trennung der Elektronik in der Messsonde von der Signalverarbeitung im Messumformer. Dieser technische Coup ermöglichte eine längere Übertragungsleitung und wurde erstmals 1964 im Nivotester NC 70 verwirklicht.
Nur vier Jahre später waren Endress+Hauser-Geräte im Markt bereits stark nachgefragt, und der stetige Aufstieg vom handwerklichen Betrieb zum Industrieunternehmen begann. Dies zog erhebliche Veränderungen bei Strukturen, Management und Mitarbeiterführung nach sich. So wurden Anfang der 1970er Jahre jährliche Geschäftsziele formuliert, die innerbetriebliche Mitbestimmung und EDV-Systeme eingeführt. In der Personalpolitik lag der Fokus stark auf der Eigeninitiative der Mitarbeiter. Vieles aus den damaligen Führungsrichtlinien findet sich noch heute in den Leitlinien und im Wertekatalog des Unternehmens.
Kräftige Investitionen prägten die folgenden Jahre. Endress+Hauser gründete weitere Firmen, außerdem kam es zu Unternehmensübernahmen. Die Arbeitsbereiche wurden ausgeweitet – ein wichtiger Grundstein für die spätere Entwicklung zum Komplettanbieter von Messtechnik und Automatisierungslösungen, also zu dem, was die „People for Process Automation“ heute ausmacht.
In den 1980er Jahren brennt das Unternehmen ein Feuerwerk an Produktneuheiten ab. Feuchtesensoren in Dünnschichttechnik, der magnetisch-induktive Durchflussmesser Autozero 2000 und der revolutionäre Füllstand-Grenzschalter Liquiphant setzen Ausrufezeichen im Markt.
Mikroelektronik eröffnet neue Chancen
Die Einführung der Mikroelektronik ermöglichte dabei vollkommen neue Funktionalitäten, z.B. die permanente Selbstüberwachung der gesamten Messeinrichtung. „Diese Entwicklungen legten den Grundstock für das heutige breite Portfolio, das es uns ermöglicht, als Komplettanbieter aufzutreten“, ist Josef Kathmann, langjähriger Vertriebsleiter im Technischen Büro Hannover von Endress+Hauser, überzeugt.
Kein Zweifel, Endress+Hauser war mit vielen Entwicklungen seiner Zeit voraus, und zwar so weit, dass die Technologie zuweilen skeptisch betrachtet wurde. „Bei Markteinführung des Liquiphant erklärte ein Wettbewerber dem milchverarbeitenden Betrieb, dass dieser Grenzschalter durch die Schwingung aus der Milch Sahne machen würde“, amüsiert sich Kathmann heute noch. Das Beispiel zeige aber auch deutlich, wie wichtig das Verständnis für Technologien und ein gutes Verhältnis zum Kunden ist. Vertriebsprofi Kathmann hatte seine ganz eigene Idee, die Funktionsweise des Liquiphant zu erläutern. Um zu beweisen, dass dieser die Grenzfläche zwischen Schaum und Flüssigkeiten sicher erkennt, lud er die Kunden gerne zum Bier ein und bewies die Tauglichkeit des Messgerätes „live“ im Bierglas.
Zeitgleich kam das erste magnetisch-induktive Durchflussmessgerät (MID) mit Mikroprozessor-Technik auf den Markt und wenig später der M-Point, das erste Geradrohr-Massenmessgerät, das auch Gaseinschlüsse in Flüssigkeiten erkannte. „Auch dieses Gerät war eine absolute Neuheit, Applikationen gab es nicht. Doch die Erfahrungen beim Kunden flossen direkt in die Entwicklung ein. Von dieser engen Abstimmung profitieren Produkte und Anwender noch heute“, betont Kathmann.
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