Modulare Automatisierungskonzepte Modulare Automatisierungskonzepte für die Prozessindustrie bieten neue Chancen

Autor / Redakteur: Dr. Jörg Lantzsch / Dr. Jörg Kempf

In der Softwareentwicklung, der Automobilindustrie und im Maschinenbau sind sie schon lange üblich: modulare Konzepte sorgen dort für höhere Flexibilität, Wiederverwendbarkeit von einzelnen Modulen und letztendlich für geringere Kosten. Auch in der Prozessindustrie ist der Trend zu beobachten, Anlagen in einzelne so genannte Package Units aufzuteilen. Hier sind die Hersteller von Automatisierungstechnik gefordert. Lesen Sie, was alles auf der To-Do-Liste in Sachen modulare Automatisierungskonzepte steht.

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Mit dem umfangreichen Wago-I/O-System und den zugehörigen Steuerungen können Hersteller von Package Units praktisch alle Sensoren und Aktoren problemlos anbinden. (Bild: Wago)
Mit dem umfangreichen Wago-I/O-System und den zugehörigen Steuerungen können Hersteller von Package Units praktisch alle Sensoren und Aktoren problemlos anbinden. (Bild: Wago)

Der Lebenszyklus einer Anlage in der Prozessindustrie ist relativ lang. Eine typische Produktionsanlage in der chemischen Industrie beispielsweise ist häufig so ausgelegt, dass sie über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten praktisch unverändert arbeitet. Selbstverständlich sind in dieser Zeit regelmäßige Wartungsarbeiten und gegebenenfalls auch der Austausch einzelner Komponenten notwendig. Die Grundstruktur der Anlage bleibt aber über den Lebenszyklus häufig unverändert bestehen.

Anlagen in der Prozessindustrie weisen einen sehr hohen Automatisierungsgrad auf. Eine Bedienmannschaft von nur einigen Personen reicht oft aus, um große Anlagen sicher zu bedienen. Der typische Aufbau eines Automatisierungssystems ist dabei die klassische Leitsystemarchitektur. Sensoren, die die chemischen und physikalischen Prozessparameter sowie die Zustände der Anlagenkomponenten erfassen, übertragen ihre Werte an die Leitwarte. Dort verarbeiten zentrale Rechner die Daten und steuern die Aktoren der Anlage, wie Pumpen, Rührwerke und Heizungen, an. Die gesamte „Intelligenz“ der Mess-, Steuer- und Regeltechnik befindet sich also in diesem zentralen Leitsystem.

Nachteile zentraler Leitsysteme

Den Nachteil, den man sich mit dieser Architektur einhandelt, ist der sehr hohe Aufwand für die Verdrahtung. Bei großen Anlagen können durchaus mehrere Tausend Sensoren und Aktoren notwendig sein, die alle zu einer zentralen Stelle verdrahtet werden müssen. Die zentrale Leitsystemarchitektur ist außerdem relativ unflexibel, wenn Änderungen oder Erweiterungen der Anlage anstehen, da stets auch die MSR-Technik des zentralen Systems angepasst werden muss.

Ein weiterer Nachteil ist der unterschiedlich lange Lebenszyklus von automatisierungstechnischen Systemen und prozesstechnischen Anlagen. Häufig müssen Steuerungen ausgetauscht werden, was aufgrund der Architektur ebenfalls mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Das Konzept der zentralen Leitsysteme hat aber natürlich auch Vorteile. So kann z.B. die Sicherheit, die insbesondere in der chemischen Industrie eine große Rolle spielt, ideal gewährleistet werden. Auch die Anlagenverfügbarkeit – ebenfalls eine zentrale Forderung in der Prozessindustrie – ist so sehr hoch.

Das F3-Projekt und seine Ziele

Seit einiger Zeit gibt es in der Prozessindustrie Bestrebungen, Anlagen modular aufzubauen. Unter der Bezeichnung F3 hat sich 2009 ein Konsortium gegründet, das aus Unternehmen der chemischen Industrie und Forschungsinstituten in verschiedenen Ländern Europas besteht. Ziel des F3-Projekts, das für Flexible, Fast and Future Factory steht, ist die Entwicklung von Konzepten für modulare Produktionsanlagen in der Prozessindus- trie.

Die EU fördert das Konsortium, das insgesamt 25 Mitglieder hat, mit 18 Millionen Euro. Die Idee hinter dem Projekt ist der Aufbau chemischer Produktionsanlagen nach dem Baukastenprinzip. Einzelne Module – auch Package Units genannt – sollen nach dem „Plug-and-Play-Prinzip“ einfach miteinander kombiniert werden können, um eine Anlage zu realisieren. Von diesem Konzept verspricht man sich eine Reihe von Vorteilen. So lassen sich einzelne Anlagenteile einfacher austauschen, wenn beispielsweise die Automatisierungstechnik veraltet ist oder die Feldgeräte das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Auch die Wartung der einzelnen Package Units kann so entkoppelt vom Rest der Anlage erfolgen und bringt damit deutliche Erleichterungen.

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