Digitalisierung Mixed Reality in der Anlage: Hype oder hilfreich?
Eines der zentralen Themen des diesjährigen Fachpressetags bei Endress+Hauser war die digitale Zukunft der Dienstleistung. Nehmen Anwender künftig eine intelligente Datenbrille zur Hand statt den Wartungstechniker zu rufen? Ein Pilotprojekt soll’s weisen.
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Mit unseren Sensoren sitzen wir an der Quelle für Informationen aus dem Prozess – diese Quelle möchten wir zum Sprudeln bringen,“ skizzierte Endress+Hauser-Chef Matthias Altendorf auf der diesjährigen Bilanzmedienkonferenz ein einprägsames Bild. Ziel sei es, den Anwendern zu helfen, das Potenzial von Industrie 4.0 zu heben. Altendorf unterfüttert dieses Potenzial mit Zahlen: Geschätzt würden heute gerade einmal drei Prozent der von den Feldgeräten gelieferten Daten genutzt. Dabei verfüge die installierte Basis bereits zu über 90 Prozent über digitale Schnittstellen.
Eines der „fruchtbaren Felder“ für IIoT, das Endress+Hauser dank Datenquelle bestellen möchte, ist das Dienstleistungsgeschäft. Entsprechend stand die digitale Zukunft der Dienstleistung im Fokus des Fachpressetags 2019, der traditionell der Bilanzmedienkonferenz vorgelagert ist. Und ebenso traditionell weisen die People for Process Automation dem Anwender dabei eine tragende Rolle zu. „Mixed Reality in der Anlage – Hype oder hilfreich?“, lautete in diesem Jahr das Thema. Eine Frage, der sich Michael Witzan, Fachingenieur für Anlagentechnik bei Voestalpine in Linz, stellte. Die Österreicher betreiben zusammen mit Endress+Hauser ein Pilotprojekt zu Mixed Reality, mit dem Ziel, herauszufinden, in wie weit virtuelle Elemente in Kombination mit dem realen Umfeld die Arbeit der Techniker bei der Installation, Bedienung und Wartung von Messgeräten vereinfachen.
„Zugegeben, das hat etwas von Star Trek“, schmunzelt Projektleiter Witzan, und meint die Hololens-Datenbrille von Microsoft, die bei Voestalpine die reale Welt der Verzinkungsanlage mit visuellen Daten anreichert und so einen einfachen und intuitiven Zugang zu prozessrelevanten Informationen eröffnet. Diese sind kontextbasiert, passen sich also der Situation und dem Messgerät, das gewartet werden soll, an. Schritt-für-Schritt-Anleitungen simulieren jeden Arbeitsschritt virtuell in einer Animation; virtuelle Einstellhilfen unterstützen die Inbetriebnahme.
Als sehr nützlich erweist sich laut Witzan die Funktion, durch Vision Blue, wie Endress+Hauser seine Anwendung für die Hololens getauft hat, zu einer Messstelle hingeführt zu werden. Das sei gerade für neue Mitarbeiter hilfreich, um den Überblick angesichts hunderter unterschiedlicher Messstellen in einzelnen Teilabschnitten zu behalten. Die Route wird bei plötzlich auftretenden Hindernissen automatisch geändert, gefährliche Bereiche wie Ex-Zonen werden anzeigt und der Nutzer umgeleitet.
Ein virtuelles Ampelsystem, das über den Messstellen schwebt, zeigt – auf Basis der Namur-Empfehlung NE 107 – den jeweiligen Wartungsstatus an. Am Gerät selbst wird über eine Eins-zu-Eins-Bluetooth-Verbindung die Parametrierung möglich. Zudem zeigt die Brille alle relevanten Messdaten wie Temperatur, Füllstand, Durchfluss, Druck und pH-Werte an, vorausgesetzt die Messgeräte stellen die Daten mittels Bluetooth zur Verfügung.
Gerade für bestehende Anlagen wichtig: Sofern offene Schnittstellen vorhanden sind, zeigt Vision Blue Informationen von Geräten jedes Messgeräteherstellers an und beschränkt sich nicht auf Endress+Hauser-Geräte. Eine Dokumentation der Messstellen ist über Screenshots möglich. Die Bilder können direkt von der Brille in die Endress+Hauser-Cloud „Netilion“ übertragen und mit der zuvor bereits angelegten digitalen Messstelle verknüpft werden. Künftig könnten die Funktionen von Vision Blue Wartungsmitarbeitern auch helfen, Fehler selbst zu beheben, ohne sich tieferes Fachwissen aneignen zu müssen. Eine Datenbank mit Schadensfällen soll’s möglich machen.
Doch wo viel Licht, da ist auch Schatten: Die Antwort auf die Frage „Hype oder hilfreich?“ fällt bei Witzan nicht eindeutig aus: Der Hype um die Technik ebbe langsam ab, in den Feldtests werde jedoch ersichtlich, wie groß das Potenzial dieser Technologie ist. Die Praxistauglichkeit für die Industrie ist für Witzan bei der Hololens der ersten Version nicht gegeben. In puncto Tragekomfort und eingeschränkter Kombinationsmöglichkeit von Helm und Brille muss die zweite Generation besser werden.
Auf Witzans Wunschliste steht zudem die SAP-Anbindung, um die Wartung noch effizienter zu gestalten. Außerdem sei es für ein Investment in die Technologie wichtig, dass Hersteller von Ventilen, Pumpen und anderen Geräten mit auf den Zug aufspringen und ihre Geräte zugänglich für diese Technologie machen. Das sehen auch die People for Process Automation so, für die Partnerschaften ein wichtiger Weg sind, die digitale Transformation zu beschleunigen und offen zu gestalten.
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